Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.08.1899
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- 1899-08-02
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- 02.08.1899
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177, 2. August 1899. Nichtamtlicher Teil. 5521 Schutz der Inedita, also herrenloser Manuskripte, Inschriften, Textrezensionen rc., ausgesprochen hat. Schon in dem Gesetz entwurf des Börsenvereins von 1857 war diese Forderung gestellt und damit begründet, »daß Arbeiten dieser Art unter Umständen mehr Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Thätig- keit voraussetzen, als die Bearbeitung vieler eigener Geistes werke, sowie daß sie für die Litteratur von größerer Wichtig keit sein können und sehr häufig sind«. Wenn man bedenkt, mit wie großen Kosten oft die Entdeckung von derartigen herrenlosen Schriftwerken verbunden ist, die etwa das Ergebnis von Ausgrabungen sind, so wird man es gerechtfertigt finden, daß dem Entdecker die Früchte seines Fleißes nicht vor enthalten bleiben. Jetzt, wo jeder Nachdrucker sich der Veröffentlichung sofort bemächtigen kann, ist der Original verleger natürlich nicht in der Lage, ein hohes Honorar zu zahlen oder große Kosten an die Veröffentlichung zu wagen. Es wird zwar hier die Einwendung erhoben, daß im Interesse der Wissenschaft die Wiedergabe eines solchen Textes freigegeben werden müsse, da es möglich sei, daß der erste Herausgeber eine schlechte Ausgabe seiner Entdeckung ver anstalte. Die Möglichkeit ist nicht zu leugnen, und insofern ist der Einwand begründet. Aber ist derselbe Grund nicht bei Uebersetzuugen zutreffend? Hier kann der Schutz zwei Menschenalter die Herausgabe eurer guten Uebersetzung ver hindern, und es ist klar, daß dem erster: Herausgeber eines herrenlosen Manuskriptes oder eines solchen Textes seine Ausgabe nur für eine kurze Zeit, etwa fünf bis zehn Jahre, geschützt werden sollte. In der That war auch ein solcher Schutz in dem Regierungsentwurf zu dem Gesetz von 1870 vorgesehen; aber der Reichstag hat die Bestimmung gestrichen »im Interesse der Wissenschaft«. Das ist freilich derselbe Grund, der auch für jeden Nachdruck geltend gemacht werden könnte und auch thatsächlich von manchem Nachdrucker ins Feld geführt wurde! Uebrigeus sind viele Juristen der Meinung, daß der Fall gar nicht in das Urheberrecht gehört, weil dabei von einer eigentlichen Urheberthätigkeit keine Rede seirr könne. Gleichwohl kennen solchen Schutz schon heute die Urheberrechte von Frankreich, England, Spanien, die Schweiz, Oesterreich, und in Bayern war er in dem ehe maligen Gesetz ebenfalls vorgesehen. Im Börsenblatt hat vr. Bähr 1893 (Nr. 65) einen bezüglichen Vorschlag gemacht, der auch von einem eigentlichen Urheberrecht absieht. Er gesteht statt dem Herausgeber dem Eigentümer das Recht zu, über den Druck der Handschrift zu verfügen, also dieselbe Sache auch nötigenfalls zwei-, dreimal »im Interesse der Wissenschaft« zu vergeben. Wenn also der Wunsch des Buch handels bei dieser Gelegenheit nicht befriedigt werden sollte — die Gelehrten machen ja nicht soviel von ihrem Interesse reden wie die Schriftsteller, und wer heutzutage nicht fordert, bekommt nichts! —, so steht ihm noch eine Wiederholung desselben bei dem Erlaß des Verlagsrechts offen. Genügt nun auch der Schutz in diesem Falle nicht den berechtigten Forderungen, so kommt der Entwurf in einem anderen dem Verlangen nach einem bisher verweigerten Schutz entgegen. Schriftwerke, Vorträge und Abbildungen, die nach dem Tode des Autors erschienen, sind bisher nur in dem Zeitraum geschützt gewesen, der zwischen dem Tode des Verfassers und 30 Jahre nach diesem Zeitpunkt lag. Ein posthumes Werk, das also 29 Jahre nach dem Tode zum ersten Male herauskam, konnte nur einen ein jährigen, noch später erscheinende Werke überhaupt keinen Schutz beanspruchen. Für diesen Fall nun bricht der Entwurf mit der Praxis, die Schutzfrist vorn Tode des Autors ab zu berechnen, indem er posthumen Werken einen Mindestschutz von zehn Jahren einräumt. Was ein Teil der Schriftsteller