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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1899
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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61, 15. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 2019 das auf dem Lande und in meiner kleinen Stadt durchaus nicht anstößig ist, so entrüstet sie sich darüber, daß ein Mensch in dieser Weise die Schamhaftigkeit verletzen kann. Also, meine Herren, die Begriffe sind verdammt schwer herzustellen und abzuwägen, und ich sage da wieder: es ist ganz merk würdig, wie diese Ansichten sich mit den Zeiten und den Orten schon verschoben haben. Ich mag nicht, wo es so außerordentlich schwer ist, auf die einzelnen Paragraphen hier näher eingehen, weil das Sache der Kommissionsberatung sein muß Meine politischen Freunde bitten also, die Gesetzent würfe an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen. (Bravo! bei den Nationalliberalen.) Bargmann, Abgeordneter: Meine Herren, ich habe namens meiner politischen Freunde zu erklären, daß wir jetzt so wenig wie in früheren Sessionen uns einem gesetzgebe rischen Vorgehen auf dem Gebiete der öffentlichen Sittlichkeit gegenüber ablehnend verhalten, sondern daß wir bereit sind, an der Abstellung derjenigen Uebelstände, welche sich auf diesem Gebiet herausgestellt haben, mitzuwirken. Wenngleich wir im allgemeinen einer Verschärfung der Strafgesetze nicht geneigt sind, so verkennen wir darum doch nicht, daß hier auf einem begrenzten Gebiete Erscheinungen höchst unerfreu licher Natur zu Tage getreten sind, welche ein gesetzgeberisches Einschreiten erfordern, und es fällt uns um so weniger schwer, hier mitzuwirken, als dieses Gebiet ein unpolitisches ist, auf dem alle Parteien zur Besserung der Verhältnisse Zusammen wirken können Es ist anzuerkennen, daß Z 184 in seiner jetzigen Ge staltung dem Bedürfnisse nicht genügt, und daß er nach ver schiedenen Richtungen hin eine Erweiterung erfahren muß. Es ist ein Mangel des bestehenden Gesetzes, daß eben diese unzüchtigen Schriften erst getroffen werden können, wenn sie verbreitet sind, wenn also die Wirkung dieser unzüchtigen Erzeugnisse bereits eingetreten ist. Man muß sie auch vor der Verbreitung treffen können, und das geschieht dadurch, daß man, wie die Vorlage will, schon diejenigen bestraft, die solche Abbildungen u. s. w. zum Zweck der Verbreitung Herstellen oder zu demselben Zwecke vorrätig halten, an kündigen oder anpreisen. Eine kleine Einschränkung haben wir allerdings zu machen in Betreff der Ankündigung, in sofern dadurch Buchhändler und Zeitungsherausgeber, die im Besitze eines reichlich mit Annoncen versehenen Blattes sind, häufig in die schwierige Lage kommen können, daß sie nicht imstande find, jene Annoncen auf ihren Inhalt hin zu prüfen und diejenige Zahl von Gehilfen, die dazu erforder lich wären, um alle Annoncen lesen und prüfen zu können, ohne Aufwendung von bedeutenden Kosten nicht Hallen können. Wenn also jemand inserieren läßt, ohne sich über den Inhalt des Buches irgendwie auszulassen oder auf den unsittlichen Inhalt desselben hinzuweisen, so ist er meines Erachtens nicht schon um deshalb strafbar, weil das Buch objektiv unsittlich ist. Auf diesen Punkt wird die Kommission, an welche die Vorlage wohl verwiesen werden wird, ihr Augenmerk zu richten haben, um zu ermitteln, ob hier eine andere Fassung, welche solchen Gefahren begegnet, gefunden werden kann. Bis so weit einverstanden, muß ich mich aber mit einigen Worten gegen den Z 184 a wenden, welcher be kanntlich die Ausstellung von Schriften u. s. w. unter Strafe stellt, die, ohne unsittlich zu sein, das Schamgefühl verletzen, wenn sie auf öffentlichen Plätzen, auf Straßen u. s. w. in Aergernis erregender Weise ausgestellt oder angeschlagen werden. Wir sind allerdings der Meinung, daß hier diese Begriffe zu vag, zu elastisch und kautschuk artig sind, und daß dadurch auch für Kunst und Litteratur in