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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.09.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-09-06
- Erscheinungsdatum
- 06.09.1899
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- Deutsch
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207, 6. September 1899. Nichtamtlicher Teil. 6343 sich auch die Menschen und ihre Anschauungen. Sowie man des Hellen, einfarbigen oder feiugemusterten Zimmerraumes überdrüssig wurde, um in einem gewissen altdeutschen Archais mus kleine, unregelmäßige Räume mit Täfelung, Teppich rc. anszustatten, oder für das düstere Heim selbst größerer Zimmer das Oclbild, metallene Waudreliefs rc. einzuführen begann — da war es um die »schwarzweiße Kunst» schon halb geschehen. Die farbenfreudige große Menge aber begrüßte den ihr von allen Seiten gerahmt zugetragenen Oeldruck als ein Wunder der Neuzeit! Ein großes Absatzfeld war für die Künste des Grabstichels und der Nadel verloren; was aber noch übrig geblieben, mußten sie mit der Albuminphotographie und der Heliogravüre größeren Maßslabes, zuletzt mit der hochvoll endeten, farbigen Photolithographie teilen. Diese flüchtige Schilderung in der Entwickelung der Bilderproduktion schicken wir voraus, um den Notschrei eines namhaften Vertreters der Kunstradierung, des Herrn Bern hard Mannfeld in Frankfurt a. M. (Frankfurter Zeitung 1899, Nr. 194, 196) verständlich erscheinen zu lassen. Er deutet auf die trübe Lage dieses Kunstzweiges hin, gleichviel ob er sich in Originalkompvsitionen oder Nachbildungen kundgiebt. Die Schuld hieran soll die zur Heliogravüre entwickelte Photographie tragen, weiterhin aber auch der den Künstler benachteiligende Kunstverleger. Wir teilen die Empfindungen des Referenten, wenn es sich, wie aus seinem ziemlich einseitigen Griff ins Kunstleben hervorgeht, um die Verwertung graphischer Arbeiten als »Einzelblätter« handelt, weil für die Nachbildung z. B. eines Gemäldes die Heliogravüre viel rascher zum Ziele führt und gegenüber der wechselnden Neigung des Publikums ihm nur auf diesem Wege einige Erträge abgewonnen werden können. Im übrigen aber wollen wir doch versuchen, viele seiner Anschauungen zu berichtigen. Herr Mannfeld ist der Reproduktion, insoweit sie der photographischen Technik entspringt, überhaupt abgütieigt, weil er alles Reproduzierenswerte gern der »freihändigen« Kunst- ittbeit erhalten sehen möchte. Er warnt das kunstliebende Publikum vor dem Wahne, als besitze es in der Heliogravüre oder sogenannten »Kupferätzung« eine Kunstleistung, ein »Kunstblatt«; er nimmt sich die Mühe, den ganzen Her stellungsprozeß derselben offen zu legen, um diesem »Homun kulus« den Wert eines Organismus abzusprechen, und klagt den Kunsthändler an, der dem Publikum ein solches Trug erzeugnis als »Kunstblatt« empfehle. Wir sehen diesem Bestreben mit einiger Verwunderung zu. Herr Mannfeld verkennt ganz und gar die Wünsche und Voraus setzungen des Publikums. Der größte Teil desselben erwartet in der erworbenen Heliogravüre gar nicht ein graphisches Kunstwerk, sondern die getreue, u u v er lö s ch li ch e Nach bildung eines ihm liebgewordenen Originales (Gemäldes, Handzeichnung, körperlichen Vollbilds, Reliefs); der Kunst gegenstand ist ihm die Hauptsache! Und wenn diese Wiedergabe des Urbildes nun durch das — wie Herr Mannfeld sagt, von Professoren mit hohen Gehältern, Amts wohnung rc. erfundene — isochrome Verfahren so treu und zart erfolgt ist, wie die menschliche Hand sie kaum aus zuführen vermag, — warum geht Herr Mannfeld darauf aus, dem Beglückten die angenehme Empfindung zu verleiden? Blos etwa deshalb, weil der Stecher, der Radierer, als Ver mittler einer entsprechenden Uebertragung, nicht dabei gewesen oder weil die Heliogravüre keine originale Kunstäußerung ist?? Die Photographie wie die Radierung — find beide: Abzüge auf Papierbogen, denen — dort das Oelbild — hier die radierte Platte — als Originale zu Grunde liegen. Auf beiden Seiten schätzen die Nichtbesitzer des Originales den Geist des Urhebers im Abbilde! Mag auch die Radierung der erste für den Kunstfreund sicht- und genießbare Ausdruck der »graphischen« Kunstäußerung sein, dem gegenüber die Heliogravüre nur einen zweiten Rang einnimmt: — streng genommen, entbehren doch beide den unleugbaren Vorzug des »Unikums«; auch kann ein unlauterer Wettbewerb darin nicht gefunden werden, daß dem Bilderfreunde die Heliogravüre alsVertreterin des Urbildes enrpfohlen wird und auch genügt!