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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.10.1881
- Strukturtyp
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- Band
- 1881-10-05
- Erscheinungsdatum
- 05.10.1881
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- Deutsch
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sächlichsten Kräfte aus dem eigenen engeren Vaterlands erhielt, und wer will es leugnen, daß das heutige, eine allererste Stelle einnehmende Münchener Knnstgewerbe etwas anderes ist, als eine Erbschaft der Schwestcrstädte Nürnberg und Augsburg im Mittelalter, eine Erbschaft aus jener Zeit, wo diese Städte ihre kunstgewerblichen Erzeugnisse in Goldschmnck und Elfenbein iihcr die Meere aller Zonen sandten, jener Zeit, die durch Männer wie Veit Stoß, Adam Krafft, Peter Bischer, Albrecht Dürer, Wohlgemuth, Holbein, Cranach, Peter Candid, Sandrart, van der Werfs re. beglückt wurde! Dieses Erbe ist eine natürliche Errungenschaft von Geschlecht zu Geschlecht, von Blutstropfen zu Blutstropfen fortgeflanzt. Was der Großvater besaß und sich im Sohne und Enkel nicht oder nur verkümmert zeigte, brach im Urenkel wieder mit treibender Kraft gewaltig hervor. Diese treibende Kraft pflegt man sehr richtig mit dem Ausdruck „Genie" zu bezeichnen. Aber nicht Alles, was sich Künstler nennt, ist Künstler, deshalb muß man einen Unterschied machen zwischen Talent und Genie. Das Talent, oft nur ein Mittelding zwischen Wollen und Nichtkönncn, läßt sich erwecken, fördern, durch Studium groß ziehen; anders aber ist cs mit dem Genie, es läßt sich nicht wachrufen. Wenn das Genie nicht plötzlich hervor schießt aus seiner Knospenhülle, wie das üppige, junge Grün am Baum nach warmem Mairegcn, so ist cs eben kein Genie, sondern nur ein Talent, mehr oder minder geübt, mehr oder minder vernachlässigt, leider aber erhebt es sich oft nicht über einen gewissen Grad von Mittelmäßigkeit und Dilettantcnthum. Andrerseits haben wir aber auch viele Künstler, die das Prä dikat genial mit Recht verdienen; nur stehen sie zuweilen aus einer nicht zu hohen Lebens- und Bildungsstufe, und eine gewisse Phantasielosigkcit, ein Mangel an srischer, lebensfreudiger Ein bildungskraft, ein Mangel an poetischer Begabung, eine Be- dürfnißlosigkeit, sich durch Lcctüre zu bilden, um die Schöpsungs- krast auf zwei gesunde Beine zu stellen, hemmen den angeborenen Adlerflug, verstopfen die warmsprühendc Quelle jenes angebo renen Blutstropfens. Ich habe hier Jünglinge gekannt, welche bei allem Talent und den, ehrgeizigsten Streben selbst nach Jahren nicht über das Zeichnen eines akademischen Actes hinaus- gekommen sind; färben- und formcnblind bestanden sic in der Componirclasse nicht und bereicherten nun durch unzulängliche Zeichnungen die illnstrirtcn Zeitschriften des Buchhandels, ver darben die modernen Classikerausgabcn durch mangclhasle, frag würdige, stillose Illustrationen und trieben einen Hinrichtungs- Prozeß, den: allerdings der Dflograph dann auch noch den unfreiwilligen Gnadenstoß hinzufügte. Aber andere junge Männer schlugen dafür eine andere Klinge mit Spachtel und Palette. Mit kühnem Anlauf, die Schnürbrust einer beengenden und zwängenden Akademielanfbahn abstreiscnd, sah sich der berühmteste Professor eines Tages erschreckt um und gewahrte, daß der Schüler ihn in kurzer Frist um eine Kopfeslänge überragte. Ein solches Genie war unter andern der Sohn unserer Nachbarstadt Salzburg. In verschosse nem Sammetjaqnctte, mit großem Schlapphnt und Plaid nach Künsilerart, saß ich mit ihm damals in dem entlegenen Winkel eines Münchener Biergartcns, gemüthlich seine landsmännische Zwei- krenzcr-Virginia mit ihm rauchend; jetzt ist er lange ein berühmter Mann drunten in der Kaiserstadt, sein Name ist Hans Makart und kaiserliche Medicccrgütc hat ihm ein Atelier ohne Gleichen ge baut. Das ist ein „Genie", berechtigt auf das bloße „Talent" herabzuschcn, ein Meister