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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.04.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-04-15
- Erscheinungsdatum
- 15.04.1902
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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3162 Nichtamtlicher Teil. ^ir 85, 15. April 1902. von einer »Invasion« des Landes von seiten der New Parker deutschen Buchhändler, wenigstens habe ich selbst nie eine Geschäftsreise gemacht. Obwohl das Ganze nicht sehr wichtig und wesentlich, so will ich doch zur Klarstellung der Sachlage ein paar Worte darüber sagen und damit gleichzeitig, dem Winke des Herrn 8. entsprechend, meine Mitteilungen über die deutsch-amerikanischen Sortimenter-Verhältnisse etwas ergänzen. Ich thue das im Hinblick darauf, daß ich für gegenwärtige Darstellung hier ein buchhändlerisches Audi torium habe, mit einer gewissen Ausführlichkeit, deren ich mich in meinem Buche, das ja auch anderen Personen, d. h. Nichtbuchhändlern unter die Augen kommt, enthalten habe. Unwillkürlich muß ich Persönliches mit einflechten, was allerdings manchen Lesern nicht Zusagen wird. Dergleichen ist bei der Verschiedenheit der Anschauungen unausbleiblich, schadet auch nicht. Jedermann begeht einen fundamentalen Irrtum, wenn er das deutsche bücherkausende Publikum in Amerika mit dem in Deutschland vergleicht. Das letztere vermehrt sich fortwährend, trotz der Aus wanderung, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß bei fortschreitender Bildung das Bedürfnis, zu lesen, bezw. Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zu kaufen, wächst — wenn auch die Bedürfnisse für den Körper noch mehr wachsen. Daß trotzdem aber nicht genug Lesestoff gekauft wird, um — neben den »paar Dutzend Leipziger und Berliner Sortimentern« die nicht bloß Deutschland, sondern die ganze bücherkaufende Welt mit deutschen Büchern ver sorgen — die bestehenden deutschen Provinzial - Sortimenter mit genügendem Verdienst zu versehen — ich glaube, das darf man wohl auch damit erklären, daß es zu viele Provinzial- Sortimenter giebt, die sich in den Profit an Büchern zu teilen haben, der nicht beliebig ausgedehnt werden kann, vielmehr eine gewisse Grenze hat. Ich meine, wenn z. B. 10 Prozent weniger Buchhändler in Deutschland wären, als jetzt wirklich existieren, so würde der mögliche Gesamtabsatz deutscher Bücher vielleicht nur 3 Prozent geringer sein. Der dann verbleibende Gesamtprofit, auf nur 90 statt 100 Prozent Sortimenter verteilt, würde für einen jeden einen größeren Gewinnanteil ergeben — u. s. w. Doch das involviert ein Decimieren, was ich — da ich kein »Napoleon« sein will — nicht vorschlagen, noch weniger aber ausführen möchte. Uebrigens wird sich die Sache — ich werde das allerdings nicht erleben — mit der Zeit naturgemäß regeln, denn, wenn die weniger gut situierten Sortimenter nicht mehr »ihr Leben machen« können, so werden sie sich mit etwas anderem beschäftigen, werden nicht mehr Bücher vertreiben. Auf der anderen Seite vermindern sich fortwährend die Deutschen in Nordamerika, die deutschen Lesestoff kaufen. Englisch ist hier die Landessprache; jedermann, der im Leben und Verkehr mit anderen zusammenkommt, muß eng lisch verstehen, sonst kann man ihn nicht brauchen, oder er verdient weniger als andere, die englisch sprechen und schreiben. Natürlicherweise bemühen sich die Eingewanderten — Russen, Italiener, Schweden, Armenier u. a. nicht weniger als die Deutschen — so schnell wie möglich englisch zu lernen. Ihr Englisch klingt manchmal komisch bezw. un verständlich, ist aber für ihre Existenz doch besser, als wenn sie gar nichts von der neuen Sprache verständen. Zur Uebuug lesen solche Leute englische Zeitungen und später auch englische Bücher. Untereinander sprechen die Alten wohl noch ihre Muttersprache mit Vorliebe — wie auch ich Deutsch bevorzuge, soviel es angeht. Die Kinder aber sprechen nicht bloß mit anderen, sondern auch unter sich englisch. Die älteren, aus Deutschland eingewanderten Personen lesen gewohntermaßen deutsche Zeitschriften und deutsche Bücher, lesen auch hier erscheinende deutsche Zeitungen. Das nimmt aber naturgemäß und zwar in solchem Grade ab, daß im Laufe der letzten zehn Jahre Hunderte deutscher Blätter eingegangen sind. Nicht gering ist auch die Zahl derjenigen deutschen Zeitungen, die früher sehr einträglich und viel Geld wert waren; ihre Leserzahl ging aber her unter, so daß die Kosten kaum noch gedeckt wurden. Der einzige Ausweg war, sich mit dem bisherigen politischen Gegner am Platze — dem es kaum besser ging — unter den zünftigst möglichen Bedingungen zu vereinigen, dadurch die Kosten ungefähr auf die Hälfte zu vermindern und wenigstens etwas zu retten. Von den eingewanderten Deutschen, die bis vor 25 oder 20 Jahren deutsche Bücher und Zeitschriften bei mir kauften, sind nach und nach ungefähr 95 Prozent gestorben; es sind kaum 5 Prozent, die selbst oder deren Kinder — ausnahms weise — noch deutsche Bücher bei mir kaufen. Dieselbe Erfahrung machen mehr oder weniger auch die anderen alten Firmen. Und im Lande bezw. in den Städten des Westens ist es nicht anders. Die seßhaften Buchhändler sind zum größten Teile nicht mehr; sofern sie aber noch existieren, ist ihr Bedarf jetzt nur ein ganz kleiner Teil von dem früheren. Es ist überraschend, wenn nicht bettübend, zu sehen, daß heutzutage große Städte mit 30 000 und noch mehr Einwohnern — darunter viele Deutsche — kaum einen Händler haben, der eine kleine Auswahl deutscher Bücher auf Lager hält, während dagegen Verkäufer von Büchern und Zeitschriften in englischer Sprache großen Absatz erzielen, denn Amerikaner lesen sehr viel. Die fliegenden Buchhändler sind ebenfalls meistens ge storben oder sonstwie von der Bildfläche verschwunden; darunter gab es Leute, die 5000 Dollar pro Jahr oder noch mehr an mich zahlten. Es hat z. B. Kolporteure in großen Städten gegeben, die vor 25 Jahren 200 Abnehmer für allerlei deutsche Sachen hatten. Diese Abnehmer starben nach und nach weg; ihre Zahl kam auf 100, auf 50 — und der Kolporteur konnte daran nicht mehr seinen Lebensunter halt verdienen. Er hörte auf, um etwas anderes zu treiben, oder starb; in vielen Fällen hatte ich mit meinem Guthaben das Nachsehen. Von den übrig bleibenden Abnehmern eines solchen Kolporteurs haben sich aber kaum 10 oder wohl gar nur 5 die Mühe genommen, einen andern Lieferanten am Platze um Besorgung der bisher bezogenen Zeitschrift zu ersuchen oder deswegen nach New Jork zu schreiben. Es kam ihnen anscheinend gelegen, daß sie nicht mehr gedrängt wurden, diese oder jene deutsche Zeitschrift zu nehmen, da doch das Interesse daran stetig abgenommen hatte. Die Kinder hatten schon lange vorgeschlagen, statt der deutschländischen Zeitschriften amerikanische zu halten, die überdies billiger waren und ihrem Geschmacks besser entsprachen. So ist der Absatz deutschländischer Journale nach Amerika im Laufe der letzten 25 Jahre durchschnittlich auf ein Drittel oder ein Viertel heruntergegangen. Etliche neue Zeitschriften sind — auf Kosten der alten — eingeführt worden, haben aber auch keinen großen Erfolg gehabt. Der Ausfall würde noch größer sein, wenn nicht Amerikaner, die Deutsch gelernt haben, teilweise an die Stelle der weggestorbenen Deutschen getreten wären, d. h. deutsche Zeitschriften bezogen hätten. In noch höherem Grade gilt letzteres in Bezug auf deutsche Bücher; sonst wäre mein Absatz auch kaum noch halb so groß, wie er jetzt ist. Ich habe das kommen sehen und darum unaufhörlich darauf gesonnen, in welcher Weise für den Ausfall Ersatz zu schaffen sei. Ich habe die Aus führung solcher Pläne selbst besorgt — wahrscheinlich mit mehr Erfolg, als wenn ich mich auf andere verlassen hätte.
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