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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.08.1899
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- 1899-08-08
- Erscheinungsdatum
- 08.08.1899
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- Deutsch
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182, 8. August 1899. Nichtamtlicher Teil. 5641 schulen im allgemeinen Hinweisen. Bei dem Thema »Kunst schule« steigt mir zunächst eine schon recht oft aus dem Munde unserer Handwerksmeister vernommene Klage in der Erinnerung auf, nämlich die: daß häufig nur ein geringer Teil der aus den Kunstschulen heroorgegangenen Schüler den jetzigen Anforderungen, die an die Leistungsfähigkeit nichtiger kunstgewerblicher Kräfte gestellt werden müssen, ganz entspricht. Die für alle in die Verhältnisse Eingeweihten nicht un berechtigte Klage der Meister im Kunstgewerbe, daß sie nur selten brauchbare Mitarbeiter, die an den Kunstschulen gebildet sind, erhalten, darf nahezu als eine offenkundige Thatsache bezeichnet werden. Angesichts dieses Uebelstandes drängt sich uns die Frage auf: woran liegt es, daß unsere Dekorationsmaler, Kunst tischler, Kunstschlosser, Bildschnitzer u. a. m. zu dem gemein samen Urteil gelangen, daß die an der Schule gebildeten jungen Leute meistens unerfahren, unpraktisch und somit un tauglich und als Gehilfen meist wertlos sind? — Trotzdem also die jungen Leute sich eine gewisse Kenntnis in ihrem Beruf angeeignet haben, fehlt es ihnen doch an der Fähig keit, das erlangte Wissen zweckmäßig zu verwerten, ihr Wissen in Können umzuwandeln, mithin sich praktisch zu bethätigen. Obgleich di'e Schulen mit allen notwendigen Erfordernissen des Unterrichts ausgestattet, die Lehrkräfte in den meisten Fällen vortrefflich zu nennen sind, bleibt das Resultat des Unterrichts häufig ein recht unzulängliches. Sollte man nun annehmen, daß es die betreffenden Lehrer an dem nötigen Eifer für ihre Sache fehlen lassen? —- Zu einem solchen Vorwurf liegt durchaus kein Grund vor; denn wer Gelegenheit gehabt hat, die Lehrerschaft der deutschen Kunstschulen kennen zu lernen, der wird die größte Hoch achtung empfunden haben vor den Männern, die mit selbst loser Hingabe ihres Amtes walten. Sollen wir dagegen den Grund für die Unzulänglichkeit des Erreichten in einer anderen Richtung suchen und vermuten, daß ein Mangel an Fleiß oder Begabung bei den Schülern hierfür verantwortlich zu machen sei? — Auch für eine derartige Annahme liegt keine Veranlassung vor, ja eine solche Voraussetzung schlösse zweifellos eine unverkennbare Ungerechtigkeit in sich. Denn auch unsere jetzige Jugend besitzt sicherlich strebsame, begabte und intelligente Kräfte. Der wahre und einzige Grund in dem fühlbar gewor denen Mangel künstlerischer Ausbildung und Erziehung liegt einzig und allein in dem Mißverhältnis der Wechselwir kung zwischen Schule und Leben — zwischen Erziehung und Praxis. Der Lehrgang, den der Schüler in der Schule durch zumachen hat, ist eben von demjenigen, den der Lehrling unter der Leitung seines Meisters oder Vorgesetzten empfängt, wesentlich verschieden. Denn während der an der Lehr anstalt thätige Schüler einzig und allein um seiner Studien zwecke willen arbeitet, seine Hebungen und Versuche nur um seiner selbst willen verrichtet und anstellt, ferner nicht darauf bedacht zu sein braucht, daß seine Arbeit eine entsprechende Verwendung findet, wird der bei einem Meister in der Lehre stehende junge Mann sehr bald vor eine gewisse Verant wortlichkeit gestellt; seine Hebungen und Verrichtungen bilden bald einen Anteil an der Thätigkeit seines Lehrherrn und müssen demnach von diesem als Vorarbeiten in Betracht ge zogen, beurteilt, gutgeheißen oder für wertlos erachtet werden. Bei der letzteren Erziehungsweise fällt daher ein nicht zu unterschätzendes, ja schwerwiegendes moralisches Moment in die Wagschale. Eben dieses bedeutsame Moment moralischer Einwirkung, das