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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1902
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- Ausgabe
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- 1902-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1902
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- Deutsch
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^ 10t, 3. Mai 1902. Nichtamtlicher Teil. 3675 Staatssekretär des Reichs-Justizamts vr. Nieberding: Meine Herren! Die erste Lesung dieser Vorlage hat sich bereits so tief in die Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingelassen, daß man sie nahezu als eine zweite Lesung des Entwurfs ansehen konnte. Dieser Umstand hat uns in die angenehme Lage versetzt, die Motive und Erwägungen, auf welchen die gedruckten Anträge beruhen, schon beurteilen zu können, bevor die Herren Antrag steller das Wort dazu genommen haben. Unter diesen Umständen möchte ich mir gestatten, schon jetzt die Stellung der verbündeten Regierungen zu diesen Anträgen kurz darzulegen, und ich thue das um so lieber, als ich annehmen darf, daß die Herren Antrag steller selbst mit diesem Vorgehen einverstanden sind. Meine Herren, die Anträge, die zu Ihrer Beschlußfassung stehen, teilen sich in zwei Gruppen. Die einen, welche sich in den Anträgen der Herren Abgeordneten Veckh und Genossen befinden, sind materiell auch Anträge der Herren Abgeordneten Albrecht und Genossen, die Anträge fallen hier sachlich zusammen. Die außerdem vorliegenden Anträge der Herren Abgeordneten Albrecht und Genossen gehören diesen Herren allein. Ich werde mir ge statten, zu diesen letzteren Anträgen einige Worte zu sagen, und werde dann eingehen auf die Anträge, die den beiden Gruppen von Antragstellern gemeinsam sind. Meine Herren, die Anträge der Herren Abgeordneten Albrecht und Genossen, die ich hier im Auge habe, beruhen auf dem Vor würfe, daß die Fassung unseres Entwurfs unklar, unvollständig und irreführend sei; was sie sachlich Neues bringen, ist sehr wenig. In den Anschauungen stimmen diese Anträge mit der Anschauung der verbündeten Regierungen der Hauptsache nach überein, aber sie führen diese Anschauungen in einer Weise durch, mit der sich die verbündeten Regierungen nicht einverstanden erklären können. Der Grund für diese Anträge beruht wesentlich in dem in der ersten Lesung uns gemachten Vorwurf, daß nicht klar zu erkennen sei, was alles unter dem ersten Satz unserer Vorlage begriffen werden solle. Um alle die Zweifel zu beseitigen, die nach dieser Richtung hin in der ersten Lesung den verbündeten Regierungen gegenüber geäußert worden sind, gestatte ich mir kurz und knapp die Vergehen zu bezeichnen, welche unter die Vorlage fallen und welche nicht. Meine Herren, es ist da zunächst — ich bedauere, daß ich etwas ausführlich sein muß, aber ich kann nicht anders, nachdem die Herren uns den Vorwurf gemacht haben, daß wir unklar und nicht unzweideutig gewesen wären, ich muß Wert darauf legen, das richtig zu stellen — es ist zunächst eingewendct worden, daß die Stellung der Vorlage gegenüber den Delikten, die man ge wöhnlich als preßpolizeiliche Delikte bezeichnet, nicht klar sei, es sei zweifelhaft, ob diese Delikte unter die Vorlage fallen; wenn man der Sache auch keine besondere Bedeutung beilege, so sei es doch immerhin wünschenswert, daß nach dieser Richtung eine Klarheit geschaffen werde, und die Regierung habe hier ihre Pflicht versäumt. Meine Herren, ich behaupte demgegenüber, daß die Regierung alles gethan hat, was von ihr verlangt werden kann. Wir müssen bei preßpolizeilichen Delikten unterscheiden. Es giebt darunter Delikte, die