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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.03.1874
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1874-03-28
- Erscheinungsdatum
- 28.03.1874
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- Deutsch
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1182 Nichtamtlicher Theil. 72, 28. März. der verantwortliche Redacteur nur ein Strohredacteur sei, ganz dem Richter überläßt. Ich bitte Sic deshalb, diesem Anträge zuzustimmen. Es wird hierauf der Antrag Wölfcl angenommen und, mit Aus nahme des dadurch beseitigten Absatzes 2. in tz. 21., die 21. und 22. der Commissionsvorschläge. Alle übrigen Anträge werden ab gelehnt. Den tz. 20. der Regierungsvorlage hat die Commission bekannt lich gestrichen; er gelangt aber nach der Praxis, welche das Haus gutgeheißen hat, an dieser Stelle zur Discussion, ohne daß seine Wiederherstellung durch einen besonderen Antrag verlangt wird. Er lautet: Wer mittelst der Presse den Ungehorsam gegen das Gesetz oder die Verletzung von Gesetzen als etwas Erlaubtes oder Verdienstliches darstellt, wird mit Gesängniß oder Festungshaft bis zu 2 Jahren beslraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Geldstrafe bis zu 600 Mark ein. Wer die im tz. 106. des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vorgesehenen Handlungen mittelst der Presse verübt, wird mit Gesängniß nicht unter drei Monaten und bis zu vier Jahren beslraft. Commissarius v. Brauchitsch: Das vorliegende Preßgcsetz befreit die Presse von einer Reihe von Beschränkungen, namentlich in pecuniärer Beziehung, und Sie werden mir daher zugeben, daß möglicherweise diese Ausschreitungen noch zahl reicher werden könnten als bisher. Es ist aber nicht bloß diese Besorgniß, welche nach der Ansicht der verbündeten Regierungen die Aufnahme des H. 20. rechtfertigt, sondern das gegenwärtig unstreitig vorhandene Bedürf- niß zu einer solchen Bestimmung. Der Einwand, den man erheben könnte, daß das gesprochene Wort, welches zum Aufruhr wider die Gesetze auf reizt, weniger scharf geahndet werde als das geschriebene Wort durch tz. 20., hat eine gewisse Berechtigung; aber Sie müssen bedenken, daß das gedruckte Wort eine größere Ucbcrlegung voraussetzt, als das gesprochene. In ollen großen Staaten hat man Mittel vorgesehen, um die Ver breitung von Aufruhr und die Organisation wider die Staatsgewalt zu verhindern, beziehentlich zu ahnden. Ich will Sie nur an England er innern, an das Land, in welchem man, wie Sie selbst betonen, das freieste Preßgcsetz hat; in England versteht man in diesen Sachen wahr haftig keinen Spaß. Professor Bluntschli sagt in seinem Staatsrecht, daß die Presse in ihrer Freiheit geschützt werden müsse, solange sie sich nicht Eingriffe in die Sphäre des Staates erlaubt. Der Staat aber, meine Herren, muß sich doch das Recht Vorbehalten, zu bestimmen, wie weit seine Sphäre reicht. Der §. 20. ist in der That nicht überflüssig. Es existirt ein berühmter Ausspruch: Mir bangt vor dem Menschen, der nur Ein Buch gelesen. Ich glaube wohl mit demselben Rechte sagen zu dürfen: mir bangt vor dem Menschen, der nur Eine Zeitung liest. Es gibt aber sehr viele, die nur ein einziges Journal oder eine Zeitung lesen. Mit Rücksicht gerade auf dieses Publicum schien den verbündeten Negierungen die Bestimmung des §. 