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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1902
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- 1902-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1902
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3680 Nichtamtlicher Teil. 101, 3. Mai 1902. Staatssekretär des Reichs-Justizamts vr. Niebcrding ferner: Ich komme zum letzten Punkte, das ist die Frage der Privat klage. Ich brauche Sie kaum daran zu erinnern, daß im vorigen Jahre, noch im Jahre 190l, eine Kommission des Reichstages einen Beschluß gefaßt hat, in welchem verlangt wurde, daß der Gerichts stand am Wohnorte des Verletzten, den wir bei der Privatklage konservieren wollen, konserviert werden soll für alle Antragsdclikte. Ich brauche Sie nicht zu erinnern an frühere Beschlüsse des Reichs tages, welche die Konservierung des Gerichtsstandes der Privat klage in der fliegenden Form wollten an allen Orten, in denen die Verbreitung des Preßerzeugnisses erfolgt. Meine Herren, wir schränken den Beschluß, den die Kommission des Reichstages im vorigen Jahre gefaßt hat, ein, indem wir nur zu gunsten der Be leidigung, nicht zu gunsten aller Antragsdelikte diesen Gerichts stand wollen, und wir beschränken ihn auch gegenüber den früheren Beschlüssen des Reichstages insofern, als wir den Gerichtsstand nicht als fliegenden wollen, sondern nur an dem Orte, an dem der Privatkläger selbst wohnt, und am Erscheinungsorte. Wenn in der Presse behauptet wird, das sei ein fliegender Gerichtsstand, so ist das eine Täuschung des Publikums. Es ist kein fliegender Gerichtsstand, wenn es nur zwei Orte sind, an denen man nach Wahl klagen kann. Ein fliegender Gerichtsstand — das hob auch der Herr Abgeordnete Or. Rintelen hervor — liegt nur vor, wenn eine Partei an verschiedenen Orten ohne inneren Grund für ihre Wahl klagen kann. Es ist uns in der ersten Lesung das harte Wort entgegen- gcschleudert worden, dieser Gerichtsstand, diese Begünstigung der Privatkläger, sei die Potenz der Unlogik. Meine Herren, das ist ein tönendes Wort, aber es sagt sehr wenig. Jedermann versteht den Unterschied zwischen der Behand lung von Staats- und Privatklage, und der Grund ist der, daß der Staat mit seinen Staatsanwälten unter allen Umständen in der Lage ist, sich überall Recht zu verschaffen, der Staat braucht keine Erweiterung des Gerichtsstandes, er hat dazu die Mittel und die Organe an der Hand. Anders ist cs aber bei dem Privat kläger, er ist nicht in dieser begünstigten Lage. Deshalb müssen wir auf ihn Rücksicht nehmen, indem wir ihm wenigstens die Möglichkeit geben, an dem Orte zu klagen, wo er wohnt. Das, meine Herren, wird der gemeine Mann im Volke ganz gut ver stehen; er wird auch verstehen, daß wir ihm damit Schutz geben wollen gegen gewisse Angriffe der Presse. Ich bin fest überzeugt, daß die öffentliche Meinung uns in diesem Punkte recht giebt, wenn wir hier auch der höchsten Unlogik geziehen werden. (Sehr richtig! rechts.) Es ist hier bezweifelt worden, daß der Privat mann in der Lage des Schwächeren sei. Meine Herren, ich will gern zugeben, daß es Fälle giebt, in denen auch der Privatmann in der Rolle des Stärkeren ist. Ein großer Industrieller, der so und soviel Rechtsanwälte in seinem Bureau sitzen hat, ist natür lich stärker als ein kleines Blatt; aber wir können nur den Durch schnitt der Verhältnisse nehmen. Wer wollte es bestreiten, daß im Durchschnitt der kleine Mann gegenüber der Presse der Schwächere ist? Das kann niemand. Ich will zugeben, daß sehr viel von Leuten