vollständig unter die Voraussetzung unseres Entwurfs fallen, daß der Inhalt einer Druckschrift den Thatbestand einer strafbaren Handlung begründe. Dahin gehört z. B. der Fall, daß eine Zeitung während eines Krieges gegen das Verbot über militärische Dispositionen Nachrichten bringt. Das ist ein preßpolizeilichcs Delikt, es ist aber zweifellos ein Delikt, bei dem der Inhalt der Druckschrift den Thatbestand der strafbaren Handlung begründet. Und bei diesen und bei ähnlichen preßpolizeilichen Delikten steht es daher außer Zweifel, daß sie unter die Bestimmungen des Entwurfs fallen, daß also auch für sie der fliegende Gerichtsstand beseitigt werden soll. Aber, meine Herren, unter den preßpolizeilichen Delikten finden sich in zweiter Reihe solche, die rein formaler Natur sind, die bloß in der Verletzung einer Ordnungsvorschrift bestehen. Dazu gehört es, wenn aus dem Blatte der Name des Druckers oder der Wohnort des Verlegers fehlt. Das sind Delikte, die unter unserem Ent wurf nicht fallen sollen und auch begriffsmäßig nicht fallen. Sie fallen nicht darunter, weil in ihnen der Thatbestand einer straf baren Handlung in der Druckschrift nicht begründet ist; es sind Aeußerlichkeiten, die hier verletzt waren, es ist nicht ein Gedanke, der in der Schrift sich ausgedrückt findet. Aber sie brauchen auch nicht unter die Vorschrift gebracht zu werden, denn der That bestand derartiger ordnungswidriger Handlungen ist dadurch erschöpft, daß das betreffende Preßerzeugnis zur Ausgabe gelangt, der Thatbestand ist damit abgeschlossen, der Gerichtsstand kann infolge dessen auch nur an dem Orte der Ausgabe der Druckschrift begründet sein. Es ist unseres Wissens niemals vorgekommen, daß nian für Handlungen dieser Art den fliegenden Gerichtsstand in Anspruch genommen hätte. Es ist nach unserer Meinung auch begriffsmäßig ausgeschlossen, daß das geschehen kann, und deshalb war es nicht nötig, dieser Delikte in dem Ent wurf, der sich nur mit dem fliegenden Gerichtsstand beschäftigt, Erwähnung zu thun. Also damit, glaube ich, ist der erste Vor wurf, der gegen unsere Vorlage erhoben wird, beseitigt. Der zweite Borwurf, der gegen uns erhoben wird, bezieht sich auf die Abgrenzung des Gebiets derjenigen Handlungen, bei welchen wir den Thatbestand einer strafbaren Handlung im Sinne des Gesetzentwurfs für vorliegend erachten. Meine Herren, der Zweifel, der hierzu von der linken Seite des Hauses geäußert worden ist, beruhte darauf, daß cs eine Anzahl von strafbaren Handlungen giebt, bei denen die Strafbarkeit noch nicht dann be gründet ist, wenn die hier in Betracht kommenden gedruckten Aeußerungen gedruckt sind, sondern daß bei diesen Handlungen die Strafbarkeit erst dann eintritt, wenn ein Zweites hinzukommt: eine Verbreitung, die die Möglichkeit einer Wirkung der betreffen den Druckschrift sicherstellt, oder eine Kenntnisnahme durch einen Dritten, die uns die Sicherheit giebt, daß in der That dasjenige, was der betreffende Thäter bezweckt, auch wirklich unter die Menschen gekommen ist. Wenn man in einer Druckschrift Auf reizungen verschiedener Klassen der Bevölkerung gegeneinander versucht, und wenn man diese Druckschrift verpackt, um sie in die Gegend, wo sie wirken soll, zu werfen, wenn diese Druckschrift dann aber unterwegs verloren geht, verbrennt, so ist die Straf barkeit der Handlung noch nicht begründet, sie kann erst dann eintreten, wenn die Druckschrift an den Orten, wo sie wirken kann, verbreitet wird und damit die Möglichkeit eines Erfolges gegeben ist. Wenn ich eine Beleidigung in einem Briefe ausspreche und diesen Brief absende, der Brief geht aber unterwegs verloren, er kommt zu keines Menschen Kenntnis, so ist die