20. notwendig. Die Regierung kann unmöglich zugeben, daß die Gcmüthcr des Volkes aufgeregt werden, und cs kommt hinzu, daß — ich gebe eine Aeußerung wieder, die neulich hier im Hause gefallen ist — in der Presse ungemein viel gelogen wird. Das Fundament der Gesetze ist der Gehorsam gegen das Gesetz und ich bitte daher Alle, welche dem Staate ein Mittel gewähren wollen, um Diejenigen, die vermittelst der Presse dies Fundament erschüttern wollen, zu bestrafen, den §. 20. der Regierungsvorlage anzunehmen. Abg. v. Kardorff: In diesen Punkten bin ich mit den Ausführungen des Herrn Regie- rungscommissars vollkommen einverstanden. Es läßt sich aber gleich wohl nicht verkennen, daß die Fassung des §. 20. der Regierungsvorlage keine glückliche ist. Die Bestimmung dieses § 20. geht weiter als das Strafgesetzbuch, und ich muß zugeben, daß es danach nicht ganz unzweifel- Haft ist, daß Jemand, der in einer Zeitung eine wissenschaftliche Erörte rung z. B- über das Jmpfgesetz schreibt, verurthcilt wird. In einem großen Theile der Presse ist die Aufforderung zum Ungehorsam gegen das Gesetz zwar nicht direct, aber indircct enthalten. Ter 8- des Straf gesetzbuches ist nun zwar nicht so auszulegen, daß nur die dirccte Auf forderung zu bestrafen sei, die indirecte nicht; aber nach meiner Erfahrung sind die Fälle selten, daß Richter auf eine indirecte Aufforderung zum Ungehorsam verurthcilt haben. Abg. Traeger: Meine Herren, die Vertheidigung, welche der von der Commission einfach gestrichene §. 20. der Regierungsvorlage hier gefunden hat, ist die Unterschrift seines Todesurtheils. Wenn es wahr ist, daß die Presse die Luft ist, in welcher wir athmen, so verunreinigt §. 20. der Regierungs vorlage diese Luft dergestalt, daß wir darauf verzichten müssen, in solcher Luft zu athmen. (Lebhafte Zustimmung.) §. 20. ist ein Ausnahmegesetz der allerschlimmsten und allergefährlichsten Art. Der Herr Regierungs- commissar hat gesagt, der §. 20. solle die Achtung vor dem Gesetze auft recht erhalten. Nun, meine Herren, ich bin überzeugt, daß Niemand in diesem Hause die Mißachtung vor dem Gesetze befördern wolle, ich kann mir ein Preßgcsetz nur denken mit der unbedingtesten Gesetzesachtung als Voraussetzung Dem §. 20. gegenüber wäre es aber bedenklich, über die Zeit von 1848, über die englische, französische, ja über Jahrhunderte weit zurückliegende Revolutionen zu schreiben; es würde einem bald Gelegenheit geboten werden, in stiller Zurückgezogenheit darüber nachzudenken, ob Mi rabeau oder Cromwell wirklich große Männer gewesen sind. Wenn Je mand in einer Zeitung gelehrte Bemerkungen über die Revolutionen machte, so könnte er mit Hilfe des tz. 20. bald auf die Pfade der Tugend und Ordnung zurückgesührt werden. Dieser tz. 20. ist nicht bloß inter- ein talentvoller Staatsanwalt oder ein strebsamer Richter mit diesem Pa ragraphen anfangen könnte! (Oho! rechts.) Rufen Sie nicht Oho! Wenn ein Schluß von dem Vergangenen ans das Zukünftige gestattet ist, so können Sie sich, was früher alles geschehen ist, von gar mancher Prozeß deputation erzählen lassen. (Zustimmung und Bewegung.) Ich will aber ein Beispiel aus der jüngsten Zeit anführcn, welches die Dehnbarkeit des §. 20. vorzüglich illustrirt. Die „Gegenwart" hat vor kurzem einen Preßprozeß gehabt wegen eines Artikels aus der Feder von Johannes Scherr. Die Anklage war auf tz. 166. des Strafgesetzbuches gegründet. Ter Verfasser des Artikels befand sich außerhalb des Gebie tes der Wirksamkeit des Strafgesetzbuches, und es konnte daher nur der Redacteur allein unter Anklage gestellt werden. Der Staatsanwalt be antragte wider ihn drei Monate Gesängniß, die Richter verurtheilten ihn hierauf zu einer Gesängnißstrafe von einem Monat Wäre auf Grund des uns vorliegenden Preßgesetzcntwurfes verurthcilt worden, so hätte das Gericht auf drei Monate Gesängniß erkennen müssen. Dieses Beispiel genügt vollkommen, um die Gefährlichkeit auch des zweiten Alinea des §. 