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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.07.1899
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- Band
- 1899-07-06
- Erscheinungsdatum
- 06.07.1899
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- Deutsch
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4928 Nichtamtlicher Teil. 154, 6, Juli 1899, Abgesehen von einem flüchtigen Besuch, den er mir in Neapel im Mai 1881 bei Gelegenheit seiner Reise nach Kon stantinopel machte, bekam ich Lorenz acht Jahre lang nicht mehr zu Gesicht. Er hatte im Jahre 1883 sein Verlags und Kommissionsgeschäft an die Firma Nilsson abgetreten und beschäftigte sich seitdem nur noch mit seinen Katalog arbeiten. Nach dem Erscheinen des elften Bandes, im Oktober 1888, zog er sich überhaupt ins Privatleben zurück. Die Vorrede dieses Bandes ist sehr anziehend geschrieben und kennzeichnet seinen Charakter besser als irgend eine Biographie. Die ihm nun reichlich gegebene Muße benutzte Lorenz zu größeren Reisen, zunächst nach Spanien, Algier, Aegypten und Palästina. Auf der Rückkehr von letzterer Reise, im Mai 1889, berührte er auch Neapel. Er hatte die Stadt seit Jahren nicht mehr gesehen und war ganz entzückt davon. Unser alter Zwist war längst vergessen, er besuchte mich täglich. »äs 8M8 ivrs äs Hspls8«, sagte er wiederholt — er gebrauchte gern französische Wendungen und Redensarten — »ich komme sicher nächsten Herbst hierher und bleibe dann den ganzen Winter«. Wenn Lorenz so etwas sagte, so hatte er auch den Willen, es zu thun, entwarf er doch manchmal Reiseprojekte viele Monate im voraus und war sehr ver drießlich, wenn er den bestimmten Tag nicht einhalten konnte. »Ich bin stolz darauf, meine lange vorher gefaßten Reise pläne stets pünktlich auszuführen«, schrieb er mir bei einer dieser Gelegenheiten. Gegen Mitte Dezember 1889 kam er denn auch in Neapel an, bezog das ihm von früher bekannte Hötel de Rome auf Santa Lucia und fühlte sich ungemein wohl. Jeden Morgen gegen 10 Uhr kam er zu mir ins Geschäft, um »mich zu rasieren«, wie er sagte, blieb aber niemals über eine halbe Stunde. Oester kam er auch abends ins Haus, spielte mit uns Whist und wußte stets neue drollige Ge schichten zu erzählen, am liebsten solche aus Leipzig, die er meisterhaft im heimischen sächsischen Dialekt vortrug. Er verstand es, jeder Sache eine humoristische Wendung zu geben. Er blieb bis Ende März in Neapel. Wir machten während dieser Zeit viele Spaziergänge und ein paar kleine Ausflüge, auf denen er stets der angenehmste Gesellschafter war. Auf einem dieser Ausflüge, nach Caserta, erzählte er mir im Wagen, wie er auf die Idee seines französischen Hauptkatalogs gekommen sei. Durch seine Mitarbeiterschaft an den Reinwaldschen Jahreskatalogen dazu angeregt — er war sechs Jahre im Hause Reinwald thätig —, habe er im Jahre 1861, zur Zeit, als er sich etablierte, den Plan dieses großen Unternehmens gefaßt, »um Ordnung zu schaffen«, wie er sagte. Trotz seiner anstrengenden Thätigkeit als Kommissionär unterzog er sich der Ausführung dieses Planes mit großem Eifer und einer wahrhaft staunenswerten Arbeitskraft; die ersten vier Bände hat er, nach seiner Ver sicherung, fast ganz allein gemacht. Allerdings mußte er dieser Arbeit alle seine Mußestunden opfern und kam nur noch selten ins Theater, obwohl er es sehr liebte. Nach sechs Jahren erschien der erste Band. Die anfänglich kühle Aufnahme des Werkes von seiten des Buchhandels schreckte einen Mann wie Lorenz nicht ab; er ging ruhig seinen Weg weiter und hatte endlich die Genugthuung, sein Unternehmen mit ehrender Anerkennung und bedeutenden materiellen Er folgen gekrönt zu sehen. Uebrigens war Lorenz von Hause aus wohlhabend, und es war nur ein unwiderstehlicher innerer Trieb, der ihn dazu anspornte, sich eine solche Riesenarbeit aufzuladen und erfolgreich durchzuführen. Zwei Bände, von denen er eine zu hohe Auflage hatte drucken lassen, ließ er zum Teil wieder einstampfen. Hochinteressant war sein Bericht, wie er auf die Anordnung der »ltsbls äss 8lx prsuüsrs vo1ums8, ols8868 psr orärs slpbsbötigus äs8 mstitzrs8« gekommen sei. Diese Isbls bildet den VII. und VIII. Band des Werkes und ist durch die ebenso einfache wie sinnreiche Verteilung des Stoffes jedem Sortimenter und Bibliothekar längst als ein unent behrliches Nachschlagewerk bekannt. »Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es machen soll«, sagte er mir damals, »ob nach Brunet oder nach einem andern System, bis ich endlich das Richtige fand. Es war das Ei des Kolumbus in neuer Auflage.« Mehr darüber in der Vorrede im achten Bande. Nach Paris zurückgekehrt, vollzog er im Juli 1890 seinen Umzug in die rus äse Lstits Obsmps Nr. 61, »ganz im Mittelpunkt der Stadt, wie ich es gern habe, freilich vier Treppen hoch, was ich nicht gern habe«. Lorenz litt seit Jahren an leichtem Asthma, weshalb er auch nicht rauchte. Im selben Briefe vom 10. Juli 1890 zeigte er mir seine bevorstehende Abreise an, er wollte in die Schweiz und nach Wiesbaden gehen. »Daß ich nächsten Winter wieder nach Neapel komme, wird immer wahrscheinlicher, denn die italienischen Finanzen scheinen einen solchen üppigen Gold regen vertragen zu können; aber ich will es anders machen: ich bleibe zuerst nur acht Tage in Neapel und gehe für den ganzen Januar nach Palermo, um dann bis in den Mai in Neapel zu bleiben.« Gesagt, gethan. Er kam nach Weihnachten in Neapel an, bezog aber diesmal nicht sein geliebtes Hötel de Rome, da es wegen des neuen Quais demoliert werden sollte — es steht heute noch an seinem alten Platz; in Neapel beeilt man sich nicht —, sondern in das Hötel Grande Bretagne, um schon nach wenigen Tagen nach Palermo zu fahren. Er besuchte auch Catania, Syrakus und Malta. Mitte Februar nach Neapel zurückgekehrt, erreichte ihn die Nachricht von dem Ableben seines langjährigen Freundes, des Buchhändlers C. Reinwald, der in Mzza hochbetagt gestorben war. Der Eindruck dieser Nachricht war tiefer, als ich es bei Lorenz vermutet hätte. Minutenlang starrte er auf das Telegramm, das die Trauerbotschaft gebracht hatte; immer und immer wiederholte er mechanisch: »Oslo, ms äsrouts«. Es war ver gebliche Mühe, einen Mann wie Lorenz zu trösten; er blieb einige Tage unsichtbar und verarbeitete seinen Gram in sich selbst. Bald darauf befiel ihn ein ziemlich starkes Fieber, gefolgt von Influenza, so daß ich beinahe um ihn besorgt wurde. Ich besuchte ihn täglich im Hötel de Russie auf Santa Lucia, wo er ein düsteres Zimmer bewohnte und sehr unzufrieden war. Wir hatten ausgemacht, daß ich ihn, sollte es schlimmer werden, ins internationale Spital bringen würde; auch sprach er öfters von seinem Testament und schien mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Glücklicherweise besserte sich sein Zustand, so daß er bald wieder auf den Beinen war. Im April ging er nach Capri, wo es ihm sehr gut gefiel. Vorher ließ er sich in Neapel photographieren, das erste Mal in seinem Leben mit einem Vollbart, den er sich versuchsweise während des Winters hatte wachsen lassen und der ihm ganz gut stand. Das Bild ist eine Seltenheit, da Lorenz, dem es nicht gefiel, nur einige Abzüge Herstellen ließ und sich, nach Paris zurückgekehrt, wieder rasierte, »da es ihn um zehn Jahre verjünge, wie die Leute sagen, und er das gerade brauchen könne«. Ich besitze das Bild in zwei verschiedenen Aufnahmen, Halbprofil und en ks.es; es ist sprechend ähnlich, der Ausdruck jedoch etwas zu ernst. Anfang Mai 1891 machten wir zusammen einen Ausflug nach der Insel Jschia. Auf unseren Streifereien blieb Lorenz öfters vor kleinen Bauerhäusern oder Wirtschaften stehen und sagte: »Mir scheint, hier war es, wo ich bei meinem ersten Besuch anno 53 so gute Makkaroni gegessen habe. Er fand den richtigen Ort aber doch nicht; kein Wunder nach 38 Jahren. Im Hotel hatte ich uns als Onkel und Neffe eingetragen, wogegen er lebhaft protestierte, da er noch »viel
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