vergebens anstrebte, ist den Komponisten zugebilligl worden, nämlich die Ver- SrchSuMechzlgsler Jahrganz. längerung der Schutzfrist von 30 ans 50 Jahre. Die Erläuterungen begründen diese unterschiedliche Behandlung der litterarischen und musikalischen Urheber mit der Be hauptung, die Erfahrung zeige, daß auf dem Gebiete der Musik viel häufiger als auf dem der Litteratur Werke von hervorragendem Wert erst spät Anerkennung fänden. Dies sei namentlich bei größeren Werken der Fall, die im Vergleich mit litterarischen Arbeiten stets nur einen beschränkten Absatz erwarten könnten und oft auch diesen Absatz nur langsam fänden. Es giebt in der That Fälle, wo die Schutzfrist kurz bemessen erscheint. Die Witwe Robert Schumanns erlebte es, daß die Werke ihres Gemahls frei wurden; Smetanas »Verkaufte Braut« gelangte erst 12 Jahre nach dem Tode des Komponisten zu allgemeiner Beachtung; Beethovens neunte Symphonie wurde erst 30 Jahre nach seinem Tode einigermaßen bekannt. Indes können solchen vereinzelten Fällen auch eine Reihe von solchen litterarischen Autoren an die Seite gestellt werden. Schopenhauer ist fast während seines ganzen Lebens unbeachtet geblieben, und erst nach seinem Tode kamen seine Werke zur Geltung. Und sind nicht die Erben für des Autors letzte und posthume Werke in derselben Lage? Außerdem ist noch in Betracht zu ziehen, daß die Komponisten z. B. für Opern ganz andere Erträge während der Schutzfrist beziehen als die Schriftsteller und auch für Konzertstücke rc. in Zukunft zweifellos höhere Ein nahmen erzielen als diese. Als einleuchtend kann ich die ausnahmsweise Behandlung der Komponisten nicht halten und sie nur darauf zurückfiihren, daß der Wunsch der Musi- kalienverleger in dieser Beziehung viel mehr mit demjenigen der Komponisten übereinstimmt, als derjenige der Buchhändler mit dem Verlangen der Schriftsteller. Die vorgeschlagene Verlängerung der Schutzfrist soll übrigens insofern keine rück wirkende Kraft haben, als Werke, deren dreißigjährige Schutz frist beim Inkrafttreten des Gesetzes schon abgelaufen ist, auch nicht weiter geschützt werden (Z 62). War die dreißigjährige Schutzfrist dagegen noch nicht abgelaufen, so tritt natürlich statt ihrer die fünfzigjährige ein; doch hat der Verleger, falls ihm das Werk ohne Beschränkung in Verlag gegeben worden war, für die überschießenden 20 Jahre die Hälfte des Rein gewinns an den Autor abzuführen (Z 65). Es ist nun noch der Fall denkbar, daß ein Werk wohl die Schutzfrist nach dem Tode des Autors genießen würde — und dieser Fall würde bei der Verlängerung der Frist naturgemäß an Bedeutung gewinnen —, ohne daß aber ein Berechtigter zur Wahrnehmung des Autorrechtes vorhanden ist. In solchen Fällen wurde das Werk bisher auch schon vor Ablauf der Schutzfrist frei, denn der Z 17 des geltenden Gesetzes schließt ein Heimfallsrecht des Fiskus oder anderer, zu herrenlosen Verlassenschaften berechtigter Personen beim Urheber recht aus. Der Kommentator Allfeld erklärt diese Bestimmung aus der inneren Natur des Urheberrechts (München, Beck, S. 133), das nach den Motiven zu dem Gesetz von 1870 »eine Be schränkung der freien Ausnutzung schriftstellerischer Erzeugnisse zu grinsten des Autors und seiner Rechtsnachfolger enthält«. Da das Urheberrecht als ein absolutes Verbietungsrecht ledig lich den Autor und dessen Rechtsnachfolger in ihren persön lichen und vermögensrechtlichen Interessen schützen solle, so bestehe »kein Anlaß, nach Wegfall dieser Interessen die im öffentlichen Interesse gelegene freie Benutzung der Produkte geistigen Schaffens zu guusten des Fiskus rc. noch weiter zu hemmen«! Mit diesem Grundsatz bricht der Entwurf, indem er den Z 17 fallen läßt und so den Fiskus als denjenigen erscheinen läßt, dessen Magen herrenloses Gut vertragen kann. Meines Erachtens mit Recht; denn neben dem Autor hat auch noch sein Verleger ein Interesse an dem Urheberschutz, was Allseld außer acht läßt. Es ist denkbar, daß ein Werk erst dann einschlägt, wenn der Autor stirbt, uud der Verleger 734
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