20. der Regierungsvorlage darzuthun. Es wäre eine gesetzgeberische Uebereilung, diesen Paragraphen anzunchmen. Leider kommen solche Uebereilungen öfters vor; wenn man glaubt, daß ein Noth- stand vorhanden ist, macht man frischweg ein neues Gesetz. Das ist ge rade so, als wollte man jedesmal, wenn man ein neues Wölkchen am Himmel sieht, einen neuen Regenschirm kaufen. (Heiterkeit.) Zuletzt wüßte man gar nicht mehr, was man daniit ansangen sollte. Auf diesem Wege gehen die einfachsten Begriffe von Recht und Gerechtigkeit verloren. Es ist in diesem Hause neulich das Wort gefallen, die Presse sei ein Geschäft. In gewissem Sinne ist dies Wort wahr, aber es ist ein einseitiges Wort. Gewiß, die Presse ist ein Geschäft und manchmal ein sehr einträgliches Geschäft; aber während sie mit den Füßen auf dem Boden des Geschäftes steht erhebt sie sich doch mit dem Scheitel zu den höchsten Idealen. Die deutsche Presse wenigstens ist der Pflicht der Volksbildung und der Volks erziehung sich stets bewußt gewesen. Und zu Ehren des deutschen Volkes, zur Ehre dieses Hauses, zur Ehre der deutschen Presse bitte ich Sie, das Todesurtheil dieses Paragraphen zu bestätigen. (Beifall) Der §. 20. der Regierungsvorlage wird hierauf mit allen Stimmen gegen die Stimme des Abg. Grafen Eulenburg abgelehnt. Ter dritte Abschnitt handelt von der Verantwortlichkeit für die durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen, und zwar werden die §§. 23—25., aus denen er besteht, zusammen zur Discussion gestellt. Sie lauten in der Fassung der Commission: §. 23. Tie Verantwortlichkeit für Handlungen, deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druckschrift begründet wird, bestimmt sich nach den bestehenden allgemeinen Strafgesetzen. Ist die Druckschrift eine perio dische, so ist der verantwortliche Redacteur mit der Strafe des Thäters zu belegen, wenn nicht durch besondere Umstände die Annahme seiner Thüterschast ausgeschloffen wird. §. 24. Ter Redacteur, Verleger und Trucker sind berechtigt, das Zeugniß über die Person des Verfassers, Herausgebers und Einsenders zu verweigern. tz. 25. Begründet der Inhalt einer Druckschrift den Thatbestand einer strafbaren Handlung, so sind der verantwortliche Redacteur, der Ver leger, der Drucker, Derjenige, welcher die Druckschrift gewerbsmäßig ver trieben oder sonst öffentlich verbreitet hat (Verbreiter), soweit sie nicht nach §. 23. als Thäter oder Theilnehmer zu bestrafen sind, mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Haft oder mit Festungshaft oder Gesängniß bis zu einem Jahre zu belegen, wenn nicht durch besondere Umstände die An nahme der Vernachlässigung der pflichimäßigcn Sorgfalt ausgeschlossen wird. Die Bestrafung bleibt jedoch für jede der benannten Personen aus geschlossen, wenn sie als den Verfasser oder den Einsender, mit dessen Einwilligung die Veröffentlichung geschehen ist, oder wenn es sich um eine nicht periodische Druckschrift handelt, als den Herausgeber derselben oder als einen der in obiger Reihenfolge vor ihr Benannten eine Person bis zur Verkündigung des ersten Unheils nachweist, welche in dem Bereiche
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