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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-28
- Erscheinungsdatum
- 28.03.1899
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- Deutsch
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72, 28. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 2371 Nichtamtlicher Teil Der Kommunismus am sogenannten geistigen Eigentum. Seit den Tagen Platos, der uns bereits in seinem Werke »Der Staat, oder was ist Gerechtigkeit?« ein ver blüffendes Bild des modernen Klassenstaates und Klassen kampfes entworfen hat, bis zu Edward Bellamy ist das kommunistische Ideal von hervorragenden Köpfen behandelt worden. Nicht zuerst vor fast sechzig Jahren hat der fran zösische Nationalökonom, der ehemalige Schriftsetzer Peter Josef Proudhon, das feurige Wort: tta propriötö, o'sst Is vol iu die zitternde Welt geschleudert, trotzdem er doch ein Gegner des Kommunismus gewesen ist. Der Kommunismus, dem heute auch die moderne Sozialdemokratie abgeschwvreu hat, ist gleichwohl der Popanz, vor dem das kapitalistische Privat eigentum zittert; schon die moderne Bewegung der sogenannten Bodenreform genügt, um das Gespenst des Anarchismus in Sehweite zu bringen. So gefürchtet der Kommunismus auf dem Gebiete des Eigentums au Produkttous- und Konsumtionsmitteln aber ist, so gäng und gäbe ist er auf geistigem Gebiete. Wenig stens muß das jeder harmlose Leser des Aufrufs an Schrift steller, Komponisten und bildende Künstler aus diesem ent nehmen, den Martin Hildebrandt, der Herausgeber des »Rechts der Feder«, unter dem Titel »Wider die Commu- nisten am geistigen Eigentum« soeben veröffentlicht hat.*) »Wir leben hinsichtlich des geistigen Eigentums im kommu nistischen Staate«, heißt es dort sehr einfach und klar. Die Frage, die unseren Nationalökonomen so viel Kopfzerbrechen verursacht, nämlich wie - heutzutage Eigentum entsteht, löst Hildebrandt ebenso einfach mit der Antwort: »Durch recht mäßigen Erwerb!« Daß der Begriff Eigentum durchaus nicht feststehend ist, sondern sich durch die Jahrhunderte fortdauernd geändert hat, daß nichts gerade so deutlich den großen Wandel zeigt, dem das Recht im Laufe der Zeit unterworfen ist, wie der Be griff des Eigentums — der Pandektist Windscheid sagt, das Eigentum bestehe aus lauter Negationen —, daß es, je kultivierter ein Volk, um so eingeschränkter wird — man denke daran, daß z. B. im ganzen Altertum der eigentlichste und wichtigste Gegenstand des Eigentums der Mensch selbst war, man denke an die Enteignung, an die Besteuerung, an die Beschränkungen des freien Verfügungsrechtes, ja an den vollen Verlust durch die Länge der Zeit — daß es mit einem Worte nicht das unantastbare Gut ist, wo das Gemeininteresse in Frage kommt — alle diese Thatsachen finden wir in dem Hildebrandtschen Aufrufe ignoriert. So ist denn schon der erste Satz darin unrichtig, mit dem er seine' Ausführungen wie folgt beginnt: -Erwirb ein Stück Land, und niemand darf dich in seinem Besitze stören. Nenne Geld und Geldeswert dein Eigen, und man wird dir fronden und zinsen, so lange, als du dein Kapital zu erhalten verstehst. Sei so reich, wie Rothschild, oder so arm, wie ein Tagelöhner, was du dein Eigen nennst an körperlichen Dingen, niemand darf es dir entreißen. Verbrecher wäre, wer es wagte, auch nur das Geringste deines Besitzes anzutastcn. Nur du allein hast das Recht, frei darüber zu verfügen. Aber bist du ein Schöpfer geistiger Gebilde, gestaltest du mit den Mitteln der Sprache, der Schrift, der Töne, der Farben, der plastischen Darstellung, erzeugst du Güter, deren Wert und Wesen nicht in der Materie liegt, in der sie sich darstellen, sondern im Geiste, den sie atmen und genießen lassen, in dem Empfinden, das sie ausströmcn und wecken, bist du der Urheber von Geistes werken, so lerne dich begnügen, darüber zu deinem Nutzen nur *) Berlin, Deutscher Auturenvcrlag (I. Harrwitz Nachfolger.) (47 S.) insoweit zu verfügen, als es dir großmütig eine Gesellschaft ge stattet, der nur der silberne Löffel — des anderen heilig ist.» Ich glaube nicht, daß mau leicht eine unrichtigere Dar stellung