Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.09.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-09-16
- Erscheinungsdatum
- 16.09.1899
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18990916
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189909164
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18990916
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1899
- Monat1899-09
- Tag1899-09-16
- Monat1899-09
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
6622 Nichtamtlicher Teil. «U 216, 16. September 1899. Nichtamtlicher Teil Ein Tag unter dem neuen Urheberrecht. Ein Zukunftsbild. Von Robert Voigtländer. Vergnügt saß in seinem Schreibzimmer hinter dem Ladenranme Peter Jeremias Habedank, Buchhändler, Buch- und Steindrnckereibesitzer zu Schönburg, auch Besitzer der Schönburgischen Zeitung. Vor ihm lag ein ansehnlicher Posten Briefschaften, und befriedigt prüfte er Bücherbestel lungen, Inserat- und Drnckaufträge, Zeitungsberichte und dergleichen Gutes mehr. Sehen Sic mal, Herr Müller, sagte er zu seinem Zeitungs redakteur, das neue Urheberrecht scheint doch sehr schneidig gemacht zu sein. Wie hat da früher der Herr Kollega vom Gebirgsboten aller Welt nachgedruckt: die Leitartikel aus dem Berliner Tageblatt und aus der Kölnischen, die kleinen Feuilletons, woher er sie kriegen konnte, die Rätsel aus Fels zum Meer. Und jetzt! Blank geputzt ist der Kerl; nichts hat er mehr in dem Blättchen, als seine eigene Dummheit. Mehr kann er bei seinen paar hundert Abonnenten auch nicht aufwenden. Wie stehen wir dagegen da, mit unfern Leitartikeln vom Ur. Z. in Berlin, mit unserm Korrespondenz bureau für alles in Frankfurt und mit unfern alten, an gestammten Berichterstattern in der ganzen Umgegend! Nur schade, daß wir nicht mehr in den Sonntagsnummern die Witze aus den Fliegenden Blättern abdrucken können; es waren immer die besten. Ja, das neue Gesetz hat unter der Winkelpresse gehörig ausgefegt; 's war aber auch Zeit. Muß es mir aber doch nachgerade etwas genauer ansehen, das Gesetz, denn, offen gestanden, so recht durchstudiert Hab ich's noch nicht. Was kann's auch allzuviel Neues bringen! Aber ist denn der Mensch verrückt? fuhr Herr Habedank plötzlich auf. Hören Sie nur, Herr Müller, was da der Lehrer in Holzhausen schreibt: »Geehrte Redaktion! In der gewiß begründeten An nahme, daß es Ihren Lesern angenehm sein muß, von Zeit zu Zeit etwas über unfern aufblühenden, seit sieben Monaten unter meiner Leitung stehenden Männergesang verein zu erfahren, habe ich Ihnen vorige Woche einen Bericht über dessen letztes, wohlgelnngenes Konzert gesandt. Zu meinem nicht geringen Befremden haben Sie die fünf Folio-Schreibseiten auf 23 Druckzeilen verkürzt. — Ich verlange ja kein Honorar von Ihnen und weiß mich daher von jedem nicht in der Sache selbst begründeten Interesse frei. Ich empfinde aber die mir widerfahrene Behandlung als eine Kränkung meiner Schriftstellerehre, die freilich bisher den Zeitungsredaktionen straflos gestattet war. Das neue Gesetz über Urheberrecht untersagt aber endlich solche Eingriffe in das persönliche Recht der Urheber geistiger Arbeiten. Für diesmal sehe ich noch von einem Straf antrage ab, muß aber, falls Sie auf meine Mitarbeit fernerhin Wert legen, mir ausbitten, daß meine Berichte wortgetreu, ohne alle Aenderungen und Weglassungen, in Ihrer Zeitung zum Abdruck gelangen. — In vorzüglicher Hochachtung H. Stockmann, Lehrer, Organist und Leiter des Männergesangvereins zu Holzhausen.« — Was sagen Sie dazu, Herr Müller? Ich fürchte, der Mann hat recht. Nach dem neuen Gesetze wird mit Geldstrafe bis zu tausend Mark, im Un vermögensfalle mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wer an einem erworbenen Schriftwerke ohne Einwilligung des Urhebers irgend etwas ändert. Bei Büchern, aber doch nicht bei Zeitungsartikeln! Doch, Herr Habedank, da steht's: § 10 und Z 45*). Lesen Sie auch die Begründung auf Seite 32: »Wer einen von ihm verfaßten Beitrag einer Zeitung oder einem sonstigen Sammelwerke zum Abdruck überläßt, giebt damit noch nicht zu erkennen, daß er sich in Ansehung seiner Rechte aus dem Beitrag irgend welchen Beschränkungen unterwerfen wolle.« Aber wir können doch nicht all das Zeug wörtlich ab drucken, was die Leute uns schicken! Wir müssen uns von jedem Mitarbeiter einen Schein ausbitten, daß er mit unseren Aenderungen ein für allemal einverstanden sei. Meinen Sie denn, die da draußen auf den Dörfern unterschrieben so etwas? Und wenn jemand unaufgefordert für die Eselswicse etwas einschickt? Auch da herrscht Schutz der geistigen Arbeit. Wir können uns aber künftig an der Spitze jeder Nummer das Aendernngs- recht Vorbehalten. Eine Wichtigthuerei, die die Leute abschrecken wird, knurrte Peter Jeremias Habedank. Da klopfte es, und herein traten zwei Schutzleute, der eine mit einem großen Blechkasten bewaffnet. Entschuldigen Sie tausendmal, Herr Habedank, wir kommen zum Abstempeln. Was, abstempeln? Hier: der Herr Bürgermeister hat's vom Reichskanzler. Wir sollen in den hiesigen Buchhandlungen alle Bücher und Musikalien abstempeln, die nach dem alten Gesetz erlaubt waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Besonders ans Antho- logieen und Kommersbücher sollen wir achten, hat der Herr Bürgermeister gesagt, auch auf Märchensammlungen. Wollen sehen. Da sind z. B.: Smaragden aus dem Schmucke deutscher Lyrik; Der Leuchtturm am Meere des Lebens; Im Wechsel der Nächte; Blüten der Liebe. Das wollen Sie abstempeln? Ei ja, Herr Habedank, das sind gerade die Bücher, in denen die schönen Gedichte stehen, die jetzt als Nachdruck gelten nach Z 18 des neuen Gesetzes. Nach Z 64, Absatz 3 können Sie die Bücher aber weiter verkaufen, wenn Sie sie abstempeln lassen. Wo kommt der Stempel hin? Auf das Titelblatt natürlich. — Bitte, zeigen Sie mal Ihren Stempel her! — Was, mit dem Wagenrad wollen Sie meine Prachtwerke abstempeln? Nichts für ungut, meine Herren, aber für heute gehen Sie, bitte, zum Herrn Kollegen mit Ihrem Stempel. Ich werde mir das Gesetz erst auschen, und wenn wirklich gestempelt werden muß, dann, dann nehme ich meine Anthologie«! lieber ungestempelt in meine Privatwohnung und beschenke damit zehn Jahre lang die Verwandtschaft und Freundschaft. Ein Prachtwerk mit Ihrem freundlichen Stempel da kauft mir doch kein Mensch mehr ab. Die beiden Herren können dann auch ein gestempeltes Kommersbuch geschenkt erhalten. Na, weil Sie es sind, Herr Habedank, wollen wir morgen wiederkommen. Was wir dann aber finden, wird gestempelt. Die Schutzleute und der Blechkasten verschwanden. Eine schöne Bescherung, jammerte Habedank. Herr Ganghuber, rief er aber, schnell gefaßt, seinem Gehilfen zu, sofort remittieren Sie das ganze Lager von Anthologie«! und Kommersbüchern und ähnlichein Zeug an das Bar sortiment und an die Verleger. Fest oder bar bezogen, *) Die Hinweise beziehen sich auf den »Entwurf eines Gesetzes betr. das Urheberrecht an Werken der Litteratur und der Tonkunst«. Berlin 1899. Abgedruckt im Börsenblatt 1899, Nr. 162 u. 163.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder