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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.09.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-09-28
- Erscheinungsdatum
- 28.09.1899
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- Deutsch
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^8 226, 28. September 1899. Nichtamtlicher Teil. 6997 uns ihrer wie unsere Vorfahren bedienen, trifft uns ebenso wenig der Vorwurf der Ausländerei, als wenn wir etwa von Rokokomöbeln zur Renaissance-Einrichtung übergehen. Die Altschrift ist aber auch an sich besser als die aus Schreibkünstlerlaunen entstandene Eckenschrift, weil sie mit der Form der kleinen Druckbuchstaben besser übereinstimmt, deren naturgemäße Umformung für die Zwecke des Schreibens sie darstellt, mögen wir nun die lateinische oder die davon abgeleitete gotische oder Schwabacher oder Bruchschrift zu Grunde legen. (Siehe namentlich die Buchstaben ä, s, b, m, x, r, s, v.) Die Bedeutung dieser Uebereinstimmung liegt nicht nur in der erleichterten Erlernbarkeit der Schreib buchstaben, sondern auch in der frühzeitigen Gewöhnung des kindlichen Gemütes an organische Entwickelung statt an launenhafte Willkür. — Ich wiederhole: Giebt es einen »deutschen« Charakter, so wird sich dieser auch in einer »deutschen« Handschrift darstellen, sobald nur eine Schrift, und zwar die sogenannte lateinische im Gebrauch ist. Aber ich verlange noch mehr von einer deutschen Schrift. Die Schrift hat keinen Wert für sich, sondern nur als Mittel, die Sprache darzustellen; und wir können in unserem papiernen Zeitalter nicht oft genug wiederholen, daß die Sprache gesprochen und nicht geschrieben wird! Die Schrift ist nur das Kleid, das sich dem edlen Körper der Sprache anzuschmiegen hat und ihn nicht verunstalten soll. Wir aber haben die Schrift überkommen von den Römern und Zeichen gedankenlos mit ausgenommen, die für unsere Sprache ohne Bedeutung sind (o, g, v, x, ^), die also nicht in ein deutsches ABC gehören; dagegen fehlen uns Zeichen für echt deutsche Laute, die wir unbehilflich durch zwei oder drei Zeichen von ganz anderem Lautwert darstellen (ob, ug, 8ob). Das Kleid ist also an der einen Stelle zu weit, an der anderen zu eng, und allerlei unnütze Flicken von »Dehnungs buchstaben« sind auch noch daraufgesetzt! Erst eine laut treue Schreibung ist deutsch, weil sie die deutsche Sprache wirklich darstellt; sie ist um so mehr deutsch, als auch unsere Vorfahren lauttreu schrieben, so gut sie es verstanden. Es ist nicht meine Meinung, daß eine solche laut treue Schreibung auf einmal eingeführt werden soll; aber es ist gut, wenn von berufenen Vertretern der Sprachkunde und Lautwissenschaft (Phonetik) das Ideal einer deutschen Schreibung aufgestellt wird, das den natürlichen Fluß der Entwickelung vor Abwegen bewahrt. Die Fortbildung selber ist nicht Sache der Wissenschaft, aber auch nicht der Ver waltung, sie ist Sache des Volkes in seinen führenden Schriftstellern. Für diese Frage des praktischen Deutschtums sei mir deshalb erlaubt, schließlich noch als Gewährsmann keinen anderen als unseren Gottfried August Bürger anzu führen, dessen Deutschgestnnung über allem Zweifel steht. Bürger schreibt in der Vorrede zu seinen Gedichten folgendes: »Ich nehme Klopstocks Satz, der auch der Satz der gesunden Vernunft ist, an: Man schreibt nicht für das Auge, sondern für das Ohr, und muß daher nicht mehr schreiben, als man aussprechen hört.« Er empfiehlt aber mit Klopstock Vorsicht: »Man muß nicht alles auf einmal thun wollen, wenn es glücklich von statten gehen soll. Die Miß bräuche eines Tyrannen, wie der Sprachgebrauch (soll heißen »Schrift«gebrauch) ist, lassen sich nur nach und nach unter graben und auswurzeln. Sobald aber die gesunde Vernunft sie wirklich für Mißbräuche erkennt, so muß man es nicht immer gleichgiltig oder zaghaft bei dem alten bestehen lassen, sondern anfangen, sortfahren und enden. Klopstock hat an gefangen; manche wackeren Leute sind schon fortgefahren; ich habe das nämliche gethan und wünsche gedeihliche Nachfolge. Ich habe schon mehr ungehörte Buchstaben als Klopstock und das undeutsche y mehrenteils verbannt.« Bürger begründet seine »vereinfachte Rechtschreibung« im einzelnen und sagt unter anderem: »Kommt mir nicht mit der Undeutlichkeit aufgezogen! Das ist die albernste Ziererei, die ich kenne. Ein Deutscher versteht seine Sprache oder sollte sie doch verstehen. Alle Sprachen haben das an sich, daß man oft den Sinn nicht aus einzelnen Wörtern, sondern dem ganzen Zusammenhang aufgreifen muß. Schreibt man ferner einem solchen Pfahlbürger Rat für Rath, so ist es lustig, seine Maulgrimassen zu sehen, wenn er behauptet, daß man das Wort ohne h nicht anders als Ratt aussprechen könne. Dennoch schreibt der Geck selber, er trat, er bat, ohne h, und spricht nicht, er tratt, er batt aus. Schreibe ich ihm wiederum für matt mat, so grimas- siert er von neuem und spricht maat aus, wiewohl er hat, badet, ganz richtig auszusprechen weiß. — Lieben Brüder, wenn ihr eure Sprache liebt, so tretet dem Schlendrian auf den Kopf und richtet auch nach den Regeln der Vernunft und einfachen Schönheit, nach denen sich schon größtenteils die Minnesinger richteten, ehe die nachfolgenden plumperen Jahr hunderte die Sprache mit so vielen unnötigen Buchstaben überluden.« Ich vermeide es, diesen treffenden Worten noch weiteres hinzuzufügen. Kleine Mitteilungen. Reform der französischen Orthographie. Man schreibt der -Wiener Abendpost« aus Paris: Seit zehn Jahren streben die -Reformisten- in Frankreich eine Umbildung der Ortho graphie an. Vergebens. Jetzt, da die großen -Affairen- zu schweigen scheinen, soll die Affaire der Orthographie wieder hervor geholt werden. Es handelt sich um folgende Punkte: 1. Zusammen gesetzten Worten, wie plain-obant, clsmi-Iitrs, soll künftig der lästige Bindestrich genommen werden, auch sollen Worte, die mit entrs und oontrs zusammengesetzt sind, in Einem geschrieben werden: sntrsäsux, oontrocoup. . . Diese -Reform- ist bescheiden genug. 2. Fremde Worte dürfen ein Plural-s erhalten: äss alleZros. Ebenso soll den Worten vin§t und osnt in allen Fällen das s bewilligt werden: quati e-vingts-trois. Auch diese Reform zu grinsten des Plural-s scheint nicht eben bedeutend. 3. Man setze s statt x in Worten, wie paix, vsux, also: js vsus, la pais. Welchen Zweck soll diese Reform haben? Es wird kein Buchstabe erspart, la paix wird aber von seiner etymologischen Sprachwurzel xax ohne Not weggerissen. 4. Man soll in der Feminin - Bildung das t und n nicht mehr verdoppeln, also uns obsts, uns pa^saus u. s. w. Man wird schreiben dürfen: js te protsAgrais wie js ts protsAS, dann j'intsrrons, il intsrront (für intsrromps, intsrromxt — auch hier wäre die Isolierung des Wortes vom Wurzelboden bedauerlich. Ebenso peinlich sind die Reformvorschläge vivt (vingt), sst (sspt), pois (poicls), korsene, morsoau, prout (prompt), cloit (äoiAt) u. s. w. Diese Vereinfachung ist wahrlich nicht einer Reformbewegung wert, wohl aber gefährlich, da die französischen Worte vivAt (viginti), sspt (septsm), äoiFt (äigitus) und andere, losgerissen von der romanischen, lateinischen Sprachwurzel, zu einem willkürlichen Zeichen werden, den Zusammenhang mit verwandtem Sprachgebiet verlieren und gleichsam nur in der Luft hängen bleiben. Durch Bequemlichkeit und vielhundertjährigen Mißbrauch geht ohnehin vielen Worten der Zusammenhang mit ihrer ursprünglichen Be deutung verloren. Man sollte diesen Prozeß nicht noch künstlich beschleunigen, wie es jetzt auch im Deutschen vielfach versucht wird. Der Geist der Sprache verliert dabei unendlich viel, und gewonnen wird bestenfalls ein Buchstabe. Wenn man pais statt paix setzt, so ist auch nicht einmal der Buchstabe erspart, sondern nur an der Sprache gefrevelt worden. In Italien, das ja zu gunsten der Bequemlichkeit viel an den alten Stammsprachen des Italienischen sündigt, fand ich einmal einen-Kynematograf» anaezeigt. ^ oder i — was verschlägt's? Und doch ist es nicht gleichgiltig, ob wir den Namen des neuen Apparats vom Stamme kiv (Bewegen) oder vom — Hunde (Stamm kzm) ableiten! ^.ssoviation litterairs ot artistiqus iutsrnationals. — Der einundzwanzigste Kongreß der Association littärairs st srtistiqus intörnationals ist am 23. d. M. in der Universitäts-Aula zu Heidelberg eröffnet worden. Deutscher Philologentag. — Die 45. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner wurde am 26. d. M. im großen Saale des Künstlervereins zu Bremen unter dem Vorsitz von Schulrat Professor Sander eröffnet. giabraaia. S32
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