Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.01.1898
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1898-01-05
- Erscheinungsdatum
- 05.01.1898
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18980105
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189801056
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18980105
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-05
- Monat1898-01
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Was hier an statistischem Material geboten wird, ist gewiß durchaus einwandfrei, aber dennoch reizt mich dieses »Allerlei« der Stimmung wegen, aus der heraus gerade die Frauen frage behandelt ist, zu einer Entgegnung Ihr Korrespondent klagt über die Zunahme weiblicher Angestellter, er berichtet, daß die Frau in immer mehr Be rufskreise eindringe und somit auf immer mehr Ge bieten dem Manne unüberwindbare Konkurrenz mache, aus dem einfachen Grunde, weil die weibliche Kraft billiger sei, als die männliche, und findet darin gleichzeitig die Thatsache bestätigt und begründet, daß die Heiratslust der männlichen Angestellten immer geringer werde, daß die Kollegin den Mann zum Hagestolz mache. Lassen Sie mich zunächst bei der »billigeren Arbeits leistung« einsetzen. Da darf doch wohl gleich gefragt werden: Ist es denn die Schuld der Frau, daß ihre Arbeit so gering gewertet und demgemäß oft unter aller Würde geradezu miserabel bezahlt wird? Man wende sich doch, wenn man hier wirklich die Quelle des Unheils, der unüberwindlichen Konkurrenz sieht, an die rechte Stelle, man greife die ab normen wirtschaftlichen Verhältnisse 'an, man kämpfe gegen das Ausbeutertum, wie es beim letzten großen Kon- fcktions-Ausstande in erschreckendem Maße zu Tage getreten ist. Ist es die Schuld der Frau oder der wirtschaftlichen Mißstände, wenn es heute noch nichts Ungewöhnliches ist, daß ein Fabrikmädchen in der Woche nur vier bis höchstens sechs Mark verdient, wenn das Ladenfräulein mit dreißig Mark im Monate abgespeist wird?! Wer von diesem Standpunkte aus urteilt, für den ist es heilige Pflicht als Mann, mit zuwirken, daß dieser Ausbeutung der Frau ein Ende gemacht wird in ihrem Interesse ebensowohl, wie in dem des Mannes, der nur aus diesem Wege sich der sogenannten unüberwind lichen Konkurrenz erwehren kann. Doch noch eine zweite Auffassung ist möglich und hat thatsächlich unter den Männern viele Vertreter. Diese sagen, die Leistungen der Frau sind derjenigen des Mannes nicht ebenbürtig. Die Frau besitze nach ihrer natürlichen Anlage nicht das Maß der Energie, Zähigkeit und Widerstandskraft, das der Mann für seine Arbeit mitbringt. Ich erlaube mir hier kein abschließendes Urteil; wer das aber behauptet, hat sich klar zu machen, daß dann, wenn die Leistungen der Frau hinter denen des Mannes zurückstehen, dieser nicht mehr von einer unüberwindlichen Konkurrenz reden darf; denn dann wird die Mehrleistung des Mannes ihren natürlichen Ausdruck in besserer Bezahlung finden. Von der einen oder von der andern Seite betrachtet — ganz gleich: hier kommt man notwendig — ehrlicher Weise wenigstens — zu der Ueberzcugung, daß der Satz von der unüberwindlichen Konkurrenz nicht aufrecht zu erhalten ist. Doch nun soll die Gefahr weiter vor allem darin liegen, daß die Frau auch in die bessern Berufskrcise eindringt. Ge meint sind die mittleren, die gewerblichen und handelsgeschäft lichen Berufsschichten, vor allem in kaufmännischen und amt lichen Büreaus. Weniger wird bei diesem Angriff jetzt zu meist an die »studierten« Klassen gedacht; denn das hat man nun doch wohl allmählich allseitig eingesehen, daß hervor ragend begabte Frauen eben in dieser ihrer Begabung das Recht haben, sich jene Plätze zu erobern. Der unbestreitbaren Thatsache gegenüber, daß in die amtlichen und kaufmännischen Büreaus die Frau immer mehr ciudringt, kann ich zunächst nur meiner Freude Ausdruck geben und zwar vom ethischen Standpunkte aus. Und hier muß jeder zustimmen, mag er über Frauenarbeit denken, wie er immer will. Denn so liegt die Sache: so lauge unsere