122, 30. Mai 1899. Fertige Bücher. 3953 I. H. M. Mokr (Maul' SieöeLs in Ireikurg i. Leipzig, Tübingen. (ZM8941 '— Soeben wurde ausgegeben: Die Lir>ilprozefzov-iittirg für das Deutsche Reich. Erläutert von Professor vr. Gcrrrpp. vierte Auflage, n Äuf der Grundlage des am 1. Januar 1900 iu Kraft tretenden Nechts neu bearbeitet von Professor vr. Iriedrich Stein. Lieferung 1. Alles Nähere ist aus meinem Rundschreiben Nr. 7 vom 20. Mai ersichtlich. st. Ä. cdeoüsr vieler, verlagsbuchstandiung. Leipzig. s24375j — »^« Die Ostdeutsche Rundschau <Wien) schreibt unterm 17.Mai 1899: Abälard und Heloise. Eine Liebestragödie in siins Aufzügen von Paul Fleischer, Leipzig, Verlag von H. W. Theodor Dieter. 1899. Der Ausgang des Jahrhunderts mahnt an dessen Anfang. Geknechtet lag Deutschland zu den Füßen des korsischen Welteroberers, als es thränend sein Auge ausschlug in tiefer Nacht; hoffnungsbang harrte das deutsche Wesen der Erlösung. Da warf Goethe mitten hinein in das Getöse der Waffen seinen „Faust", und alle, die trotz der Niederlage auf blutiger Wahlstatt noch nicht verzagt waren, hoben glaubensfreudig ihren Blick empor zu einer rettenden Zukunft. Ein Volk, in dessen Schoße solch' ein Werk gereift war, konnte nimmer verloren sein, und die Geschichte legte für jene Zuversicht das schönste Zeugnis ab, als deutsches Sehnen sich erfüllte. Der Sieger aber wurde zum Sklaven; und befriedigt durfte der „Figaro" feststellen, die Revanche sei bereits gelungen, indem er frohlockend das Repertoire der deutschen Theater in Berlin veröffentlichte — französische Ware, nichts weiter. Was aber nicht unmittelbar aus Paris eingeführt wird, hat trotzdem seinen geistigen Ursprung, wenn auch in Deutschland erzeugt, jenseits der Vogesen. Wo anders wurzelt der gegenwärtige Naturalismus, als in Balzac's ,6orusäis kuwains", deren Fortbildner, teils bewußt, teils unbewußt, Zola, Ibsen und Hauptmann sind? Es ist, als ob Lessing nie gelebt, als ob Richard Wagner nie den Schluß seiner Meistersinger geschrieben hätte. Eine marktschreierische Reklame preist welschen Tand als deutsches Gold; blind folgt die urteilslose Menge, während inbrünstig das deutsche Gemüt nach der befreienden That aus den unwürdigen Fesseln verlangt. Sie ist geschehen: „Abälard und Heloise", das Drama Fleischer's, ver heißt der deutschen Kunst ein herrliches Auferstehen. Das ist wieder die Sprache eines Dichters, nicht die gehaltlose Konversation des Salons, nicht die äffische Kopie des Hintergebäudes oder Souterrains; das ist wieder Seele, die sich offenbart, sowohl in den geheimsten Regungen des innigsten Glückes, als auch im lohenden Ausbruch der heftigsten Leidenschaft, der Mensch, wie er seinem innersten Wesen nach außerhalb aller Konvention erscheint. Kein Tasten und Suchen im Ausbau des Dramas, kein Haschen nach äußeren Effekten, kein Spielen mit allerhand Problemen verwirrt den Leser, sondern eine bewußte, kraftvolle Künstler natur entwickelt die Handlung und führt sie mit Ueberlegenheit zur vollendenden Lösung. Wohl kaum ist bisher in solch' musterhafter Form ein solch' erhabener Inhalt verkörpert worden. Mit derselben Meister schaft handhabt Fleischer die Sprache des täglichen Verkehrs, wie Vers und Reim, nirgends ist der Wechsel des Ausdrucks unmotiviert, sondern jederzeit die Folge der organischen Verbindung des quellenden Gefühls mit seinem lebendigen Rhhthmus. Wir können nichts weiter thnn, als das Werk den litteratursreundlichen Kreisen aufs wärmste empfehlen, es niutet wie eine Offenbarung an. Hoffentlich aber tritt es bald in seiner vollen Schönheit auch vor das Auge; denn eine Gestaltung dieser Tragödie muß für den Schauspieler, den das moderne Drama durch die Wiedergabe des Milieus in der Entfaltung seines besten Könnens hindert, der schönste Lohn seines Wirkens sein, und wahrlich, es ist der Regie leicht gemacht, mit den einfachsten Mitteln das Höchste zu er reichen, ein Vorzug, der nicht zum ivenigsten die dichterische Kraft Fleischer's bekundet. —p— Preis drosch. 3 M.; gebdn. 4 M. ord.; ä rond. mit 25°/°, dar mit 33V» Ltchsundstch-tgjikr Jahrgang 528