Beleidigung nicht vollendet, denn es hat niemand von der Beleidigung Kenntnis genommen, es ist nicht anders, als wenn der Beleidiger sich in seinem Privatzimmer allein befunden und sich dort in beleidigen den Aeußerungen ergangen hätte. Erst die Thatsache, daß ein Anderer von seinen Aeußerungen Kenntnis nimmt, daß also, in unserem Fall, ein Anderer von dem Inhalt der Druckschrift etwas erfährt, begründet die Strafbarkeit der Handlung. Nun, meine Herren, wird gegen uns der Vorwurf erhoben, daß wir diese Voraussetzungen in unserem Entwurf nicht zum Ausdruck gebracht haben, daß infolgedessen für alle die strafbaren Handlungen, bezüglich deren diese Voraussetzungen notwendig sind, der fliegende Gerichtsstand beibehalten werden solle, und man hat sogar versucht, dem hohen Hause die Meinung beizubringen, als wenn das nicht ohne unseren Willen geschehen sei. Meine Herren, unsere Strafgesetze pflegen nach der Seite, die hier in Frage steht, den Thatbestand der strafbaren Handlung überhaupt nicht voll ständig zu erschöpfen. Wenn Sie unser Strafgesetzbuch aufschlagen, können Sie auf mancher Seite die eine oder die andere Be stimmung finden, wo nach der Judikatur des Reichsgerichts ein Hinausgehen an die Oeffentlichkeit, sei es eine Verbreitung, sei es eine Kenntnisnahme eines Andern, die Voraussetzung der Straf barkeit ist, wo aber das Gesetz diese Voraussetzung nicht ausdrück lich statuiert. Gleichwohl muß sie im einzelnen Falle nachgewiesen werden, gleichwohl ist es die Voraussetzung des Gesetzes, weil in dem Begriff des Deliktes selbst dieses Moment mit enthalten ist. So ist die Ansicht des Reichsgerichts, meine Herren; ihr sind wir gefolgt. Von diesem Standpunkte ist unser Entwurf aus gegangen, und von diesem Standpunkte aus muß ich als die Ab sicht und den Inhalt des Entwurfs bezeichnen, daß alle gedruckten Gedankenäußerungen dadurch getroffen werden sollen, einerlei, ob zu ihrer Strafbarkeit ein besonderes Moment der Verbreitung oder der Kenntnisnahme gehört oder nicht. Auch diejenigen Handlungen, bei denen ein solches Moment für die Strafbarkeit vorausgesetzt wird, bei denen also nicht gestraft werden kann, wenn nicht Kenntnis genommen ist oder wenn eine Verbreitung nicht stattgefunden hat, sollen unter den Entwurf fallen. Ich glaube, meine Herren, daß damit klargestellt ist, daß auch die Be leidigungen unter den Entwurf fallen. Auf der linken Seite des Hauses hat man sich bei der ersten Lesung sehr bemüht, das in Zweifel zu ziehen. Nach diesen meinen Erklärungen, meine Herren, glaube ich, kann das nicht mehr zweifelhaft sein. Man hat sogar versucht, dem hohen Hause die Meinung beizubringen, als wenn uns die Thatsache, daß nach der Judikatur zur Erfüllung des straf baren Charakters der Beleidigung auch die Kenntnisnahme durch einen Dritten gehört, nicht bekannt gewesen sei. Meine Herren, ich habe darauf nichts zu sagen. Ich lasse denjenigen, der das behauptet, bei seinem Glauben. Wer den Glauben hat, daß uns, die wir längere Zeit mit der Ausarbeitung eines solchen Gesetzes befaßt gewesen sind, nicht einmal die fundamentalen Grundsätze des betreffenden Teils des Strafrechts bekannt gewesen sind, meine Herren, der ist in diesem Punkte unheilbar. Aber eins will ich doch zur Beruhigung des hohen Hauses erwähnen. Die Fas sung, die unser Entwurf aufweist, rührt, wie Sie alle wissen, nicht von uns her, sie ist aus diesem hohen Hause hervorgegangen. Wir haben sie acceptiert, wir haben sie auf ihre Vollständigkeit geprüft; wir haben uns überzeugt, daß unter diese Fassung alles dasjenige fällt, was früher nach den früheren Intentionen des Reichstages 485*
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