der That Schädigungen herbeigeführt werden können. Es ist schon auf das Beispiel der Venus von Milo hin gewiesen worden, die, in einem Museum als Kunstgegen stand ersten Ranges bewundert, doch, als Photographie in einem Schaufenster ausgestellt, unter diesen Paragraphen fallen könnte, und es hat auch in der vorjährigen Kom mission gerade über dieses Beispiel eine eingehende Beratung stattgefunden, und es ist die Kommission oder wenigstens die Mehrheit derselben, wenn man den Bericht liest, der Meinung gewesen, daß solche Ausstellungen der Venus von Milo unter den Paragraphen fallen; der betreffende Buchhändler oder Geschäftsinhaber dürfe sie wohl in seinem Laden zum Verkauf vorrätig halten; aber er dürfe sie nicht in seinen, Schaufenster, nicht in Aergernis erregender Weise öffentlich ausstellen. Wenn er sie in einen Winkel stellt, so daß sie nicht zu sehen ist, hilft ihm aber die ganze Sache nichts. Nun hat aber im Plenum des Hauses ein Mitglied jener Kommission — es war der inzwischen verstorbene Abgeordnete vr. Picschel — ausgeführt, daß er die Meinung der Mehrheit der Kommission dahin aufgefaßt habe, daß die Ausstellung solcher Kopieen der mediceischen Venus nicht darunter falle, und er hat eine Aeußerung zu provozieren gesucht, was denn nun eigentlich die Meinung der Kommission gewesen sei. Eine solche Aeußerung ist aber ausgeblieben; die Sache ist also nicht klargestellt. Nun meine ich aber doch, wenn die Gesetzgeber, die Kommissionsmitglieder, damals über ein so hervorstechendes Beispiel verschiedener Ansicht gewesen sind, so ist es gar nicht zu verwundern, daß dann die Judikatur auch zu sehr wider sprechenden Urteilen kommen wird, wodurch ein Schwanken und eine Unsicherheit in die Gesetzgebung hineingebracht wird, die unter allen Umständen zu vermeiden ist. Ich kann mir ja denken, daß da Sachen von so anstößiger Natur ausgestellt werden, daß sie einen normalen Menschen, wie einer der Herren Vorredner uns deduziert hat, oder, will ich sagen, einen sittlich und ethisch normal veranlagten Menschen in der That in seinen Empfindungen auf das allergröblichstc verletzen. Solche Fälle können Vorkommen, das gebe ich zu. Es giebt aber, statt sofort den Staatsanwalt, den Strafrichter einschreiten zu lassen, meines Erachtens auch noch andere Mittel der Remedur, und wenngleich ich in keiner Weise für eine Erweiterung der Befugnisse der Polizei schwärme, so möchte ich doch sagen, daß hier ein Verbot der Polizei, das ihr nach den bestehenden Gesetzen und Verdrdnungen ja ohne Zweifel zusteht, in solchen besonders eklatanten Fällen am Platze sein möchte, und noch besser, daß eine Reaktion aus dem Publikum selbst erfolgt, was auch schon geschehen ist, mit der Wirkung geschehen ist, daß solche anstößige Gegen stände entfernt wurden. Wir sind allerdings ganz mit den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Roeren einverstanden, daß man die Heranwachsende Jugend vor den Gefahren schützen muß, die ihr aus dem Anblick solcher Schriften und Erzeugnisse entgegentreten, und daß der Staat die Verpflichtung habe, die Jugend gegen die sittliche Gefahr, die daraus erwächst, nach Möglichkeit zu schützen. Es hat das aber alles seine Grenze. Wir geben das für unsittliche Sachen, die geeignet sind, die geschlechtliche Lüsternheit zu erregen, vollkommen zu; wir meinen aber, daß darüber hinaus bei der Verschiedenheit der Verhältnisse und bei der Möglichkeit der verschieden artigen Auslegung der Bestimmungen die Gesetzgebung nicht weiter gehen sollte, derartige Ausstellungen unter Strafe zu stellen, sondern daß es besser sein wird, auf anderem Wege Remedur zu schaffen. Man vermeidet damit, daß man in ein an sich legitimes geschäftliches Interesse eingreift, und es ist ja an sich kein Makel, daß jemand Gegenstände, von denen er bova ücle meint, daß sie ausgestellt werden könne», auch ausstellt. Wir meinen überhaupt, daß auf dem Gebiete 869*
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