Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.02.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-02-14
- Erscheinungsdatum
- 14.02.1902
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19020214
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190202146
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19020214
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-14
- Monat1902-02
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1378 Nichtamtlicher Teil. 87, 14. Februar 1902. stolz darauf, daß bei uns durchschnittlich mehr Menschen lesen und schreiben können, als bei unseren Nachbarn; wir sind stolz darauf, daß unsere Wissenschaft und unsere künstlerische Litteratur bei fremden Völkern angesehen ist und in der Fort bildung des Menschengeschlechts eine Hauptrolle spielt; aber die Methode, nach welcher wir alte und neue Bücher zu ge nießen pflegen, ist noch so kleinlich, roh und spießbürgerlich, daß es eine wahre Schande ist. Allerdings werden in Deutsch land viele Bücher gekauft, solche Bücher, welche nötig sind, um daraus zu lernen, populäre Werke der einzelnen Fach wissenschaften und Lehrbücher aller Art; aber der Verbrauch von solchen Werken, welche mehr der Schönheit, als dem un mittelbaren praktischen Nutzen dienen, ist leider noch sehr un sicher und der Sinn für Lektüre gerade bei den Genießenden noch sehr wenig ausgebildet. Derselbe Mann, welcher ohne das geringste Bedenken ein Dutzend Thaler für einige Flaschen Champagner oder ein Austernfrühstück hinwirft und der im stände ist, dies öfter zu thun, ohne seine Verhältnisse zu deraugieren, wird sich sehr hüten, ein gutes oder interessantes Buch zu kaufen, er wird die Gelegenheit abwarten, es zu leihen, vielleicht gar von dein Buchhändler selbst, denn er wird es für eine unerhörte Verschwendung halten, neben seinen starken Ausgabeposten für Delikatessen oder Sport- Freuden auch noch eine Bücherrechnung am Ende des Jahres zu bezahlen. Und dieselbe Dame, welche für eine Ball- tvillette zehn Louisd'or ihres Taschengeldes auszugeben pflegt, würde vielleicht sehr entrüstet sein, wenn man ihr zumutete, Macaulays Geschichtswerk oder Burmeisters geologische Briefe für ihren Büchcrtisch zu kaufen und von ihrem Taschengelde zu bezahlen. — Doch in der That, einmal im Jahre, zur Weihnachtszeit, wo die Herren in Verlegenheit sind, was sie den Frauen und Kindern schenken sollen, werden hübsch aus sehende, stark vergoldete Bücher fast von allen reichen Herren eingekauft und zum Geschenk gemacht. Diese haben dann die Bestimmung, ein Jahr lang auf dem Toilettentisch zu liegen. Die laufenden litterarischen Bedürfnisse der übrigen Zeit befriedigen die Leihinstitutc. Dieses knickerige Verhalten sehr vieler wohlhabender Privatleute hat auf die gesamte deutsche Litteratur großen Einfluß ausgeübt und viel dazu beigetragen, die Schriftsteller sowohl als den Buchhandel zu drücken, ja zuweilen zu kor rumpieren und auf Abwege zu führen; ferner aber hat es einen eigentümlichen Industriezweig zu großer Ausdehnung gebracht, die Leihinstitute für Bücher, Zeitschriften u. s. w. Der große Nutzen dieser Leihanstalten soll hier nicht verkannt werden, aber ihre Stellung zum deutschen Bücherverkauf ist eine sehr gefährliche geworden. Für Werke, welche nicht dem prak tischen Nutzen oder der Wissenschaft unmittelbar dienen, z. B. für belletristische Werke, Reisebeschreibungen, sowie für periodische Zeitschriften, sind dergleichen Institute in Deutschland die Hauptabnehmer, oft die alleinigen Käufer. Wer ein Buch dieser Art verlegt, oder eine periodische Zeitschrift herausgiebt, muß vor allem diesen Instituten zu gefallen suchen. In ihnen aber gefällt zunächst, was dem Geschmack der großen Masse am meisten entspricht, häufig das Mittelmäßige, oft das Gemeine, und so kommt es, daß bei uns von Schriftstellern und Ver legern häufig so Schlechtes, Wüstes und Abgeschmacktes produziert werden kann, daß einem Gebildeten davor grauen kann Auf der andern Seite aber werden viele solche Erzeugnisse, welche auf den Beifall kleinerer Kreise von Gebildeten berechnet sind, z. B. lyrische Gedichte, Schauspiele, manche Arten populärer, wissenschaftlicher Werke, Reisebeschreibungen, Kupferwerkc, in ihrer Wirkung aufgehalten und ihre Ver fasser entmutigt, weil die Verleger bei jedem solchen Buche gezwungen sind, zu fragen: Wie wird es unserem Hauptkäufcr, dem Publikum der Leihbibliotheken, gefallen? Jedes andere Buch aber, das nicht in den Kreis der Leihbibliothekschriften gehört, auch nicht einer bestimmten Fachwissenschaft angehört, hat unter solchen Umständen in Deutschland gar kein bestimm tes Publikum, und es ist fast Sache des Zufalls und des Glücks, wenn es sich einbürgert und dem Verleger Früchte trägt. Und doch giebt es viele wichtige, im besten Sinne des Wortes populäre Unternehmungen, durch welche die Litteratur wesentlich gefördert wird, und welche nur möglich sind bei stattlicher Beteiligung von Privatleuten. Dahin gehören besonders alle Kupferwerke, welche bedeutende Aus lagen und Risiko von Seiten des Verlegers erfordern. Fast alle solche Unternehmungen kränkeln in Deutschland, weil ihnen die nötige Unterstützung sehlt. Wer Geld hat, muß auch die Verpflichtung fühlen, etwas für die Litteratur seines Volkes zu thun. Es ist gar nicht nötig, daß er ein leidenschaftliches Interesse an all den guten Werken hat, welche er bezahlt, er soll sie bezahlen, damit solche Unternehmungen rentieren und das Ganze den Vorteil davon habe. Freilich wird es besser sein, wenn sein Geist ein lebhaftes Interesse an allem Schönen und Großen, was in der Litteratur zu Tage kommt, nehmen kann. Da das aber nicht immer möglich ist, sehr oft beim besten Willen und guter Bildung nicht möglich ist, so soll er wenigstens eine Pflicht gegen seine Zeit erfüllen, indem er anderen die Möglichkeit offen erhält, solche Interessen zu verfolgen. Das ist eine Anstandspflicht des reichen Mannes. Und deshalb sollte jeder Wohlhabende eine kleine feste Summe seines jährlichen Etats für Gründung und Erhaltung einer Hausbibliothek bestimmen, und er sollte ferner nicht seinen und seiner Familie Verkehr mit den bedeutenden Schriftstellern aller Zeiten in einen entlegenen, staubigen Winkel seines Hauses verweisen, sondern je nach seinen Ver hältnissen einen größeren oder kleineren Raum mit ent sprechender Dekoration auswählen, welcher als das Bibliothek zimmer jedem Familienmitgliede offen steht und den Gästen einen erwünschten Ort der Sammlung, interessanter Unter haltung und Belehrung darbietet. Eine solche Hausbibliothek ist gegenwärtig nur in den wenigsten wohlhabenden Familien Deutschlands zu finden, und in sehr wenigen ist die etwa vorhandene zweckmäßig und anständig aufgestellt. Auf vielen Schlössern unserer großen Gutsbesitzer sind zwar alte Bücher sammlungen vorhanden, häufig aus der Zeit ihrer Groß väter, welche mit dem französischen Firniß auch den Respekt vor den französischen Schriftstellern des 17. und 18. Jahr hunderts erhalten hatten. Aber diese Büchersammlungen sind in der Regel eine Beute der Spinnen und Bücher würmer, im besten Falle sind sie dürftig und schmucklos aufgestellt, und die Summe, welche für ihre Komplettierung verwandt wird, ist so gering, und der Mangel an Urteil bei Auswahl neuer Bücher so groß, daß sie auf den Fremden, welcher sich zu ihnen verirrt, oft einen unheim lichen Eindruck machen Und doch ist gerade auf dem Lande, bei der größer» Isolierung des Lebens, eine zweckmäßige Auswahl nützlicher und interessanter Bücher die notwendige Bedingung des Behagens für eine gebildete Menschenseele. Aber auch der reiche Fabrikherr, der große Kaufmann sollten die Verpflichtung fühlen, durch eine solche Anlage ihr Familienleben zu verschöuern. Und wenn dem Hausherrn seine angestrengte Thätigkeit nur selten verstauet, sich selbst daran zu erbauen, so möge er bedenken, daß er seiner Familie kein besseres und dauernderes Vergnügen machen kann, als diese Anlage. Der Zustand der Bibliothek in einer Familie ist unter allen Umständen der erste Gradmesser für die geistige Bildung und das innere Leben ihrer An gehörigen, und ein fremder Gast, der hereinkommt, hat nur nötig, sich nach den vorhandenen Büchern zu erkundigen, um ein Urteil über die Kultur des Hauses zu gewinnen. Ein solches Urteil wird natürlich weder zuverlässig, noch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder