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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.08.1899
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- 1899-08-25
- Erscheinungsdatum
- 25.08.1899
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- Deutsch
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197, 25. August 1899. Nichtamtlicher Teil. 6061 Shakespeare im Britischen Museum. Von P Steiubach. »Wenn die Könige bau'n, haben die Kärrner zu thun.« Die Bedeutung dieser Worte kommt einem mit besonderer Eindringlichkeit zum Bewußtsein, wenn man die fünf großen Bände des Bücherverzeichnisses der Bibliothek des Britischen Museums, die den Namen Shakespeare umfassen, durchblättert. Welch bedeutender Geist muß das gewesen sein, der so un endlich viel Sterblichen Stoff zum Büchermachen gegeben hat! Und dabei sind sich viele noch nicht einmal darüber klar, ob es überhaupt einen Dichter Shakespeare gegeben habe, oder ob sich nicht hinter diesem Namen der eigentliche Verfasser der »soge nannten Shakespeareschen Werke«, der Philosoph Bacon versteckt! Schon die Zahl der Werke, die diese hochbedeutsame Frage amerikanischen Ursprungs erörtern, ist, wie der Katalog zeigt, Legion. Nicht minder wichtig erscheint Andern, die von Bacon nichts wissen wollen, die Frage, ob das Wort Shakespeare Schüttelspeer oder Dürrschenkel bedeute, ob der Dichter, was daraus hervorgehen würde, sächsischer oder keltischer Abkunft sei. Großer Scharfsinn ist auch aufgewandt worden, die richtige Schreibweise des Namens festzustellen, ob Shaxpere, Shakespere, Shakespeare u. a. m. Wir können aber wohl ohne Gewissensbisse trotz der Unzahl hochgelehrter Bücher, die entgegengesetzte Ansichten vertreten, annehmen, daß Shakespeare und nicht Bacon wirlich der Dichter des Hamlet und daß sein Genius echt germanischen Ursprungs ist. Einen bedeutenden Raum in dem Kataloge nehmen natürlich die Ausgaben der Werke des Dichters ein, die alle aufgezählt sind, von den ältesten, unbezahlbaren Folios und Quartos an bis zu den billigsten mit winzigem Drucke, die auf den Straßen für wenige Pfennige feilgeboten werden. Nicht minder groß ist die Auswahl aus einzelnen Werken, die unter den verschiedenartigsten, oft geschmacklosesten Namen geboten wird. Da giebt es Kränze, Guirlanden, Blumen und Perlen aus Shakespeare, Kalender und Ge burtstagsbücher, die ihren Stoff dem großen Dichter ent nehmen. Wer zählt die Uebersetzungen, die Essays, Kritiken, Opern, Parodieen, Travestieen u. dgl., die an die verschiedenen Werke anknüpfen! Was die Uebersetzungen betrifft, so stehen die Deutschen, die sogar die zweifelhaften Stücke, wie llbs tvo noble Uinswen, 8ir ckobn Oläoastle, köborlrebirs Uoerins u. a. über tragen haben, allen voran. Von den einzelnen Werken scheinen Hamlet und Macbeth die volkstümlichsten Dramen zu sein, wenn man aus der Zahl der Seiten, sowie aus den Spuren häufiger Benutzung im Katalog einen Schluß ziehen darf. Von den Uebersetzungen dieser Stücke möge nur eine isländische des Hamlet von Jochumson und eine portugiesische desselben Werkes von König Ludwig von Portugal (1877) herausgegriffen sein. Wer hätte, als ini Jahre 1603 die Quartausgabe unter dem Titel: llrs.gieg.il Uistoris ok Kawlst, llrinoe ok Uevins-rbs, b^ ^V. 8bs.lr68pss.r6, ss it bs.8 bssn divers Uwes setsä b/ Uis Uigbnesss 8srvants in tbs 6ittis ok Uonckon rc. erschien, gedacht, daß diese tragische Geschichte einst den Ruhm des Dichters über den Erdkreis verbreiten würde! Außerordentlich zahlreich sind die Untersuchungen, zu denen Hamlet Anlaß gegeben hat, und es ist geradezu erstaunlich, was da alles hinein- und herausgeklügelt worden ist. Die Idee des Stückes, der Charakter, der Wahnsinn, das Ge heimnis Hamlets: alles das ist hundertmal mit dem ver schiedensten, oft entgegengesetzten Erfolg behandelt worden. Daß sich unter diesen zahlreichen Abhandlungen auch manches Wertvolle befindet, ist wohl anzunehmen. Die Quellen, aus denen Shakespeare seine Stoffe schöpfte, sind natürlich genau erforscht worden. Die Chroniken des aabriwni. Holinshed und anderer, Uebersetzungen des Plutarch, sowie zahlreiche italienische Novellen hat man eingehend kommen tiert und mit Stücken Shakespeares verglichen. Zum besseren Verständnis hat man Bücher über die Vorgänger, Zeitgenossen und Nachfolger des Dichters geschrieben und über den Einfluß, den die einen auf die anderen ausgeübt haben. Es giebt genaue Schilderungen des altenglischen Lebens und der Bühnen einrichtungen der damaligen Zeit, die uns vieles verständlich machen sollen. Demselben Zwecke sollen auch Schriften dienen, die Religion, Moral, Wissen, Genius, Humor Shakespeares be handeln. Andere schrieben über die Frauengestalten Shakespeares, die Geistererscheinungen und die Gesetzeskunde bei Shakespeare, Shakespeare und die Bibel, Shakespeare und die Stenographie, die verschiedenen Wahnsinnsarten bei Shakespeare, über die Tier-, Pflanzen- und Sternenwelt Shakespeares. Selbst an einer ausführlichen Naturgeschichte der Insekten, die bei Shakespeare Vorkommen, fehlt es nicht. Ebenso ist es manchem wichtig erschienen, Fragen zu erörtern, wie: War Shakespeare Soldat? Shakespeare als Jurist, als Arzt, ja sogar als — Angler. Es giebt fast keinen bedeutenden Dichter, mit den: man Shakespeare nicht verglichen hätte — teils, um seine Vor züge ins rechte Licht zu setzen, teils, um ihn zu erklären; mit Dante, Marlowe, Bacon, Molidre, Voltaire, Goethe, Scott, Chateaubriand u. a. ist er eingehend verglichen worden. Man sollte sich nicht damit begnügen, ihn auszulegen und zu erklären, im Uebereifer wurde er sogar — verbessert! Seine Werke wurden umgemodelt, der neueren Zeit an gepaßt, Fehler wurden ausgemerzt. Auch die Sprache des Dichters ist Gegenstand genauer Untersuchungen geworden. Man hat die sächsischen und romanischen Worte in seinen Werken ausgezählt, Grammatiken und Wörterbücher zum besseren Verständnis verfaßt; selbst die einzelnen Wortarten, Substantiv, Adjektiv, Verbum u. s. f., sind in Einzelschriften mit Bezug auf Shakespeares Dichtungen geprüft worden. Ueber das Leben des Dichters wissen wir nur wenig; um so mehr Raum hat daher die Konjektur, die herrliche Blüten getrieben hat. Einige Büchertitel aus dem Katalog mögen davon einen Begriff geben. War Shakespeare Snapleigh? War A. ap Roberts, der Fleischersohn von Stratford am Avon, ein Bekannter Shakespeares, und lernte Shakespeare bei G. ap Roberts? Shakespeares Geburtsjahr und Geburtsort, seine Kindheit, die Schule, die er besucht haben soll, die Lumpen seiner Zeit, mit denen er verkehrte, das famose Wilderer abenteuer bei Sir Thomas Lucy, seine Verheiratung nnt einem acht Jahre älteren Mädchen, sein erstes Auftreten in London, wo er die niedrigsten Dienste verrichtet haben soll, sein steigendes Ansehen, sein Wappen, seine letzten Lebens jahre, sein Testament, das Haus, worin er wohnte, seine letzten Tage, sein Grab, seine Totenmaske, seine Büsten und Bilder, sein Standbild — alles das hat für zahlreiche Forscher reichen Stoff gegeben. Auch über die großartige, von Garrick veranstaltete Jubelfeier vom Jahre 1764, sowie über das Interview von Shakespeares Geist mit Garrick werden wir genau unterrichtet. Neu wird vielen auch die Thatsache sein, über die das Buch, betitelt: »Wie Shake speares Schädel gestohlen und wiedergefunden wurde», Auf klärung giebt. Doch genug der Auslese, die uns das reichhaltigste Bücherverzeichnis der Welt darbietet. Sie niag ein Bild davon geben, wie der Geist des großen Dichters nachfolgende Geschlechter angeregt hat, wie sich diese bemüht haben, in sein Verständnis einzudringen und ihn zu erklären, wie man aber auch, von dem Geiste der heutzutage beliebten »Wasch zettelforschung« geführt, vielfach zu weit gegangen ist und das Andenken des Dichters breitgetreten und seine Werke wie einen herrlichen Blütenstrauß zerpflückt hat. 807
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