wirtschaftlichen Zustände derart sind, daß man die Frau der niederen Schichten — sagen wir kurz des vierten Standes — nicht von der Fabrikarbeit befreien kann, so lange ge bietet es einfach das Moralgesetz, der Frau auch die Arbeit in den höheren Bernfsklassen zu erschließen, und alle jene Nörgler, die so viel und so gern über unästhetische Frauen- Emancipation schwatzen und immer wieder mit dem schönen Worte kommen: »Das Mädchen gehört zur Mutter in die Stube, und die Frau gehört ins Haus«, sie alle haben gefälligst ihren werten Mund zu halten einfach dieser eben ausge führten nackten Thatsache gegenüber. Gerade von diesem ethisch-moralischen Standpunkte aus möchte ich jedes Mädchen, das sich in die oft mühseligen Arbeiten des Büreaus hinein wagt, als eine Rächerin ihrer armen Schwester in der Fabrik von ganzem Herzen beglückwünschen. Und wenn sich nur der Mann einige Mühe giebt, so findet er auch gerade hier einen schönen Zug frischer, lebenskräftiger Energie. Ist es nicht voll anzuerkennen, daß nachgerade auch das Mädchen in diesen Kreisen nicht mehr Lust verspürt, den altehrwürdigen, aber unter unseren heutigen Verhältnissen recht blaß und schimmelig gewordenen Rechtsbrief fahren zu lassen — nur von des Mannes Entschlüssen und Launen abzuhängen, dem Manne durch die schönsten Jahre des Lebens nachzuschmachten, auf ihn zu warten in endlosem Sehnen und müder Un- thätigkeit? Nein, die Zeiten Chamissos, »seit ich ihn ge sehen, glaub' ich blind zu sein«, sind unwiederbringlich dahin, und auch das Mädchen »höherer Stände« lernt, mit klugen, offenen Augen und ernstem, festem Blick in die Welt zu schauen; es ahnt etwas von einem anderen beseligenden Ge fühl, unabhängig zu werden, sich selbst auf festen, sicheren Boden zu stellen. Aber außer dieser ethisch-moralischen möchte ich noch eine andere mehr praktische Seite aus kürzlicher eigener Er fahrung heraus betonen. Auch im Buchhandel erobert die Frau zum großen Aerger und Verdruß vieler Herren Buchhandlungs-Gehilfen sich mehr und mehr ihre Stellung. Ich kann von einer großen höchst angesehenen Verlags-Buch handlung berichten, die mit fast 50 Prozent weiblicher An gestellten arbeitet. Da ist zweierlei zunächst von Bedeutung: 1. Die Gehilfen sind verhältnismäßig gut bezahlt, jeden falls bedeutend besser als im allgemeinen ihre Kollegen in Leipzig, der stolzen Metropole des Buchhandels. 2. Durch die weiblichen Angestellten ist das in seinen Auswüchsen mit Recht so verschrieene Lehrlings-System »li^ Lehrlingszüchterei von vornherein unmöglich gemacht. Diese Verlagshandlung hat überhaupt keinen Lehrling. Durch 1 ist in diesem Falle der Satz von der Kon kurrenz, jedenfalls der unüberwindlichen, widerlegt, denn wenn die weiblichen Angestellten nicht da wären, so würden sie wenigstens zum Teil durch Lehrlinge ersetzt sein. Und 2 weist auf ein sehr einfaches und gutes Mittel der Unterbindung der Lehrlingszüchterei hin. Aber, wird hier eingeworsen werden, wo in aller Welt sollen denn die Lehr linge bleiben? Die Frage ist leicht beantwortet: Ein Buch handlungs-Eleve hat in einer reinen Verlagsanstalt über haupt nichts zu suchen, sondern sollte seine Lehrzeit im Sortiment abdienen; dort ist noch immer Platz genug für ihn. Doch ich erwarte noch einen zweiten Einwurf, dessen Widerlegung vielleicht schwieriger erscheinen mag. Auf das gegebene Beispiel hin wird man mir vorwerfen, daß ich selbst der Frau im Buchhandel nur Lehrlingsstellen anweise. Doch dem ist nicht so; ich bleibe bei meinem Beispiel und freue mich, konstatieren zu können, daß in der Verlagshandlung, von der ich rede, die erste leitende und bevollmächtigte Stelle in der Hauptbuchführung in weiblicher Hand liegt. Noch be deutungsvoller aber für mich ist, daß hier durch die weib lichen Angestellten eine Verschiebung der Arbeit und Neu organisation derselben möglich wurde, die überhaupt die charakteristischen Lehrlingsarbeiten in ihrer prinzipiellen Tren nung von der Gehilfenarbeit aufhob, indem jedem Gehilfen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder