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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.09.1899
- Strukturtyp
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- Band
- 1899-09-19
- Erscheinungsdatum
- 19.09.1899
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- Deutsch
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218, 19. September 1899. Nichtamtlicher Teil. 6693 Erzeugnis der Bücherfabrik verschlossen sein. Die Verleger des Grossobuches scheuen sich nicht, ihre Ware zu unglaublichen und doch so leicht begreiflichen -Vorzugspreisen- selbst den Schüler- bibliothcken anzubieten. Das obengenannte Buch -Folgen der Leidenschaft-, das auf dem Titel zu 5 ausgezeichnet ist, wurde einer Schülerbibliothek zu 1 50 angeboten und — verkauft. Der Kampf gegen das Grossobuch sollte eine Ehrensache der gesamten Lehrerschaft sein. Freilich darüber müssen wir uns klar werden, daß die ganze Erscheinung nicht etwa die Erfindung eines spekulativen Kopfes darstellt, sondern daß sie tief mit allge meineren Verhältnissen verwachsen ist. Zunächst trägt die Schule selbst einen großen Teil der Schuld. Sie erteilt, was bei ent wickelteren Schulvcrhältnissen durch nichts zu rechtfertigen ist. einen um Jahre verfrühten Leseunterricht; sie giebt dem Kinde eine Fertigkeit, wo die Ausübung weder notwendig noch ersprießlich ist; sie weckt ein Bedürfnis, das auf vernünftige und sachgemäße Weise nicht befriedigt werden kann. So bereitet die Schule den Boden für eine unermeßliche kindische Kinderlitteratur. Einen Teil der Schuld trägtauch der Buchhandel. Vornehm wartet er, bis ihm die Kunden kommen. Auf das Land reicht sein Einfluß gar nicht. Die hohen Preise verschließen den breiten Massen die Buchläden überhaupt. In diese Lücken springt das ewissenlos spekulierende Kapital. Es produziert eine Ware, die as Bedürfnis der Jugend befriedigt, der oberflächlichen Moral- fexerei der Eltern genugthut, den Geldbeutel schont und doch was herweist und — vor allem — sich dem Publikum auf Weg und Steg anbietet. Wann sind wir so weit, baß wir die Erlernung der bis zum 10. Lebensjahre höchst überflüssigen, ja meist verderblichen Lese fertigkeit auch nur um ein Jahr hinaufschieben? Wann wird der Buchhandel, der bisher den ehrlichsten Bestrebungen, ein litterarisch empfindendes und Bücher kaufendes Publikum zu erziehen, ver ständnislos oder gar feindlich gegenübergestanden hat, den ver änderten Verhältnissen sich anpassen und mit modernen Mitteln moderne Bedürfnisse zu befriedigen suchen? Werden die Anläufe, Verlag und Vertrieb guter Jugendlektüre dem Buchhandel über dem Kopf wegzunehmen, Erfolg haben? Der Kampf gegen das Grossobuch kann sich zunächst nur darauf richten, einzelne Teile des Volkes vor der verderblichen Flut zu schützen. Jene großen Massen, die gedankenlos dahinleben und nur ihrem materiellen Vorteil nachstreben, müssen vorderhand mehr oder minder als dem Feinde verfallenes Gebiet gelten, dessen Wiedergewinnung nur durch einen Umschwung in den besamten öffentlichen Verhältnissen und eine grundlegende Sinnesänderung unseres Volkes zu erwarten steht. Daß zu diesen Massen auch weite Kreise der sogenannten Gebildeten rechnen, steht fest. -Unser Publikum, das Volk, darunter viele gebildete, wohlhabende und angesehene Leute-—so läßt unser buchhändlerischer Gewährsmann in Nr. 4 Jahrgang 1897 die Grossohändler berichten — »legen auf den Inhalt fast gar nicht Wert-. In einem vielbesuchten Nordseebade, wo dieser Artikel geschrieben wird, kann man täglich am Strande die Kinder der Badegäste ihre Lesewut an Grosso- büchern befriedigen sehen. Die Lektüre ist wahrscheinlich mit Strandschuhen und Bademützen zugleich im Warenhaus eingekauft worden. Der Kampf gegen das Grossobuch muß sich, soweit er inner halb der oben angedeuteten Grenzen irgend Aussicht auf Erfolg bietet, je nach den Umständen örtlich verschieden gestalten. An drei Stellen kann die Arbeit ansetzen, bei den Händlern, den Eltern und den Kindern. Auf den Dörfern und in kleinen Städten, wo noch nicht die Konkurrenz die Gewinngier zum alles bestimmenden Faktor im Geschästsleben gemacht hat,*) ist der Lehrer, bezw. der Lehrer verein gewiß nicht selten in der Lage, die von den Reisenden der Grossogeschästc bedrohten Händler (Buchbinder, Galanterie- und Kurzwarenhandler) aufzuklären. In vielen Fällen wird das genügen. Bei anderen wird es nötig sein, auf die aus der ge schäftlichen Verbindung mit der Schule herfließende moralische Verpflichtung, zum mindesten nicht der Schule entgegenzuwirkcn, hinzuweisen. In allen Fällen aber dürfte es sich empfehlen, solchen Geschäften, die dem Grossogcschäft abspenstig gemacht sind, bei der Zusammenstellung und Erwerbung einer kleinen Auswahl guter und billiger Jugendschriften besonders für den Weihnachts bedarf behilflich zu sein. Die Verleger geben zu dem üblichen Rabatt nur an Buchhändler ab. Es müßte, um die genannten Geschäfte mit guten Büchern zu versehen, die Vermittelung eines Sortimenters in Anspruch genommen werden. Das wird in Orten, wo *) In Hamburg glaubte ein Schreibwarenhändler, der in seinem Schaufenster Jndianergcschichten auslegte, unter Hinweis auf die Konkurrenz nicht auf den Artikel verzichten zu können, obwohl er aus voller Ueberzcugung und unaufgefordert seine Meipung über seine litterarische Ware dahin abgab: -Es ist ja das reine Gift». sich kein Buchhändler befindet, ohne allzu große Schwierigkeit zu machen sein, da der Buchhändler etwa der nächsten Stadt, der gegen einen gewissen Aufschlag dem Detaillisten die Bücher besorgt, nicht zu fürchten braucht, daß er sich selbst Konkurrenz macht. In Städten, wo Buchhändler vorhanden sind, kann bei Kindern und Eltern nicht dringend genug darauf hingewirkt werden, Bücher nur im wirklichen Buchladen zu kaufen. Da solche Hinweise nur bei einem kleinen Bruchteil fruchten, und viele Eltern lieber in den gewohnten Geschäften für den täglichen Bedarf als im vor nehmen Buchladen ihre Bücher einkaufen, wird es nötig sein, auch hier in der genannten Weise die vom Grossogcschäft bevorzugten Läden mit guten Büchern zu versehen. In größeren Städten, wo eine beträchtliche Zahl von kleinen Händlern von einer Central stelle aus versorgt werden kann, wird sich leicht ein Sortimenter für die Vermittelung finden. In Hamburg machte der Prüfungs ausschuß zum letzten Weihnachten einen dahingehenden Versuch, und es ist der Beweis erbracht worden, daß sich eine solche Ein richtung lohnt. In einzelnen Papierläden ist z. B. der -Pole Poppenspäler- in über 200 Exemplaren verkauft worden. Hier ist ein wichtiges Ackerfeld für lokale Jugendschriften-Ausschüsse. Die Eltern sollen die Jugendschrift bezahlen; darum wird jede Aufklärung über die schwindelhafte Ausstattung des Grosso buches und die verhältnismäßig hohen Preise, die für eine schlechte Ware verlangt werden, von Wirkung sein. Wo zwischen der Schule und dem Hause ein geistiger Zusammenhang besteht, läßt sich eine solche Aufklärung unschwer vermitteln; Elternabende und ähnliche Einrichtungen bieten dazu Gelegenheit. Nur sorge man dafür, daß das Publikum durch die Anschauung belehrt werde, je drastischer, desto besser. Man lasse etwa hinsichtlich der Dicke des Buches und der Seitenzahl, ebenso hinsichtlich des Textes, den eine Seite faßt, ein Grossobuch mit einer billigen Klassikerausgabe, z. B. von Reclam, vergleichen. Man gebe aus dem Inhalt Proben schwülstigen Stils, zeige das Unwahre der Charaktere auf und führe krasse Widersprüche, an denen in den Grossobüchern in der Regel kein Mangel ist, vor. Die Tagespresse kann diese Be strebungen wirksam unterstützen. Zur Bearbeitung des Eltern publikums find die letzten Monate vor Weihnachten die geeignetste Zeit. Und wenn mit alledem nichts erreicht wird, als die Eltern mißtrauisch zu machen, daß sie fortan die Bücher für ihre Kinder mit nur halb so kritischen Blicken mustern, wie die Beinkleider, die sie für ihre Jungen kaufen, so ist das schon ein Gewinn. Bei den Kindern wird der Kampf gegen das Grossobuch im wesentlichen in positiver Arbeit für ihre litterarische Genußfähigkeit bestehen. Doch darf die negative Seite nicht fehlen. In der Ober klasse wird man die gleiche Aufklärungsarbeit, die soeben für die Eltern skizziert ist, auch für die Kinder wagen dürfen. Wie weit man die Grossobücher, die den Kindern durch die gut gemeinte Wahl ihrer Eltern und Verwandten zugewendet worden sind und die sie dem Lehrer mitbringen, offen als Schund bezeichnen will, hängt von dem Verhältnis ab, in dem der Lehrer zu seiner Klasse und den Eltern steht. Das wichtigste Kampfesmittel gegen das Grossobuch bleibt die Herstellung und der Vertrieb von Massenauflagen guter Bücher zu ganz billigen Preisen. Wir erinnern daran, daß sowohl in Wien wie in Hamburg umfangreiche Unternehmungen in diesem Sinne in Aussicht stehen. Der oberösterreichische Lehrerverein hat gleich falls einen Vorstoß in gleichem Sinne gemacht. Durch den großen Erfolg der billigen Ausgabe des -Pole Poppenspäler- dürfte der Buchhandel die Anregung zu ähnlichen Unternehmungen gewonnen haben. Vielleicht dürfen wir hoffen, daß zu Weihnachten abermals eine klassische Jugendschrist in Tausenden von Exemplaren ins Volk geworfen wird. Die ersten Schritte dazu sind gethan. Entgegnung. Von der verehrlichen Redaktion des Börsenblattes aufgefordert, mich zu dem Artikel -Der Kampf um die Jugendschrift- zu äußern, gebe ich unumwunden zu, daß die erwähnten Jugendschriften einen Inhalt unter verschiedenen Titeln und Ausstattungen bergen. Die Gründe hierfür anzugeben, fühle ich mich nicht veranlaßt, sondern möchte nur darauf Hinweisen, daß hiermit etwa kein Novum geschaffen ist; es dürften den Herren Sortimentern genugsam Bücher bekannt sein, die mit verschiedenen Titeln, jedoch gemein samen Inhalts, in die Welt hinausgegangen sind. Zu irgendwelcher Aufregung liegt also kein Grund vor. Und nun noch ein Wort über die Auslassungen der -Jugend- schriften-Warte-, Der ganze Groll des betreffenden Herrn Verfassers macht sich Luft in der Bezeichnung -Grossobücher». Nun, diese Bezeichnung wird noch dereinst eine Ehrenbezeichnung werden. Im übrigen scheut sich der Herr Verfasser nicht, die Herren Schriftsteller, die für Verleger großen Stiles schreiben, in Bausch und Bogen als unfähig für die Jugendschriftstellerci hinzustellen, und doch haben gar viele unter ihnen den Befähibungsnachweis längst erbracht; ich möchte von Verfassern meines Verlages 891
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