in der Farbe, im Stil, in Form und Gedanken, bei «dem man sich gewöhnt hat, über manche Wag halsigkeit in der akademisch richtigen Zeichnung hinwegzusehen. Sein bestes Werk hinsichtlich Farbe und Stimmung ist Wohl unbestritten „Die Pest in Florenz", sein großartigstes aber in der Composition, in der Gesammtwirkung und Korrektheit der Zeichnungen ist „Der Einzug Carl V. in Antwerpen". Seine anderen Gemälde tragen alle zu sehr das ckolas kar vionta der Mache an sich, verkümmern aber durch die sinnliche Pracht und Farbengluth nicht im mindesten das, was ich mit dem Ausdruck „Genie" bezeichnet habe. Die Ateliergenossen seiner kurzen Münchener Akademie laufbahn sind ihm hinsichtlich der genialen Ader ebenbürtig, wenn auch auf einem andern eigenartigen Felde; ich meine Franz von Lenbach, Gabriel Max, Michael Muncaczy, Eduard Grützncr, David Real, Heinrich Sicmiradzky, Rudolf Scitz, Heinrich Lossow, Mathias Schmid und besonders den Tiroler Bauer Professor Franz Defregger, der seiner Zeit in Gebirgs- joppe und Wadenstrümpfen in die Atelicrthür Piloty's trat mit den Worten: Grüß' Gott, a Maler möcht' i werd'n! — Sic alle gehören jener gesättigten Schule an, von welcher die Nach welt einst sagen mag: es war die Zeit der überreifen Früchte, die vom überladenen Baum von selbst abficlen. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Weg genommen und ihre Gemälde werden vom In- und Auslande zu hohen Preisen erworben. Zweier anderen Genies will ich hier noch Erwähnung thun, die ohne alle akademische Laufbahn ganz aus sich selbst, aus eigener, genialer Ursprünglichkeit hcrvorgegangen, nämlich Fritz August Kaulbach und Hugo Kaufsmann. Die Gemälde aller hier ge nannten Künstler spielen eine Rolle auf dem Kunstmarkt; über das zum Theil sonderbare Schicksal einzelner Bilder werde ich später zu reden Gelegenheit haben. Aber nicht allein die Pilotyschule ist es, welche sich einen Weltnamen gemacht hat, ich nenne Professor Alexander Wagner mit seinen lebenswarmen Motiven aus Spanien, den Heimge gangenen Professor Ramberg, den Meister der Idylle, Professor Lindenschmit, den Beherrscher der Reformationszeit und vor Allen den sog. niederländischen Klcinmeister Professor Wilhelm Diez, der, obschon er unbegreiflicher Weise in Reber's Kunst geschichte keine Erwähnung gefunden, unstreitig einer der ersten Künstler Europas ist. Er hat eine Gefolgschaft von jungen streb samen Leuten herangcbildet, die zum Theil jetzt schon einen Platz in der Kunstgeschichte einnchmcn. Diez' Bilder gehören zu den höchst bezahlten, er vereinigt in sich den alten Wouverman und den lebenden Pariser Meissonnier, wahrlich eine künstlerische Errungeuschast ohne Gleichen! Kunstverständige, die nicht nach dem momentanen sensationellen Erfolg zu urtheilen pflegen, haben schon vor Jahren richtig prophezeit: der Diezschule gehöre die Zukunft. Die Wahrheit dieses Ausspruches sehen wir denn auch mehr und mehr in München in Erfüllung gehen: Künstler wie Loefftz, Räuber, Holnbcrg und Gotthard Kühl in Paris haben sich aus dieser schwierigen Schule unter Kämpfen und Mühen cmporgerungcn; denn die Diezschule, welche man mit dem Beisatz „Altnicdcrland in München" markiren darf, ist keine Spicljchule, sondern eine strenge Zuchtmeisterin voll Entsagung, Selbstverleugnung und Willenskraft, aus der ja auch der jugend liche Ernst Zimmcrmann hervorgcgangen mit einer Begabung, welche bald die höchste Stufe des Künstlerruhms erstiegen haben wird. Das Sprichwort: „die Kunst geht nach Brot" findet besonders bei begabten Künstlern, wie die genannten, keine Anwendung mehr. Wie cs eine Zeit gab, in welcher man aus die Cultur holländischer Tulpenzwiebeln Unsummen verwandte, wo ein paar Knollengewächse von reichen Mynhcrren mit schwerem Golde be zahlt und in die weite, weite Welt als Kostbarkeiten ersten Ranges exportirt wurden, so schien auch in den sechziger Jahren für
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