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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.03.1899
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- 1899-03-28
- Erscheinungsdatum
- 28.03.1899
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- Deutsch
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.V 72, 28. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 2373 Wenn die Nachfrage nach einem Buche groß ist, so giebt ihm der Mann, den er nötig hat, um sein Geistesprodukt in einen verkaufsfähigen Zustand zu überführen, mehr dafür, als wenn das Buch niemand haben will, geradeso, wie der Stiefelknechtfabrikant seine Erzeugnisse um so teuerer ver kaufen kann, je mehr Nachfrage danach entsteht. Auf dem wirtschaftlichen Markte giebt es freilich ein Gesetz, das den Gewinn des Fabrikanten in gewisse Grenzen bannt, das fällt bei dem Monopol des Schriftstellers fort, und gerade hierin liegt sein eminenter Vorteil vor jedem anderen Arbeiter. Die entsprechende Entschädigung, die mit Recht gefordert werden kann, wird bei jeder Arbeit durch Unterbietung gefährdet, und es ist nicht möglich, daß die Entschädigung wesentlich über das Maß des Entsprechenden dauernd hinausgehe. Wenn wir nun nicht den ganz unbegründeten Satz gelten lassen wollen, daß die geistige Arbeit gerade des Schriftstellers so viel mehr wert ist als die körperliche Arbeit oder die geistige Arbeit des Lehrers, des Beamten rc., so ist es ganz unnatürlich, daß, während sich alle übrigen Menschenklassen mit einer einmaligen Entlohnung absurden lassen müssen, gerade der Schriftsteller für seine, sagen wir einmal einjährige Arbeit während seines ganzen Lebens und seine Erben dann noch fiir ewige Zeiten eine Rente beziehen sollen. Nicht ein Stief kind des Geschickes ist der Schriftsteller schon jetzt, sondern er nimmt unter allen übrigen Menschenklassen eine bevorrechtete Ausnahmestellung ein. Der bildende Künstler mag noch so bedeutend sein; für sein hervorragendstes Kunstwerk, das für ewige Zeiten das Muster eines guten Geschmacks und präch tiger Ausarbeitung sein mag, wird ihm nicht so viel bezahlt, wie der Schriftsteller und seine Erben an einem hervorragenden Buche verdienen können, dessen Herstellung ihm vielleicht den zehnten Teil der Zeit, der Kenntnisse und der Fähigkeiten eines Rubens oder Phidias gekostet hat. Es ist in der That lächerlich, den Schriftsteller als rechtlos hinstellen zu wollen, der als Arbeitstier nur zum Nutzen der Allgemeinheit schaffe. Diejenigen Bücher, welche das Leben des Autors um 30 Jahre überdauern und dann noch beliebt sind, haben ihrem Verfasser und seinen Erben, wenn anders er nicht durch eigene Schuld sich um den Lohn seiner Arbeit gebracht hat, eine in manchen Fällen sogar überreich »entsprechende Entlohnung« gebracht. Cotta zahlte an Goethe und seine Erben 865 564 an Schiller und seine Erben 539 986 Ich will hiermit den geistigen Wert Goethes und Schillers natürlich nicht in Mark umsetzen, sondern nur zeigen, daß Hildebrandts Beschimpfung der Verleger schon vor dem Bestehen eines kodifizierten Urheberrechts unbegründet gewesen wäre. Kein Verleger kann einen Dichter nach seinem inneren Wert honorieren, sondern nur nach Maßgabe dessen, was er ihm selbst einträgt. So wird auch mancher über seinen Wert bezahlt! Auch Göschen honorierte Schiller und Wieland sehr anständig. Viktor Hugo hinterließ — während die Verleger dieses Geschäftsmannes fast alle Geld zusetzten und bankrott machten — über 6 Millionen Francs, Thiers hat während seines Lebens 2 Millionen an Honorar ein genommen, Alexander Dumas hat 3 Millionen mit seiner Feder verdient, Eugen Sue hinterließ dank seinen Romanen trotz seines verschwenderischen Lebens noch mehr als 1 Million. Die heutige Scheu vor dem Bekanntwerden solch interner Verhältnisse, wie Honorarbezüge es sind, verhindert es, daß Zahlen veröffentlicht werden; aber es unterliegt keinem Zweifel, daß auch unsere heutigen deutschen Schriftsteller, deren Werke flott abgehen, sehr stattliche Honorare beziehen, die wahrlich nicht berechtigen, die Verleger als Ausbeuter und Diebe hin zustellen. Und welches sind denn diese Bücher, welche 40, 50, 60 Jahre lang nicht veralten? Sind es die wissenschaftlichen Werke, in welche der Forscher die Ergebnisse jahrzehntelanger Studien und seine gesamten Lebenserfahrungen niederlegt, durch welche die Menschheit auf der Bahn des Fortschritts vorankommt? Sie pflegen nicht einen solchen Absatz zu haben, daß sich Goldhaufen ansammeln könnten. Selbst das beste wissenschaftliche Buch veraltet, wofür das epochemachende Handbuch der Physiologie des Menschen von dem Begründer der physikalisch-chemischen Physiologie, Professor Johannes Müller, ein beredtes Zeugnis ablegt. Kaum ein Buchhändler weiß noch, daß dieses berühmte Buch vor etwa 60 Jahren bei dem Vater des Schreibers dieser Zeilen erschienen ist; kein Mensch kauft es heute mehr, und es hat es überhaupt nur auf eine ganz verschwindende Zahl von Auflagen ge bracht. Die deutsche Uebersetzung von Darwins Werken wird heute schon zu einem herabgesetzten Preise angeboten! Wer hat also den Nutzen von dem ewigen oder dem auf große Zeiträume ausgedehnten Urheberrecht? Fast einzig und allein die Belletristen unter den Schriftstellern! Und auf welche Gründe stützt sich der Anspruch auf eine ganz aus nahmsweise Rücksichtnahme auf deren Erben? Ich weiß es, offen gestanden, nicht. Wenn man auf die ewig milchende Kuh des Grundbesitzers hinweist, so ist es viel eher ein leuchtend, hier für eine Aenderung einzutreten als umgekehrt seine Verhältnisse als Muster hinzustellen. Aber abgesehen hiervon ist doch dabei zu bedenken, daß, um in den Besitz von Grund und Boden zu kommen, die Hergabe von Werten nötig ist; nicht das Land ist es, das Geld einträgt, sondern — um mich kurz auszudrücken — das darin angelegte Kapital. Die Boden rente ist nichts anderes als der Zins eines Kapitals, das mit demselben prinzipiellen Effekt verliehen werden kann. Wie man freilich über die Berechtigung von Zinsen denkt, ist eine andere Frage. Das zinsentragende Kapital, das im Grund und Boden steckt, ist zu vergleichen mit den geistigen Fähig keiten eines Menschen. Sie können ihm ebenso gut Zinsen tragen wie das Kapital, indem er sie verwertet, in Geld umsetzt. Der Grund und Boden ist ohne Arbeit ebenso wenig produktiv wie der tote Schädel des hervorragendsten Schriftstellers. Ohne neue Arbeit wird kein neuer Wert erzeugt, und die Leute, die von ihren Zinsen, von den Erträg nissen ihres »ewigen Eigentums« leben, verzehren in Wahrheit die Produkte der Arbeit anderer. Die geistigen Werke des Schriftstellers bilden einen fruchtbaren Grund und Boden, dem aber ohne stete neue Arbeit nichts entspringt. Damit er wirklich Früchte bringe, bedarf es stets neuer Arbeit, die nicht er verrichtet, sondern der Verleger, der Papierfabrikant, der Setzer, der Korrektor, der Buchdrucker, der Buchbinder, der Kommissionär, der Sortimenter und noch tausend andere Leute. Durch den Verlagsvertrag verpachtet er den Boden, der infolge der Bearbeitung dem Pächter als Entschädigung für die Pachtsumme Früchte trägt. Nun kann der Schrift steller ja sagen: So gut dem Eigentümer des Grundes und Bodens das ewige Ausnutzungsrecht der Arbeit anderer zuge- standen wird, so gut steht dies auch mir zu. Aber da kommen wir wieder auf den schon betrachteten Unterschied. Der Grundbesitzer hat den Boden durch Hergabe von Gegen werten erworben, er hat sein Kapital darin fixiert; der Schrift steller hat sein Werk zwar selbst geschaffen, aber mit Aus nutzung der Errungenschaften anderer. Er hat deshalb noch weniger Recht auf eine ewige Ausnutzung seines Werkes, das auf Anderer Schulter steht, als der Grundbesitzer, der aus seinem fixierten Kapital Zinsen zieht, sondern er wird durch die alleinige Ausnutzung innerhalb einer beschränkten Zeit für seine Leistung, sein Verdienst »entsprechend entlohnt«. Hildebrandt sieht nun allerdings ein, daß sein Ideal, ein ewiges Urheberrecht, nicht zu erreichen ist. Aber er ist Realpolitiker. »Wir wollen, sagt er, daß die Gesamtheit den Nutzen der geistigen Produktion habe. Dieser Nutzen wird ihr aber nur dann, wenn nicht nur, wie jetzt, einige Speku lanten die Erben der Urheber sind, sondern, wenn diese für HkrtiSundlechilaslrr Iabraano 317
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