*) Wenn aber Herr Mannfeld zur Wiedergabe ihm wertvoll erscheinender Originale seine Kunstfertigkeit allein berufen glaubt, ist er denn auch so sicher, dgß jeder andere Radierer — die Abweichung seiner Ausdrucksmittel von denen des Originales dabei ganz un beanstandet — die Wirkung dieses Originales auch vollständig erreicht? Wird der Radierer nicht von seiner Auffassung, in dem ihm eigenen Formalismus, etwas Hinzuthun, was uns den Gesamteindruck stört, zum mindesten uns fremdartig berührt? Möge Herr Mannfeld an den 20 — 22 Stichen nach Rafaels »Madonna Sixtina« und der »della Sedia«, an Hunderten von Linienstichen namhafter Meister in Galerie- werkeu sich den Beweis holen, wie verschieden die klas sischen Originale in der Seele graphischer Künstler sich wiederspiegelten. Gewiß giebt es eine kleine Zahl selbständiger, von der Uebereinstimmung mit dem Originale sogar unabhängiger Stichwerte! Einzelne Stecher haben durch das Virtuose ihrer Kunst das Vorbild zu einem zweiten glanzvollen Dasein er hoben! Unwiederbringlich dahin sind aber wohl die Zeiten, wo der Grabstichel das bevorzugte Ausdrucksmittel zur Ver- sinnlichung klassischer Kunstwerke war, wo die Nobility Frank reichs und der Niederlande sich durch die Kunst eines H. Ede- linck, A. Masson, der Drevets rc. für ihre Freunde im Porträt verewigte. Demungeachtet werden Linienstecher ersten Ranges, solange cs deren noch giebt, ihre subtile Kunst immer wieder, und zwar vorteilhafter, an den höchsten Werken klassi scher Meister versuchen. Unser trefflicher Mandel, wohl der vornehmste Linienstecher aus Berlins jüngster Vergangenheit, hat sich gegen Freunde zuweilen darüber ausgesprochen, wie er jene Zeit für sich als halb verloren ansehe, die er in seiner Erstlingsperiode der modernen Kunst widmete. Daher kommt denn auch für letztere zumeist nur noch die gemischte Stichtechnik in Anwendung — und selbst diese ist, wie Kuust- verleger klagen, zu einein für die Umsatzdauer kalkulabeln Honorare kaum mehr zu erlangen. Wenn es sich um kunst- historische Studien handelt, so vermag — unter der Lupe der Gegenwart geprüft — der Glanz der Reproduktion den Mangel bildlicher Uebereinstimmung nicht mehr zu ersetzen, seit die isochrome Photographie diesen Mangel unerbittlich aufdeckte und in eigener Zuver lässigkeit die feinsten Schulunterschiede wahrzuuehmen uns »erstattete. Dies Zeugnis haben ihr sowohl amtliche Bilder kenner wie solche Künstler nicht vorenthalten, die, wie Lenbach, im Kopieren der Klassiker ein halbes Leben hindurch ihr kunsthistorisches Auge übten. Heliographische Reproduk tionen der Galeriewerke Deutschlands, Englands, Frankreichs, Spaniens, Rußlands, von deutschen Firmen hergestellt, durchwandern alle Weltteile. Im Gegensatz hierzu sehen wir, wie das ganz respektable Mittelgut von Linienstichen auf dem Lager der Kunsthändler brach liegt, oder sich nur zu Preisen verwertet, die nicht die früheren Anschaffungskosten decken; wir sehen, wie Abdrücke zweiten, dritten Ranges, wenn es um eine Wanddekoration sich handelt, hinter der heliographischen Reproduktion eines Glanzdruckes oft zurück- *) Die Preise der heliographischen Abdrücke können, je nach Reihenfolge, Güte und Feinheit sehr voneinander abwcichen, ganz wie cs bei Kupferstichen der Fall ist. Wenn man früher von alten Kupferplatten zu Journalprämien Tausende abdruckte, so tritt heute die Heliogravüre an deren Stelle. 844*
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