Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.07.1899
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- 1899-07-07
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- 07.07.1899
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155, 7. Juli 1899. Nichtamtlicher Teil. 4959 einen Abstecher in die Umgebung machen. Am Ausgang des Gartens hielt ein Tram. Lorenz sprang hinein, »an rsvoir« rufend und mit der Hand grüßend. — Da hatte ich ihn zum letzten Male im Leben gesehen. Zwei Tage später kam ein Brief aus Amalfi, in dem er über die furchtbare Einsamkeit klagt und die Absicht ausspricht, nach Sorrent zu gehen. Am 19. Januar schrieb er bereits aus Rom (Hüte! Minerva): -Da bin ich nun in Rom, habe aber immer noch etwas Spleen! In Amalfi erzählte man mir von Sorrent, daß es dort leer sei, und deshalb wollte ich erst nach Neapel zurückkommen; aber der Spleen (ich glaube fast, Heimweh) trieb mich nach Norden, und ich fuhr weiter nach Rom. Wenn ich es aushalte, möchte ich bis zum Karneval hier bleiben, aber ich garantiere nichts.- Am 25. kam eine Postkarte aus Rom (Hotel Marini): -Ich bin hier etwas freundlicher als in der Minerva; aber der Spleen will nicht fort. Am Ende steckt mir eine Krankheit im Leibe. Habe keinen rechten Appetit und schlafe schlecht-., Am 7. Februar wieder eine von ebenda: -Ich will nach Venedig. Ob ich von da aus noch nach Nizza gehe oder vielleicht zur Ab wechslung nach Pallanza und dann via Gotthard nach Hause, das weiß ich nicht, habe noch niemals so planlos herumgestreift.- Er blieb 14 Tage in Venedig, besuchte Triest und Abbazia und ging dann über Görz nach Mailand und Pallanza, von wo er mir am 12. März eine Postkarte sandte. Sein nächster Brief, Paris, 31. März 1894 datiert, enthält eine interessante Stelle: -Ich habe mich doch schließlich noch öfter geärgert, daß ich so über Hals und Kopf das liebe Neapel verlassen habe. Hätte ich ein paar Wochen Ausdauer gehabt, so wäre vielleicht alles noch gut geworden, denn es hat ja schöne Vorstellungen im San Carlo und im Mercadante gegeben, selbst Tamagno! -Also a rivscksroi in zwei Jahren, wenn Sic dann noch auf Piazza bei Martiri sind. Nächsten Winter gehe ich bestimmt nach Algerien, mit Retour über die Balearen und Spanien.- — Es sollte anders kommen. — Schon in Neapel hatte er mir von seinem Plan ge sprochen, einen Teil des Sommers zu einer Reise nach dem Nordkap zu verwenden, derselben, die nachher verhängnis voll für ihn werden sollte; Einwände halfen nichts; er blieb bei seinem Vorhaben. »Am 16. Juni reise ich nach dem Norden ab«, schrieb er mir am 5. Mai 1894 aus Paris. »Meine Kabine auf dem Dampfer, der am 25. von Bergen abgeht und den ich am 27. in Droutheim erwische, ist schon bestellt und bezahlt. Es ist also ganz ernsthaft, und am 1. Juli bin ich, wenn nicht der Himmel einstürzt, am Nord kap.« Am 5. Juli schrieb er eine Postkarte aus Trondlijen (Norwegen), mit der er mir flüchtig den stattgehabten Besuch des Nordkaps anzeigte. Ausführlichere Berichte kamen dagegen mit einem Briefe aus Paris, datiert 6. September 1894, aus dem ich einige Stellen citiere: »Lieber Freund, 8ans blu^us: gerade für heute hatte ich auf mein Lebeusprogramm gesetzt, Ihnen zu schreiben, hätte es also gethan, auch wenn ich nicht gestern Abend Ihre Karte bekommen hätte. Freut mich, daß es Ihnen gut geht; mir geht es schlecht! Denken Sie sich, daß es meinem rasigen Rheumatismus von vor 30 Jahren in Stockholm in den Sinn gekommen ist, mir wieder einmal ins Herz zu fahren, mich voll Fieber zu pfropfen, und Schlaflosigkeit und Herzbeklemmung, daß ich gar nicht mehr giebsen kann, wie man in Leipzig sagt. Zum Glück kam die Krankheit zum Ende der Reise, Stockholm konnte ich noch fertig sehen und mit Ach und Krach auch noch Kopenhagen; aber von da bin ich schleunigst nach Hause geeilt und huste und stöhne mir seit drei Wochen die Seele aus dem Leibe. Die Reise in Norwegen war wunderschön, aber sehr anstrengend, und da habe ich mich wohl etwas übernommen.- Hierauf folgt eine begeisterte Beschreibung des Gesehenen; trotz seiner Leiden hatte er seinen guten Humor beibehalten: »An der Mitternachtssonne ist eigentlich nichts, man muß auf die Uhr sehen, um sich zu wundern, denn sie sieht gerade so aus wie anderswo die abends um 8 Uhr Sonne. Aber so 14 Tage lang immer im Tageslicht, das macht einen ganz konfus, und ich be greife sehr gut die Geschichte von dem Hahn, den ein Reisender einmal mit nach dem Nordkap genommen und der anfangs fort während gekräht hat, und wie er gesehen hat, daß dies zu nichts führt, verrückt geworden ist . . . Wallfische habe ich nicht ge sehen: in Norwegen keine Wallfische, in Aegypten keine Krokodile, in Algier keine Löwen, in Gibraltar keine Affen, in Kanarien keine Kanarienvögel — habe kein Glück mit den Bestien ... An neue Reiseprojekte kann ich natürlich nicht denken, ehe ich nicht meine xlsurosis (so nennt es der Arzt) los bin, und vorläufig wankt und weicht sie nicht. So ungefähr steht mein Sinn nach Algerien, besonders nach Biskra. Hui vivra, vsri-a! Schreiben Sie mir gelegentlich einmal wieder, wenn Sie aus Wien zurück sind; ich schreibe Ihnen dann auch wieder, ob ich lebe oder nicht. Freundschaftlichst Ihr 0. U.- Der letzte Brief, den ich von Lorenz habe, ist aus Paris 20. November 1894 datiert. Er betrübte mich sehr und ebenso die Freunde in Neapel, denen ich Mitteilung davon machte und die ihm sehr zugethan waren. -Es geht mir nicht nur nicht besser, sondern eigentlich schlechter. Ich kann gar nicht mehr ausgehen, habe mir eine Magd, eine Wärmflasche und ein Nachtlicht zugelegt und keuche und huste zwischen zwanzig Medizinflaschen. Und dabei gar keine Aussicht auf eine baldige Besserung: von Monaten spricht der Doktor, und eine vollkommene Herstellung ist eigentlich ganz ausgeschlossen, ich werde asthmatisch bleiben! Schöne Aussichten für den Lebensabend! So werde ich diesen Winter nicht nach Algier gehen können, auch nicht nach Palermo; selbst um es noch bis nach Nizza zu bringen, müßte schier ein Wunder geschehen. Ich werde in Paris bleiben müssen zwischen den Wärm- und Medizinflaschen I . . . Beste Grüße an Sie und die ganze kiarrs. clsi Nartiri vom alten kranken 0. U.» Obwohl es ihm damals schon recht schlecht ging, blieb er heiter und fügte diesem Briefe noch eine »ganz neue« Anekdote bei. Mit den ihn besuchenden Personen sprach er fast nie über seinen Zustand, ein seltener Fall bei einem Kranken. Er fuhr den ganzen Winter fort an seinem Ka talog zu schneiden; nebenbei las er noch die Korrektur eines Werkes: »Us Ickvrs ä'or äss Louvsr-üns«. Das war die letzte Arbeit seines vielbeschäftigten Lebens. Das letzte Lebenszeichen, das ich von Lorenz empfing, war eine Postkarte vom 22. Februar 1895, fünf Wochen vor seinem Tode. »Es geht mir besser,« schreibt er, »aber noch lange nicht gut; bin seit mehreren Monaten nicht aus gegangen und nicht ausgefahren, sondern warte dafür auf wärmeres Wetter, kämpfe inzwischen immer noch mit dem Husten und den Herzbeklemmungen; werde jedenfalls asthma tisch bleiben.« Er sprach noch die Hoffnung aus, den Sommer in Wiesbaden oder in der Schweiz zuzubringen und den kommenden Winter im Süden. Am 26. März 1895 starb er, am 29. wurde er auf dem Udrs-Us-obaise begraben. — Meine »Erinnerungen« haben mich weit über den Rahmen hinausgeführt, den ich mir vor ihrer Abfassung gesteckt hatte, und ich komme zum Schluß. Lorenz war einer der Hervorragendsten unter denjenigen, die es verstanden haben, das deutsche Buchhändlertum mit seinem gediegenen Wissen und seiner Gründlichkeit im Auslande zu hohem An sehen zu bringen. Es genügte ihm nicht, seine zweite Heimat, Frankreich, dadurch zu ehren, daß er ihre Sprache in Wort und Schrift sich in seltener Vollkommenheit aneignete: er gab den Franzosen einen Katalog ihrer Litteratur, der fast, ein halbes Jahrhundert umfaßt und dessen elf Bände das beredteste Zeugnis ablegen von dem hohen Geiste und der unermüdlichen Arbeitskraft des Meisters, der ihn geschaffen hat. Außerdem bildete er eine Schar jüngerer buchhänd lerischer Kräfte heran und verstand es, ihnen seine Vorliebe für bibliographische Studien beizubringen. Einer darunter, M. Jordell, setzt den Katalog nach dem Muster des Meisters fort. . Auch ich verdanke Lorenz manch guten Wink bei der Kompilation meiner bibliographischen Arbeiten; er nahm immer einen lebhaften Anteil daran. Lorenz war frei von Eitelkeit. Jene falsche Bescheidenheit, die manchen Autor so schlecht kleidet, weil man doch bald die Absichtlichkeit merkt, war ihm ein Greuel; im Gegenteil, er war stolz auf sein Werk und empfand es als eine Ungerechtigkeit, daß ihn: eine Stelle in einem deutschen Konversations-Lexikon versagt ge- 659*
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