geklagt wird, die keineswegs Engel sind, die aus böswilligen oder egoistischen Motiven ihre Klage erheben, und daß die Presse damit ihre liebe Not hat. Trotzdem bleibt der Satz bestehen, daß in vielen Fällen die Kläger auch ihr Recht haben, wenn sie den Klageweg beschreiten, daß, wenn sie mit dem berechtigten Gefühl der Verletzung ihrer Person diesen Weg beschreiten, sie in eine ungünstige Lage geraten, sobald sie nicht an ihrem Wohnort klagen können, sondern sich an einen, vielleicht sehr entfernten Ort wenden müssen. Meine Herren, nehmen Sie z. B. den Fall eines kleinen Landarztes: gegen ihn werden schwere Vorwürfe in der Presse von fernher geschleudert, Vorwürfe, die geeignet sind, seine Existenz vollständig zu untergraben; er ist nicht in der Lage, sich schnell über die Dinge zu orientieren, die an dem Erscheinungsorte mitspielen, er ist natürlich geschäftsunkundig, er muß einen Rechtsanwalt in der Ferne wählen, muß seine Zeugen sammeln — der Kläger muß unter Umständen doch auch seine Zeugen haben —. Der Mann muß nachher auf Erfordern des Gerichts am Gerichtsorte erscheinen, um persönlich Erklärungen zu geben — er, der kleine Arzt, der dann noch seine Praxis in diesen Tagen des Erscheinens am Gerichtsorte einstellen muß. Meine Herren, liegt darin nicht eine große Unbilligkeit? Jeder im Volke hat das Gefühl, daß ein solcher Mann, der genötigt ist, nach einer Verletzung seiner Ehre, die er gar nicht provoziert hat, zum eigenen Schutz noch eine Reise zu machen, mühsam seine Zeugen hinzubringen an den fernen Gerichtsort und dort einen Anwalt zu stellen, nicht nach billigem Maße gemessen wird. Man behauptet, eine Anforderung an die Presse, wie in der Vorlage, sei unhaltbar. Meine Herren, ich will Ihnen zwei Beispiele er zählen, aus denen Sie entnehmen werden, daß die Dinge doch ganz anders liegen. In Ungarn ist im Jahre 1848 in den Stürmen der Revolution ein Preßgesetz zu stände gekommen, ein Gesetz, das so radikal war, daß die Regierung später nicht wagte, es in Geltung zu belassen. Es wurde suspendiert; nacher ist es aber wieder in Geltung getreten. Dieses achtundvierziger Preßgesetz gilt jetzt noch in Ungarn, und dieses Gesetz hat ausdrücklich vor gesehen, daß in den Fällen, in denen Klage erhoben wird wegen Ehrbeleidigung von einem Privatmann, der Privatmann sein Recht suchen kann an dem Orte, wo er selbst wohnt, auch wenn das Preßerzeugnis anderswo erscheine. Meine Herren, Ungarn hat eine mächtige Presse, die auf ihre Selbständigkeit und Freiheit wahrhaftig sehr eifersüchtig ist; trotzdem hat man seit einem halben Jahrhundert diese Zu stände in Ungarn vertragen, und ich glaube, niemand wird dort wünschen, die Presse selbst wird nicht verlangen, daß man diese Zustände abändert. Und in Frankreich, meine Herren — ich habe das vorhin schon ausgeführt — besteht seit über hundert Jahren der Zustand, daß an jedem Orte, wo ein Preßerzeugnis verbreitet ist, die Verfolgung unternommen werden kann, also auch der Privat kläger die Klage erheben kann. Einmal hat man in Frankreich den Versuch gemacht, diesen Zustand abzuändern: im Jahre 1819 hat man ein Gesetz geschaffen, wodurch diese Freiheit, dieser fliegende Gerichtsstand beseitigt wurde. Später hat man das Gesetz wieder aufgehoben; aber auch damals, als es erging, hat man in Frankreich nicht gewagt, zu ungunsten der Privatklagen eine Aenderung eintreten zu lassen. Man hat für die öffentlichen Klagen in Frankreich den fliegenden Gerichtsstand aus ein paar Dezennien beseitigt; man hat nicht gewagt, zu ungunsten der Privatklage