auch für die Ausbildung der Charaktereigenschaften eines, noch der Leitung bedürftigen jungen Manues von weit- Ekchsnudsechzlgster Jahrgcmi. tragenden Folgen ist, fehlt der Kunstschule fast gänzlich. Wohl mag der Schüler an den Arbeiten seiner Mitschüler einen Wertmesser für seine Leistungen finden, sein Ehrgeiz durch die eventuell in Aussicht gestellten Preise, Stipendien rc. geweckt und genährt werden, dies alles bleibt doch nur ein schwacher Notbehelf im Hinblick auf den Ansporn, den der andere empfängt durch die an ihn herantretende Verant wortlichkeit, die mit dem Bewußtsein erwächst, daß seine von ihm geleistete Arbeit eine praktische Verwendung findet. Um nun bei der eventuell ins Leben tretenden Akademie der graphischen Künste die Möglichkeit gleicher Uebelstände, wie der an anderen Kunstschulen aufgetauchten und hier gekennzeichneten, zu umgehen oder von vornherein aus zuschließen, wäre angesichts der großen Aufgabe, die diese Schule zu erfüllen hätte, eine völlig neue, von der bisher üblichen abweichende Organisation ins Auge zu fassen und der Versuch zu machen, ein inniges und vereintes Zusammen wirken zwischen Schule und Industrie herbeizuführen. Soll dies hier in Vorschlag gebrachte Ziel erreicht werden, so darf die in Aussicht genommene, mit allen für die Aus übung der graphischen Künste benötigten technischen Einrich tungen ausgerüstete Schule keineswegs nur eine Versuchs anstalt bleiben, sondern sie müßte ihren Schülern vor allem auch die Gelegenheit bieten, neben der theoretischen auch die praktische Ausbildung erlangen zu können. An dieser Schule sollte die Buchdruckerkunst nicht bloß geübt werden, vielmehr ihre Aufgabe gleichzeitig darin bestehen, Werke dieser Kunst von Anfang bis zu Ende fertig herzustellen. Denn dadurch, daß auf diese Weise der Schüler den von ihm gesetzten Satz im Druck wiederftndet — der Photo mechaniker seine illustrativen Beigaben nicht nur versuchs weise geliefert hat -— der Drucker ein vollständiges Werk kunstvoll auszuführen und weiten Kreisen zur Ansicht zu bringen vermag — der Buchbinder seinen schöngeschmückten Einband verwertet sieht — wird ein Antrieb an die Leistungsfähigkeit des Schülers geschaffen, der von den er sprießlichsten und segensreichsten Folgen begleitet sein kann. Man wird diesem Vorschlag von anderer Seite entgegen halten: 'daß die Schule nicht dazu da ist und nicht die Be rechtigung hat, Geschäfte abzuschließen. Das soll und darf sie nicht, besonders nicht nach der Richtung hin, daß sie zu einem Faktor gemacht werden könnte, um für Privatunternehmungen auf graphischen! Gebiete eine Konkurrenz zu bilden. Die entstehenden Einnahmen sind für Verwaltungszwecke, Neu anschaffungen u. dergl. wieder zu verbrauchen. Der Leiter der Anstalt hat die Verpflichtung, nur in Gemeinschaft mit einem zu erwählenden, aus ersten Fach männern zusammengesetzten Kuratorium die Regelung der auszuführenden Aufträge vvrzunehmen, sowie über Annahme und Verteilung der erforderlichen Arbeiten zu befinden und die Preise dafür zu vereinbaren. Auf diese Weise wird von vornherein vorgebeugt, daß die Schule auf eigene Hand Ge schäfte macht und eine Schädigung auf einzelne Unterneh mungen ausübt. Anderseits muß der Direktor der Schule mit der Macht vollkommenheit ausgestattet sein, um seine Schüler an eine geregelte Thätigkeit gewöhnen zu können, die die Grund bedingung für eine ersprießliche Thätigkeit aller hierbei be teiligten Kräfte ist. Die der Durchführung dieses Projektes sich entgegen stellenden Schwierigkeiten sollen keineswegs verkannt werden; zu den unüberwindbaren gehören sie jedoch ebenfalls nicht; noch dazu dann nicht, sobald das Interesse hierfür bei denen wachgerufen ist, die über das Wohl unserer Kunsthandwerker zu befinden haben, insbesondere in diesem Falle die Teil nahme der hierfür maßgebenden Körperschaften und Personen erweckt worden ist. Ernst Kiesling. 751
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