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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.09.1902
- Strukturtyp
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- 1902-09-03
- Erscheinungsdatum
- 03.09.1902
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- Deutsch
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6896 Nichtamtlicher Teil. 204, 3. September 1902. Nichtamtlicher Teil. Vom englischen Buchhandel.*) Billige Bücher. »Der litterarische Genius Englands«, so steht irgendwo geschrieben, »liegt in den Spalten seiner Zeitungen begraben.« Dies mag zutreffen, wenn man es so versteht, daß durch die Hast der Arbeit für die Tagespresse der Geist die Ruhe und Sammlung nicht findet, die jede umfangreiche und ge- dankentiefe Arbeit erheischt. Schnell-Lesen führt zu Schnell- Schreiben, und die Wochen- und Monatsschriften, die sich von Jahr zu Jahr in fast unglaublicher Weise vermehren, beschäftigen viele Tausende von Federn. Neuerdings hat jedoch der regelmäßige Buchhandel in England den Kampf mit den Zeitschriften, den »Magazinen«, ausgenommen und bewirbt sich um die Gunst des Lesers mit den Werken an erkannter Schriftsteller. In Wettbewerb mit den Monats heften, die teils fünfzig Pfennig, teils eine Mark kosten, treten die Romane und Novellen, die für einen Sixpence (50 H) ausgegeben werden, und die infolge des »Schien beins« der englischen Buchhändler überall für 41/2 Pence (35 -H) zu kaufen sind. Es ist noch nicht lange her, daß der übliche Preis eines neuen Romans in England nicht weniger als 1>/z Guinee (31 50 H) betrug! Das Publikum konnte sich diesen un geheuren Preis ruhig gefallen lassen aus dem einfachen Grunde, weil es ihm nicht einfiel, diese Romane zu — kaufen. Diese erschienen vielmehr hauptsächlich zum Nutzen der Leih bibliotheken; die schafften sich die großgedruckten dreibändigen Werke an und bezahlten somit, was man allgemein als die grundlegenden Kosten des Berlagsunternehmens betrachtete. Später erschien dann, falls sich kauflustige Leser für den Roman fanden, eine zweite Auflage zu bedeutend niedrigerem Preise. Die teure erste Auflage hat es mancher schreib lustigen weiblichen Feder möglich gemacht einen Verleger zu finden. William Heinemann war der erste, der kühn eine Bresche in diese althergebrachte und daher in England alt ehrwürdige Einrichtung der »tbrvs - volvins - novsl r schlug. Im Jahre -897 ließ er einen Roman sogleich in der ersten Auflage in einem Bande und zu dem mäßigen Preise von sechs Schilling (6 erscheinen. Es war dies »llsts Obristisvr von Hall Caine. Der Erfolg überstieg alle Er wartungen. Er führte einen Aufruhr im englischen Bücher märkte herbei; aber als die Wellen des Sturmes sich gelegt hatten, da zeigte es sich, daß die dreibändige teure Ausgabe von ehedem verschwunden war und der neue Sechs-Schilling- Roman triumphierend den Schauplatz behauptete. Als Er gebnis der Preisverschiebung zeigte sich, daß fortan mehr Bücher gekauft, als aus den Bibliotheken entliehen wurden. Heute ist die Einrichtung bereits derart eingebürgert, daß der nämliche Verleger soeben das neueste Werk des oben genannten Schriftstellers, Hall Caines »Utero»! 6ckx«, in einer ersten Auflage von hunderttausend Exemplaren heraus zubringen den Mut hatte, von der knapp einen Monat nach dem Erscheinen nur noch wenige unverkauft sind. Bald nachdem Heinemann seinen erfolgreichen Schritt gethan hatte, kam ein andrer Verleger auf den Einfall, *) Der vorstehende Aufsatz, der sich unter der Ueberschrift »Billige Bücher- in der »Straßburger Post- vom 17. August 1902 findet, wurde uns vom Bersasser in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Red. ältere Romane zum Preise von 50 H herauszubringen. Um hierbei seine Rechnung zu finden, mußte er natürlich einen sehr bedeutenden Umsatz und möglichst wohlfeile Betriebsmittel ins Auge fassen. So erschien denn auf den langen Tischen, auf denen die »fliegenden« Buchhändler auf allen Bahnhöfen des Königreichs ihre papierne Ware lockend ausgebreitet haben, eines Tages in hübschem Papier umschlag die erste Romanausgabe zu einem Sixpence. Eine willkommnere und wohlfeilere Reiselektüre konnte man sich nicht wünschen; die Sache schlug ein, und statt des einen Heftes von damals liegt heute mindestens ein halbes Hundert verschiedener ausgebreitet. Aus dem Wettstreit der Verlagsbuchhändler zieht natürlich der Leser seinen Vorteil. Hatten sich die großen Verleger im Anfang vornehm zurück gehalten, so führt heute beinahe jeder seine Fünfzig-Pfennig- Serie. Unter den Verfassern, deren Werke wir in dieser billigen Form erhalten können, sind die besten, deren Talent es verstanden hat den Leser zu fesseln und zu unterhalten. Da sind Charles Reade, Walter Besant, Zangwill, Thomas Hardp, Rhoda Broughton, Marion Crawford, Mrs. Humphrey Ward, Sarah Grant und unzählige andere. Wir können kaum je in Verlegenheit kommen, wollen wir uns auf ein paar Stunden aus der lästigen Gegenwart harter Wirklich keiten in die Jrrgänge freundlicher Traumreiche verlieren. Wunderbare Kunst! — welche andere schafft mit so geringen Mitteln und darf sich einer so tiefen Wirkung rühmen?! Ein Stift, ein Blatt Papier, und vor uns ersteht eine Welt, die erheitert und rührt, die den Leser als ein Trost durch das Leben begleitet und deren Schein oft die Nüchternheit unserer Alltagsarbeit verklärt wie der Kuß der Sonne den ewigen Schnee der Berge Es ist ein unzweifelhaftes Verdienst, die gute Litteratur eines Landes den weitesten Kreiserx zugänglich zu machen! Wir können die Stunden stillen Glücks nicht ausdenken, geschweige denn ausrechnen, die eine jede dieser »8ixpsnes- vovsls« Tausenden und Abertausenden von Lesern gebracht hat. Sie wurden mitgenommen auf den weichen Sand der Küste, wo schäumende Meereswellen ihre feierliche Melodie wie ein Leitmotiv der Dichtung säuseln; sie lassen die Kälte des Winters und den schneidenden Nordwind, der an den Fenstern rüttelt, vergessen, wenn der Leser am traulichen Kamin fitzt und das knisternde Feuer mit seinen roten, zuckenden Zünglein ihm zuzuflüstern scheint: üows, swsst borns . . . Die Engländer sind eine Nation von eifrigen Lesern; sie haben in Jahrhunderten, da die Dichter aller übrigen Völker schwiegen oder doch nur vereinzelt zu Worte kamen, sich die schönsten Lieder und Romane singen lassen, die ihnen — und uns — noch heute mustergiltig erscheinen. Sie haben namentlich im Roman in den letzten fünfzig Jahren den Reichtum nicht allein ihrer eigenen Litteratur, sondern auch in Uebersetzungen der fremden, und nicht zum wenigsten der deutschen, vergrößert. Zweierlei ist's, was man hierzulande in jedem Hause, selbst in der bescheidensten Hütte, findet: Bücher auf dem Sims und frische Blumen auf dem Tisch — Blätter und Blüten. Auf allen Londoner Bahnhöfen befinden sich hölzerne Behälter von beträchtlichem Umfange, die zur Aufnahme von Zeitungen, Zeitschriften und anderm Lesbaren bestimmt sind, das der Reisende dort niederlegt, damit es seinen Weg zu den Krankenbetten der Hospitäler finde. Und aus ihren Gärten in den Vorstädten bringen viele freundlich Gesinnte von dem Ueberflusse ihrer
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