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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-06-06
- Erscheinungsdatum
- 06.06.1899
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- Deutsch
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I? 128, 6. Juni 18SS, Nichtamtlicher Teil. 4127 Nichtamtlicher Teil Volksaufklärung in England*). (Schluß aus Nr. 125.) Pennybücher. Eigentlich konzentriert sich die Aufgabe der Volks- nnfklärung auf die Frage, wie die in den Volksschulen er worbenen Kenntnisse im Lesen und Schreiben und die Fähig keit, mit geistigem Nutzen einem Vortrag zu lauschen, aus gebeutet werden sollten, um in den niedern Gesellschafts schichten die naturwissenschaftlichen, humanistischen und svzialökvnomischen Kenntnisse zu verbreiten, die in den neu zeitlichen Gemeinwesen eine unumgängliche Bedingung für freie und gute Mitbürgerschaft und zunehmende Seelen- verfeincrung bilden. Volksbildung durch Volksausklärung! Freie zugängliche Büchersammlungen anzulcgen, ist die eine Weise. Gute Bücher zu einem Preise herzustellcu, der diese auch der Kaufkraft des Tagelöhners erreichbar macht, ist eine zweite, und Vorlesungen zu veranstalten, die dem ge wählten Orte, dem Preise, der Behandlungsart und dem Thema nach für gewöhnliche Arbeiter passend sind, eine dritte Weise. Was die genannte zweite Weise angeht, so muß es jedem in England lebenden Fremden in die Augen fallen, daß dieses Land gegenwärtig an Penny-Druckerzeugnissen mit ver schiedenstem, zuweilen recht gediegenem Inhalt überaus reich ist, daß es aber bezüglich der Entstehung und Verbreitung dieser Büchlein eines einheitlichen, von Parteipropaganda und Geschäftsinteressen freien Grundsatzes ermangelt. Große Mengen von Penny-Heften »für das Volk« sind im letzten Jahrzehnt im Zusammenhang mit der schnellen Entwickelung einer billigen, periodischen Litteratur mit wechselndem Inhalt entstanden. Die binnen wenigen Jahren zu reichen Leuten gewordenen Eigentümer gewisser volkstümlicher Wochen- und Monatsschriften entdeckten gar bald, daß die Penny-Litteratur sich nicht nur in periodischer Form, sondern überhaupt in jeder beliebigen Ausgabeform recht gut bezahlt macht. Man merkte, daß der richtige Augenblick zur Gründung einer neuen Großindustrie gekommen war: die Beschaffung von Penny- Lesestoff für die in der Volksschule unterrichtete Millionen- demvkratie. Die billigen Zeitungen versorgen diese mit Neuigkeiten; jetzt galt es auch, die andere Art von Leselust zu befriedigen. Die Art und Weise, wie die Penny-Wochenschriften den uichtjournalistischeu Lcsebedarf des gemeinen Mannes decken, ist höchst eigentümlich und wenig erbaulich. Diese Schriften sind nämlich aus zusammenhanglosen kleinen Stücken jed weder Art zusammengesetzt: Plaudereien — wenn nicht Klatsch — über bekannte Persönlichkeiten, naturwissenschaft liche Kleinigkeiten, geschichtliche Anekdoten aus älterer und neuerer Zeit, technische Mitteilungen, Reiseabenteuer in ver kürzter Form, Sportnachrichten, aufregende Novelletten, allerlei alltägliche oder seltsame Erfahrungen und Winke bezüglich des modernen Großstadt-, Industrie- und Handelslebens u. s. w. in Unendlichkeit. Alles ist in kleine mundgerechte Bissen zerlegt, die auch der Ungeübteste und mindest Ge bildete genießen und verdauen kann. Durch angenehmen Wechsel zwischen Alltäglichem und Wunderbarem, zwischen Praktischem und Romantischem weiß inan das Interesse der Menge immer wach zu erhalten. Fragt inan überhaupt bei diesem Mischmasch nach einem Zwecke und Ziele, so scheint das nur der zu sein, zu zeigen, auf wie unendlich vielseitige, *) Aus dem im Verlage von HobbiugLBüchle in Stuttgart demnächst erscheinenden Werke: England als Weltmacht und Kulturstaat. Van Gustaf F. Steffen. seltsame