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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1899
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- 1899-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1899
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- Deutsch
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2020 Nichtamtlicher Teil« 61, 15. März 1899 der öffentlichen Sittlichkeit nur da eingeschritten werden sollte, wo notorische Mißstände, die von keiner Seite mehr be stritten werden, sich Herausstellen. Die Erfahrung und Ge schichte lehrt ja, daß, wo der Staat hier zu tief eingegriffen hat, mehr Schaden als Nutzen daraus entstanden ist. Eines der besten geschichtlichen Beispiele sind die Puritaner in England unter der Herrschaft von Oliver Cromwell, wo bekanntlich jede Ausschreitung in sittlicher Beziehung auf das schwerste bedroht wurde, wogegen aber nach der Restau ration der Stuarts unter Karl II. eine solche Reaktion sich geltend machte, daß fast alle Schranken der Sitt lichkeit durchbrochen wurden, und die geistlichen und welt lichen Behörden alle Mühe hatten, diesen alles Maß über schreitenden Unsittlichkeilen zu steuern. Es ist dem Staat, wie gesagt, hier ein nicht zu weites Gebiet gesteckt, und er thut gut, wenu er sich innerhalb der erforderlichen Grenzen hält, wie das auch aus den Worten des Herrn Staatssekretärs des Reichsjustizamts, der nach meinen Notizen eine weise Mäßigung empfahl, hervorgehl. Es müssen, um die sittliche Verwilderung der Jugend zu verhüten, diejenigen Faktoren Zusammenwirken, von denen schon oft hier die Rede gewesen ist, außer den Vereinen, die sich das Ziel stecken, die öffent liche Sittlichkeit zu fördern, wie das auch vom Bunde deut scher Frauenvereine angestrebt wird, deren Forderungen allerdings in einigen Punkten über unsere Ansichten hinaus gehen, mit deren Tendenzen aber im allgemeinen man doch durchaus sympathisieren muß. Meine Herren, indem ich mich dem Anträge, die Ent würfe an eine Kommission zu verweisen, anschließe — ich würde allerdings glauben, daß bei der Verschiedenartigkeit der Ansichten und der Buntscheckigkeit der Materie eine Kommission von 21 Mitgliedern am Platze sein möchte, und demzufolge die Zahl der Mitglieder zu erhöhen wäre —, bemerke ich zum Schluß, daß ich die Hoffnung hege, daß es gelingen wird, in der Kommission die Sache endlich zum Abschluß zu bringen, und zwar in einer Weise, welche der Ansicht des Volkes, daß hier ein energisches Einschreiten er forderlich ist, entspricht, anderseits aber das Maß des Not wendigen einhält und alles dasjenige, was einer übertriebenen Prüderie entsprungen sein sollte, aus den: Gesetze ausmerzt. Wenn es gelingt, die Materie auf das zu beschränken, wo rüber allgemeine Uebereinstimmung herrscht, also die gesetz geberische Beschlußfassung sich beschränkt auf die Ztz 181 bis 184, so werden wir hoffentlich in der jetzigen Session die Sache zu einen: befriedigenden Abschluß bringen können. . . . Bebel, Abgeordneter: Meine Herren Ich habe schon angeführt, daß die Fassung des Z 184 der Regierungsvorlage mir besser dünkt als die Fassung, die der Paragraph in der Centrumsvorlage bekommen hat. Vor allem faßt der erster« diejenigen Punkte, die unter dem Begriff des Unzüchtigen zu verstehen sind, zusammen. Aber gleichwohl hat auch die Vorlage der Regierung große Be denken, insbesondere in der Ziffer 1, worin es heißt: Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Dar stellungen feilhält, verkauft, verteilt, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt oder sonst verbreitet, sie zum Zwecke der Verbreitung herstellt oder zu demselben Zwecke vorrätig hält, an kündigt oder anpreist, wird mit so und so viel besttast. Da ist in dem Z 184 der Centtumsvorlage die betreffende Bestimmung nach meiner Auffassung besser gefaßt, — irre ich nicht, ist sie wesentlich durch meine Intervention in der Kommission hineingekommen. Ich habe damals geltend gemacht — und ich glaube, das auch heute wieder geltend machen zu können —, daß die Worte ' sie zum Zwecke der Verbreitung selbst herstellt« nicht allein den Unternehmer treffen, sondern auch die Arbeiter und Arbeiterinnen, die mit der Herstellung unzüchtiger Gegenstände beschäftigt werden; wenn sie im Aufträge des Unternehmers diese Arbeiten ausführen, kann man sie doch nicht bestrafen. Ich hielte das für ein bitteres Unrecht, wenn es möglich sein sollte. So liegen die Dinge in unserem sozialen und wirtschaftlichen Leben nicht, daß Arbeiter und Arbeiterinnen sich in solche Geschäfte drängen, als wollten sie zun: Vergnügen an der Herstellung unzüchtiger Gegenstände arbeiten; sie greifen zu, weil sie Arbeit haben müssen, und sie wissen in den wenigsten Fällen vorher, womit sie be schäftigt werden; sie erfahren das erst, wenn sie in das Geschäft hineinkommen, und sie sind froh, Arbeit gefunden zu haben. Man kann nicht verlangen, daß sie nunmehr, nachdem sie die Art ihrer Arbeit gesehen haben, die Stelle sofort wieder verlassen. Das ist sehr oft nicht möglich. Jedenfalls muß, wenn die Regierungsvorlage im tz 184 an genommen werden sollte, eine Aenderung eintreten nach der Richtung, wie sie in Ziffer 1 des §184 der Centrumsvorlage enthalten ist. Ferner muß ich hervorheben, daß wir namentlich der Ziffer 2 des Z 184 des Centrumsanttages nicht zustimmen können. Dort steht: Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblich verletzen oder die geschlechtliche Lüsternheit zu erregen geeignet sind, einer Person unter 18 Jahren anbietet, verkauft oder sonst überläßt u. s. w. Sehr oft ist es für den Verkäufer ganz unmöglich, das Alter des Käufers oder dessen, der den Gegenstand abholen soll, festzustellen. Wie oft holen Dienstmädchen unter 18 Jahren im Aufträge ihrer Herrin aus Leihbibliotheken Bücher, namentlich Romane, welche unzweifelhaft nach den hier formu lierten Begriffen das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblich verletzen und die geschlechtliche Lüsternheit zu erregen im stande sind! Einem strengen Staatsanwalt und einem strengen Richterkollegium wird es hiernach nicht schwer fallen, eine Reihe Dichtungen unseres Goethe, den wir neulich hier von allen Seiten so lebhaft haben preisen hören, unter K 184 Ziffer 2 zu subsumieren. (Sehr richtig! links.) Und nun gar der gottlose Heinrich Heine! Dieser würde wahrscheinlich mit seinem ganzen Inhalt sofort unter tz 184,2 fallen. Ich erinnere ferner an die vielen französischen Romane, die un zweifelhaft getroffen würden, z. B. von Engtzne Sue, Paul de Kock, Zola, Maupassant u. s. w. Weiter aber finde ich im Paragraphen selbst einen ge wissen Widerspruch, namentlich durch die Motivierung, die ihm der Abgeordnete Roeren zu teil werden ließ. Er sagte, die Meinung, es solle Kunst und Wissenschaft durch diesen Absatz getroffen werden, sei falsch; wenn auch eine Statue, ein Bild in einem Museum, auf einein öffentlichen Platze, in einem Park das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblich ver letze oder die geschlechtliche Lüsternheit zu erregen geeignet sei, so solle das nicht unter Z 184,2 fallen. Das war eine Mo tivierung, welche die Herren gegeben haben, mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe. Denn wenn Sie die Abbildungen, z. B. die von den Figuren auf der Schloßbrücke oder von gewissen Figuren in diesem Hause (Heiterkeit) oder von Bildwerken und Statuen in hiesigen Museen bestrafen wollen, sobald sie in Läden ausgelegt sind, aber die Figuren selbst in voller Nacktheit und Schönheit tagtäglich den Blicken des Publikums und der Kinderwelt ungeniert und unbestraft preisgeben wollen, so ist das ein Widerspruch, aus dem Sie sich nicht herausfinden werden. (Sehr richtig! links.) Da sage ich — ich stelle mich jetzt für einen Augenblick auf de» Standpunkt der Herren vom Centrum —: viel schlimmer als das Auslegen der Abbildung einer in einem Museum befind-
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