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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.06.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1899-06-03
- Erscheinungsdatum
- 03.06.1899
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- Deutsch
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126, .1. Juni 1889. Nichtamtlicher Teil. 4075 neuen Stadtbibliothek wohnten viele Berühmtheiten bei, u. a. Charles Dickens, Thackeray, der Graf von Shaftesbury und John Bright. Der Bürgermeister und der Bischof der Stadt waren dabei die Redner. Bis 1886 hatten sich immer erst 123 Bezirke des dichtbevölkerten, reichen Landes die Biblio- thcksgesetze zu nutze gemacht und gerade die drei Hauptstädte des Königreichs sich in dieser Beziehung sehr unthätig er wiesen. Dublin errichtete 1884 zwei Volksbibliotheken, ohne auf das betreffende Gesetz zurückzugreifen, und Edinburg konnte erst 1886 durch ein Angebot von 50 000 Pfund Sterling durch den amerikanischen Millionär Carnegie zur Benutzung des Gesetzes bestimmt werden. London hatte bis 1885 nur in einer einzigen seiner 67 Kirchengemeinden von dieser, für die Volksbelehrung so wichtigen Gesetzgebung Gebrauch gemacht. Dieses, sowie so viele andre Gebiete des geistigen Lebens in England haben in den späteren Jahren aber eine auffallende Veränderung erfahren. Seit 1886 sind über 100 Volksbibliotheken, davon 30 in London allein, errichtet worden. Als Vorbild einer englischen Volksbibliothek kann die jenige Richmonds — einer bezüglich ihrer Verwaltung selb ständigen Stadtgemcinde an der Südwestseite Londons — dienen. Richmond hat nur 25 000 Einwohner; die städtischen Abgaben betragen 6 Schilling auf das Pfund Sterling nach der Einschätzung — ein sogar für England hoher Prozent satz — und hiervon wird je 1 Penny vom Pfunde für Unterhaltung der 1881 eröffneten Volksbibliothek verwendet. Diese enthält etwa 18 000 Bände; etwas mehr als die Hälfte davon gehört zur »Verleih-Abteilung«, der Rest zur sogenannten »Auskunfts-Abteilung«. Die Bücherschätze der ersten werden unentgeltlich an alle Steuerzahler in Richmond, sowie an jede in Richmond wohnende Person über 14 Jahre, wenn diese einen Bürgen stellen kann, ausgeliehen. Auf einmal kann nur je ein Band verliehen werden und muß, wenn die Entleihung nicht erneuert wird, binnen 7 Tagen zurück gegeben werden. Ein Bücherumtausch kann täglich nur ein mal erfolgen. Dagegen besteht ein strenges Verbot, Bücher zurückzusenden, wenn in der Wohnung des Entleihers eine ansteckende Krankheit ausgebrochen war. Die Verleih-Abteilung, ebenso wie die Auskunfts- und Zeitungs-Abteilung, ist, außer des Sonntags, täglich von 10 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends ununterbrochen geöffnet. In der Verleih-Abteilung sind die Bücher in folgende Gruppen verteilt: Theologie und Philosophie; Biographie und Briefwechsel; Geschichte, Topo graphie und Reisewerke; Rechtswissenschaft, Politik und Sozial ökonomie; Künste und Wissenschaften; Romane, Gedichte, Dramen und Klassiker; Vermischtes, Zeitschriften und Rund schauen; Jugendschriften, ausländische Litteratur. Die Aus wahl der Verfasser ist eine ganz unparteiische und auf klärungsfreundliche. Unter den Sprachforschern findet sich Max Müller, unter den Philosophen Herbert Spencer, unter den Biographen Vasari, unter den Geschichtschreibern Gegen sätze wie Gibbon, Macaulay und Bischof Stubbs, unter den Reiseschilderern ein Humboldt und ein Wallace, unter den soziologischen Juristen ein Henry Maine, unter den Politikern ein Mazzini, unter den Sozialökouomen ein Marx und ein Jevons, unter den Naturforschern Darwin, Mivart, Huxley, Romanes u. s. w. Unter den Romanen fehlt nicht Björnsons »In 6oäs (Auf Gottes Wege) oder Zolas tte Ktzvs; unter den Klassikern finden sich alle großen dramatischen, epischen und philosophischen Meisterwerke der Griechen und Römer in mustergiltigen Uebersetzungen. Englands reiche und wertvolle Zeitschriftenlitteratur ist dutzendweise in voll ständigen Jahrgängen vertreten. Hier giebt es nicht nur geistige Nahrung für das aufwachsende Arbeitergeschlecht und für Handwerker und Handlungsbeflissene, sondern auch für wissenschaftliche Leser eine ganze Menge wertvoller Sachen. — Wer die frühere soziale Geschichte Englands studiert, muß Stubbs Lovstttutioval llisiorx ok Uvglimä und dessen Leleet 6bartsrs, illustrative ok Uuglisb Ooustituticmal Uistor/ zu Rate ziehen — Kompilationen eines fleißigen Quellcn- forschers, die den staväarä vorlcs der neueren englischen Ge schichtschreibung zugezählt werden und in der unansehnlichen Volksbibliothek des kleinen, ländlichen Richmond zugänglich sind! Die Verleih-Abteilung wird jährlich von über 3000 Per sonen in Anspruch genommen, die täglich etwa 450 Bände entnehmen. Zur Unterhaltung und Pflege der Bibliothek sind fünf Beamte angestellt. Die gesamten Jahreskosten bettagen 900 Pfund Sterling (18 000 ^E), wovon gegen 700 Pfund dem Steuerschatze entnommen werden; der Rest kommt durch freiwillige Beiträge ein. Seit ihrer Gründung hat die Biblio thek Geschenke — Bücher, Karten, Kupferstiche, Büsten u. s. w. — im Werte von 41500 erhalten. Von englischen Gegnern der Volksbibliotheken ist tadelnd bemerkt worden, daß diese fast ausschließlich als Roman- und Unterhaltungsbibliotheken benutzt werden würden. Es unter liegt auch keinem Zweifel, daß die Roman- und die Jugend schriftenabteilungen bisher am stärksten in Anspruch genom men wurden. In Richmond gehörten 70 Prozent der ent liehenen Bücher zu diesen Gruppen, und in ganz England wechselt deren Prozentsatz zwischen 35 und 85. — Es giebt jedoch schon Anzeichen, daß solche »Fehltritte« nur zu den Kinderkrankheiten der Volksbibliotheken gehören, denn die Roman-Abteilung zeigt schon Neigung zur Abnahme — offenbar weil die Allgemeinheit durch die Benutzung dieser Einrich tungen allmählich gelernt hat, davon den richtigen Gebrauch zu machen. In Newcastle ou Tyne, einem typischen Jndustrie- gemeinwesen, betrugen die entliehenen Romane 1863 bis 66 Prozent, 1884 63, 1885 noch 62, 1886 aber 55 und 1890 nur noch 52 Prozent. Uebrigens werden ja Romane weit schneller als andere Litteratur durchgelesen; die ange gebenen Zahlen sind also keineswegs so unvorteilhaft für ernstere Studien, wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Geschichtliche und kunstindustrielle, sowie technische und naturwissenschaftliche Litteratur stehen nächst den Ro manen und Reisebeschreibuugen in stärkster Nachfrage. Jeden falls beruht das Uebergewicht der Romauverleihuugeu zu weilen auch darauf, daß die Gemeindebibliotheksvorstände zu viel für den Ankauf von Romanen angelegt haben, — um mit den Frauen der niedern Mittelklasse auf gutem Fuße zu bleiben. Die süopüsepsrs der englischen Kleinstädte bilden eine der zahlreichsten und kommunal einflußiuächtigsteu Klassen. Im übrigen ist ja mäßiges Romanlescu eine an regende und bildende Zerstreuung nicht bloß für die »vor nehme Welt«. Gewöhnlich findet mau die englischen Volksbibliotheken in besonderen, recht malerischen Gebäuden von englischem Renaissance-Villenstil. Die Thüren stehen vom Morgen bis zum Abend für jeden offen, der das 16. Lebensjahr voll endet und einigermaßen saubere Häude hat (eine nicht allzu streng beobachtete Vorschrift), sowie keinen Hund oder keine angezündete Cigarre oder Tabakspfeife mitbringt. Das vollständige Fehlen aller Förmlichkeiten, Einschreibungen, Einlaßkarten oder Schließungsstunden im Laufe des Tages, sowie jeder andern bureaukrattschen Kleinigkeitskrämerei ist gewiß einer der besten Züge der englischen Volksbibliotheken. Die größtmögliche Freiheit und Erleichterung in der Zu gänglichkeit der Bibliotheken ist von größter Bedeutung für deren Nutzen für die niedern Gesellschaftsklassen. Jedermann ist ja träge und scheu, etwas zu unternehmen, was er bisher nicht gethan hatte, und es geht meist langsam, eine neue höhere Gewohnheit anzunehmen. Der dürftig gekleidete Arbeiter mit seinen groben Händen und seiner wenig geübten Lesekunst läßt sich nur zu leicht durch Kleinigkeiten abhalteu, 543»
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