ihn zu beseitigen. Zu gunsten der Privatklage hat er damals fortbestanden und besteht so seit Anfang des vorigen Jahrhunderts. Und da will man uns hier sagen, das sei unhalt bar für die Presse, ein unleidlicher Zustand?! Meine Herren, das sind doch Uebertreibungen, die wirklich nur das Interesse der Presse berücksichtigen und kein Gewicht legen auf das Interesse des Publikums. Meine Herren, ich kann Sie nur dringend bitten, sich zu gunsten der Privatklage auszusprechen. Ich bitte Sie, auch auf das Rücksicht zu nehmen, was neulich hier gesagt worden ist: er halten Sie den Schutz der Ehre des einzelnen gegenüber den An griffen anderer, reißen Sie nicht Schutzwehren nieder, die jetzt be stehen für die Ehre des einzelnen! Sie sind sonst bedacht darauf, haben die Notwendigkeit sogar anerkannt, den Ehrenschutz nicht nur zu erhalten, sondern zu vermehren; benutzen Sie nicht diese Gelegenheit, um im entgegengesetzten Sinne zu verfahren. Darum, meine Herren, lehnen Sie diesen Antrag ab, bleiben Sie bei der Vorlage der verbündeten Regierungen. Ich habe schon früher be merkt, die verbündeten Regierungen haben sich schwer entschlossen, Ihnen diese Vorlage zu machen; aber als sie sie Ihnen machten, sind sie Ihnen loyal und freundlich begegnet. Kommen auch Sie entgegen und begraben Sie auf diese Weise eine Streitsache zwischen dem Reichstag und den verbündeten Regierungen, die schon zu lange sich erhalten hat! Abgeordneter vr. Esche (nl.) tritt für die Vorlage ein. Ob wohl er den Anträgen sympathisch gegenüberstehe, werde er die selben doch zur Zeit ablehnen, um die Vorlage nicht zu gefährden. Es werde bei der allgemeinen Revision der Strafprozeßordnung auf diese zurückzukommen sein. Bedenklich sei ihm nur die aus drückliche gesetzgeberische Sanktionierung eines Unterschiedes zwischen periodischen und nichtperiodischen Druckschriften. Abgeordneter Heine (Soz.): Ich habe keineswegs dem Staats sekretär den Vorwurf der Unklarheit oder gar der bewußten Un klarheit gemacht oder machen wollen. Wenn meine Zweifel be züglich der Auslegung des Entwurfs auch nur dazu geführt hätten, den Staatssekretär zu seinen heutigen Ausführungen zu veranlassen, so kann ich schon damit zufrieden sein; es wird sich also nicht lediglich um den Inhalt der Druckschrift handeln, sondern es sollen auch Verbreitung und Kenntnisnahme in Be tracht kommen, um die Strafbarkeit zu begründen. Nach dieser Richtung wäre also einer mißbräuchlichen Handhabung des Gesetzes vorgebeugt. In den Motiven des Entwurfs stand wörtlich- lediglich der Inhalt»; diese unglückliche Wendung hat vor allem den Verdacht erzeugt, den ich in der ersten Lesung geäußert habe. Die Berufung auf das Preßgesetz ist insofern hinfällig, weil damals, im Jahre 1874, noch gar keine Judikatur vorhanden war; heute hat gerade diese Judikatur das große Maß von Mißtrauen bei uns gegen die Formulierung hervorgerufen. Unsere Bemühungen, einen aus schließlichen Gerichtsstand zu begründen, hat der Staatssekretär als vergebliche bezeichnet. Es kann sein, daß auch die von uns vor geschlagene Formulierung in irgend einem Falle zur Härte führt; es handelt sich aber für uns darum, Rechtssicherheit zu schaffen und die Willkür auszuschließen. Der ausschließliche Gerichtsstand ist naturgemäß der des Verlags. Jeder hat das Recht, an dem Orte verurteilt zu werden, wo die Richter die Verhältnisse kennen und übersehen. Durch die Judikatur ist der Begriff der Be leidigung so ungeheuerlich ausgedehnt worden, daß jede öffentliche
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