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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.02.1898
- Strukturtyp
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- Band
- 1898-02-22
- Erscheinungsdatum
- 22.02.1898
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- Deutsch
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überspannt Deutschland, wie kein zweites Land der Erde. — Täglich werden an tausenden von Orten die herzerfrischenden Weisen gesungen, die nach des Tages Mühe und Arbeit für viele die einzige Erhebung sind. Wenn nun dieses geistige Eigentum des deutschen Volkes in Gefahr gerät, soll man da nicht die Stimme erheben und an die, die es angeht — und das sind alle, die in deutscher Zunge reden — die Aufforderung ergehen lassen, sich um das Banner des deutschen Liedes zu sammeln?! Von Frankreich her droht dem deutschen Liede ein Schlag, der die gewaltige Eiche an den Wurzeln treffen würde. Vor einigen Jahren hat sich in Frankreich eine Loeists clss eäiteure et eowpositsurs gebildet; sie erstrebt eine Besteuerung des gesamten musikalischen Lebens; keine Aufführung, kein Gesangsoortrag in einem Verein soll statt finden dürfen, ohne daß dafür eine Steuer an den Kompo nisten, bezw. an seinen Verleger gezahlt wird. Auch bei uns beginnt eine Bewegung, die darauf ausgeht, ähnliche Zu stände in Deutschland einzuführen. Kann man sich auf den ersten Blick etwas Menschen freundlicheres denken? Ist nicht jeder Arbeiter seines Lohnes wert? Verdient nicht der Mann, der herrliche Weisen ge schaffen hat, dafür auch materiell belohnt zu werden? Aber steigen wir aus dem Gebiete der Theorie in das der Wirklichkeit hinab! Welche Wirkung haben diese Be strebungen gehabt? In Frankreich ist der Wunsch der Societs in Erfüllung gegangen. Das Gesetz verlangt, daß für jede musikalische Reproduktion eine Steuer zu entrichten ist. Die Soests hat nun ein Ueberwachuugssrfftem organisiert, das mit Argusaugen die Thätigkeit aller musikalischen Vereine, Institute, kurz jede Betätigung musikalischen Lebens außer dem Hause kontrolliert Das ist ihr um so leichter geworden, als sich ja das Musikleben in Frankreich mit dem warm pulsierenden musikalischen Leben in Deutschland gar nicht vergleichen läßt. Es konzentriert sich auf Paris; die kümmer lichen Pflänzchen musikalischen Lebens, die sich hier und da — und auch fast nur in den größeren Provinzialstädten — finden, können durch die Erhebung der Steuer in ihrer Ent wickelung kaum noch gehemmt werden. Aber cs finden sich auch in Frankreich noch Steuerobjekte genug, die dem Heißhunger der Societö zum Opfer fallen; der blinde Dreh- orgclspieler, der durch das Dorf zieht, die Dame, die im Wohlthätigkeits-Konzert zum Besten der Armen singt, sie alle tragen ihr Scherflein dazu bei, die Kasse der Socistd und die Taschen der Verwaltungsräte zu füllen. Und wie ist es in Deutschland? Nicht nur in der Groß stadt, in den kleinsten Städtchen, in den armseligsten Dörfern, wohin sonst kaum ein Strahl geistigen Lebens dringt, bestehen Gesangvereine Nach des Tages Arbeit kommen Leute, die die verschiedensten Handwerke und Gewerbe treiben, zusammen, erquicken sich an dem Jungbrunnen der Musik, und Mühe und Sorgen eines oft kümmerlichen Lebens werden für einige Stunden vergessen. Soziale Gegensätze, die unser Volk zer- klüften, werden überbrückt durch gemeinsame, begeisterte Hin gabe an die Musik. Auch an allen patriotischen Gedenktagen, die wir be gehen, bewährt das deutsche Lied seine Macht. Unsere Ge sangvereine nähren die Flamme der Vaterlandsliebe. In guten und in bösen Tagen hat das deutsche Lied unsere Brüder begeistert, hat das deutsche Lied sie zu Kampf und Sieg ge führt. — Man geht nicht zu weit, wenn man das deutsche Lied fast den köstlichsten Schatz unseres Volkes nennt. Und nun betrachten wir einmal die materielle Grund lage dieser Vereine! Wer jemals den Etat eines Gesangvereins in einem kleinen Städtchen kennen gelernt hat, wird lächeln und gleich zeitig gerührt sein über die Geringfügigkeit der Mittel, die einem solchen Vereine zu Gebote stehen. Groschenweise tragen diese kleinen Leute zusammen, um ihren Verein zu erhalten. Das Gehalt des Dirigenten eines solchen Vereins ist gewöhn lich Null. Er begnügt sich mit dem Genuß, den er selbst dabei empfindet, eine musikalische Auffahrung leiten zu können. Bei allen Heimsuchungen, die das Vaterland treffen, bei allen Gelegenheiten, in denen es sich um Beschaffung von Mitteln für wohlthätige Zwecke aller Art handelt, sind die Gesangvereine in erster Reihe bereit, ihr Können in den Dienst der Wohlthätigkeit zu stellen. Und den dürftigen Etat dieser Vereine will man be steuern?! Wie ist es jetzt damit? Der Komponist geht zum Ver leger, und dieser hat die Pflicht, ihn angemessen zu honorieren. Der Verleger bestimmt dann den Verkaufspreis so, wie er glaubt, zu seinen Kosten und zu einem Gewinn kommen zu können. Daß er dabei ein gewisses Risiko trägt, ist nur recht und billig; das muß eben jeder Kaufmann. — Wer diese Musikalien käuflich erwirbt, erlangt dadurch — nach den jetzt geltenden Bestimmungen — das Recht, sie wo auch immer, singen und spielen zu dürfen. Wird nun aber künftig einem materiell zu schwach fundierten Vereine die Pflicht auf erlegt, für jede Reproduktion noch eine Extrasteuer zu zahlen, so wird er vor die Alternative gestellt, entweder den Mit gliedsbeitrag zu erhöhen und damit eine ganze Anzahl solcher, die mit Pfennigen rechnen müssen, zurückzustoßen, oder sich beim Ankauf von Musikalien zu beschränken und fast nur ältere Musik zu treiben, die nicht mehr von der Extrasteuer ge troffen werden kann ") Welche Ungeheuerlichkeit liegt offenbar darin, einem Vereine Chor-Kompositionen, einer Kapelle Orchester-Werke zu verkaufen und sich dann für die Aufführung noch extra bezahlen zu lassen! Diese Gesangvereine und jene Kapellen kaufen die Kompositionen doch nicht, um sie ihrer Bibliothek einzuverleiben, sondern eben, um sie aufzuführen. Und betrachten wir einmal die Vorteile, die den Kom ponisten aus einer Aenderung des jetzt bestehenden Rechts zustandes angeblich entspringen! Ist denn damit einem jungen Komponisten gedient, wenn er die Möglichkeit, außer dem Honorar von seinem Verleger auch noch die Pfennige der Gesang- und Musikvereine zu er halten, mit einer weit geringeren Verbreitung seiner Werke bezahlen soll? In Wahrheit sind es nur einige wenige be vorzugte Komponisten, die einen größeren Gewinn einheimsen werden. Diese aber kommen auch bei dem jetzigen Verfahren nicht zu kurz. Wenn eines ihrer Werke einschlägt, so bringt ihnen schon das nächste Werk ein weit größeres Honorar. Die Mehrzahl der jungen Komponisten aber wird dann nicht mehr ins Volk dringen. Das Programm eines Vereins wird in Zukunft nur ältere Musik und einige sogenannte »Schlager berühmter Namen aufweisen. Auf Versuche mit jüngeren noch unbekannten Komponisten werden sich nur recht wenige ein lassen. Kann die große Mehrzahl der deutschen Komponisten damit einverstanden sein? Um sich ein Bild von der tief einschneidenden Bedeu tung einer solchen Doppelbesteuerung zu machen, mögen einige Angaben über die Verbreitung der deutschen Gesang vereine folgen. Im Deutschen Reiche bestehen annähernd 1b 000 Gesangvereine, Oesterreich wird an deutschen Gesang vereinen etwa 3000 besitzen. Der allgemeine deutsche Sänger- *j Wiener Zeitungen berichten bereits, daß die Gastwirte in Wien, wo sich eine der »Societs» ähnliche Gesellschaft gebildet hat, eine Versammlung abgehalten und solidarisch beschlossen haben, in allen Lokalen vom 1. Januar ab womöglich nur solche Musik- piscen zu Aufführung bringen zu lassen, die tantiemcfrci sind, andernfalls aber keine Tantieme zu entrichten und es aus die Klage der Auloren-Gesellschaft ankommen zu lassen
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