Weise sich dem strebsamen jungen Manne in einer modernen Gesellschaft Gelegenheit bietet, Geld zu verdienen und »emporzukommen«. Eine solche Weise ist die Teilnahme an den »Preis bewerbungen« derartiger Wochenschriften — einer notdürftig maskierten Form von ungesetzlicher Lotterie, bei der es sich jede Woche wohl um einige Tausend Mark handelt Trotz aller zweifelhaften Züge haben diese ungeheuer verbreiteten Wochen schriften doch zwei Vorteile gezeitigt. Sie haben Hundert tausende junger Arbeiter, Kontoristen und Ladendiener daran gewöhnt, wöchentlich einige Pence für einen Lesestoff zu opfern, der eigentlich keine Zeitungslektüre darstellt, und sie haben das System der Verbreitung periodischer Veröffent lichungen zu dem Grade von Vollendung gebracht, der erst die Lebensmöglichkeit der Penny-Bücher sicherte. Bei der jetzigen Papierfabrikation und der heutigen Druckpresse sind es nämlich nicht die Herstellungskosten, die dem noch Nutzen abwerfenden Verkauf eines Oktavbändchens mit etwa 60 eng bedruckten Seiten für 6 bis 12 Pfennige Hindernisse in den Weg legen — vorausgesetzt, daß die Auflage mehrere Zehn tausend Exemplare umfaßt — sondern nur die Kosten der Verbreitung, die sich leicht zu hoch stellen. Handelt es sich um Litteratur für die große Menge, so darf man nicht darauf rechnen, daß diese sich um die Bücher bemüht; sondern die Bücher selbst müssen auf dem einen oder andern Wege ihr Publikum zu finden wissen. Gewöhnliche Arbeiter pflegen keine Buchhandlungen zu besuchen, und diese würden unter keinerlei Umständen beim Verkauf von Penny - Litteratur kor tbs Million ihre Rechnung finden. Die Verleger solcher Schriften müssen sie auf möglichst einfache Weise unmittel bar in die Hände des richtigen Publikums zu bringen ver stehen. Diese Aufgabe hat durch das englische System der Zeitungs- und Zeitschriftenvertreibung ihre Lösung gefunden, und zwar nach dem Grundsätze, daß das Publikum auf seinem täglichen Gange nach und von den Arbeitsstätten derartige Litteraturfrüchte an geeigneten Stellen zur Besich tigung und zum Kaufe finden müsse. In der Regel abonniert der Engländer nicht auf seine Zeitung, sondern kauft deren laufende Nummer, wo sie ihm gerade angeboten wird. Die Post hat in England also mit dem Zeitungsvertrieb wenig zu thun; dagegen wird dieser wichtige Industriezweig hauptsächlich von den Eisenbahn gesellschaften und zwei großen Kolportagefirmcn nebst deren über das ganze Land verstreuten Agenten gepflegt. Die Bahnstationen spielen dabei die Hauptrolle. Jene beiden Firmen haben jede ihren Zeitungsstand in allen einigermaßen belebten Bahnhöfen des ganzen Staates. In diesen oft nur von Knaben besorgten Ständen liegen, außer Zeitungen und Zeitschriften, stets lange Reihen billiger Romane und Novellen, sowie ganze Stöße von Penny-Schriften für das Volk aus. In London und den großen englischen Industriestädten sind die Bahnzüge des Morgens und des Abends von Arbeitern, Ladengehilfen, Kontoristen und ähnlichen Zugehörigen der »breiten Schichten« sehr stark besetzt, und in den Minuten, die gewöhnlich bei Abwartung der Ankunft des Zuges ver gehen, bildet der bunte Zcitungsstand mit den zur Ansicht gestellten Jllustrationsproben der Wochenschriften und den sensationell ausgeführten Inhaltsangaben der politischen Zei tungen einen Ruhepunkt für die umherirrenden Blicke. Diese fallen dabei auch auf die aufgestapelten »Penny-Dichter«, »Penny-Romane«, »Penny-Klassiker« und auf die Bände von »Cassells Nationalbibliothek«, deren schon über 200 er schienen sind und die für drei Pence Musterstücke der eng lischen und festländischen modernen und klassischen Litteratur enthalten. Jedermann steht es frei, in Ruhe diese billige 549"
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