des thatsächlichen Verhältnisses geben kann, wie es hier geschieht. »Das geistige Eigentum gehört der Nation«, heißt es bald darauf, »die sich zu gunsten ihres (?) Schöpfers und seiner Rechtsnachfolger nur gewisser bestimmter Ver fügungen darüber für eine bestimmte Zeit enthält«. Man bedenke nun, daß der Urheber von Geisteswerken ivährend seines ganzen Lebens das volle, freie Verfügungsrecht darüber behält, und daß seine Erben noch dreißig Jahre lang ganz unbehindert in der Ausübung dieses Rechtes bleiben, und ver gleiche damit die weiteren Ausführungen Hildebrandts: »Die menschliche Begehrlichkeit weiß sich das Eigentum an Geisteswerken schon längst in Werten von Millionen nutzbar zu machen. Liegt es auch nicht herrenlos am Wege, wie der Kiesel stein, so fehlt ihm doch der Hüter, der den Dieben wehrte. Mag der Geplünderte auch noch so beweglich Einsprache erheben, mag er auch noch so eindringlich das sittliche Rechtsbewußtsein der Ge sellschaft anrufen — es rührt sich in unserem Rechtsstaats keine Hand für ihn. Cr mag zusehen, wie Andere Millionen aus seinem Eigen häufen. Er ist rechtlos in einer Gesell schaft, die das »Heilig, heilig, heilig ist das Eigentum- in allen Tonarten predigt und doch das ehrlichst erworbene allen Eigen tums, das geistige Eigentum, für Gemeingut erklärt. In der darum auch die Ausbeuter dieses fremden Gutes die angesehenen Leute, und die Geplünderten, Beraubten armselige Schlucker sind, denen man den Vorwurf machen darf, wie es das -Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel» gethan (?): Sie erstrebten einseitige Vermögensvorteile auf Kosten anderer! Und denen man ferner, ohne zu erröten, zu sagen wagt: »Sind wir nicht immer groß mütig gegen Euch gewesen, wenn Ihr bittend für Eure Hilfs- und Altersknssen zu uns kamt?» — O ja! Ihr seid großmütige und edle Herren. Aber wir wollen Euer Almosen nicht. Wir fordern unser Recht. Was gestattet Euch, das leblose Ding, das Ihr aus irdischen Stoffen formt, für heilig zu erklären und das Werk, dein der irdische Stoff nur dient, es sinnlich wahrnehmbar zu machen und es festzuhalten, dessen eigentlichen Körper aber der Geist in Sprache, Farben, Tönen und in Formen webt, für vogelfrei zu erklärend Etwa das Recht und die Gerechtigkeit? Niemals! Das ist noch lange nicht das Recht, was das geschriebene Gesetz bestimmt, das ist dem Geisteswerkc und dem geistigen Eigentums gegenüber die brutalste Vergewal tigung, die gut zu machen endlich an der Zeit ist.» Ob man gerade mit einer solchen leidenschaftlichen Sprache und mit so unbegründeten Vorwürfen etwas erreichen wird, dürfte zweifelhaft sein. Es mag in unserer Gesellschafts ordnung manches besserungsbedürftig sein; sie als so skrupel los hinzustellen, daß sie den geistigen Arbeiter hilflos seinen Ausbeutern, d. h. den Buchhändlern überläßt, geht doch wohl nicht an. In derselben Weise, wie oben, geht es nun in diesem Aufrufe, dessen Widmung Ernst v. Wildenbruch wohl be rechtigte, den Herrn zu bitten, ihn vor seinen Freunden zu bewahren, weiter fort. Wie der Sklave, sieht auch der »ge setzlich zur Vorahnung des kommunistischen Staates erzogene Urheber von Geisteswerken« ein, daß der Kampf gegen das, auf die einsichtslose Gewalt sich stützende Ausbentertum un nütz ist. Die Schriftsteller sind die Schafe, »denen von ihren Herren die Wolle genommen und das Fell über die Ohren gezogen werden darf«. Es ist dann die Rede von der »Recht losigkeit der Schriftsteller den Herren Verlegern und sonstigen Ausbeutern von geistigem Eigentum« gegenüber: -Das Versöhnende beim Diebstahl des geistigen Eigentums ist: nicht für sich begehen diese edlen Diebe Eingriffe in das fremde geistige Eigentum, sondern, wie weiland der heilige Krispin, aus mitleidigem Herzen für die fremde Not. Die Volksbildung ver langt es, und so opfern sie sich gerne und ertragen gleich Märtyrern einer heiligen Sache den gemeinsamen Geruch, Diebe zu sein. Haben sie für die Volksbildung und die Fundierung ihres Besitzes genug gethan, so kann ihnen der geheime Kommerzienrat ja doch nicht entgehen.- 3tll
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