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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.10.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-10-17
- Erscheinungsdatum
- 17.10.1902
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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8388 Nichtamtlicher Teil. 242, 17, Oktober 1902. Noch einige Plaudereien über den Absatz deutscher Bücher und Zeitschristen nach Nord-Amerika, sowie über anderes. Von Ernst Steiger. (Vgl. Nr. 85, 86, 221, 223, 224, 227, 231, 233, 235, 239.) VII. (Schluß.) Von verschiedenen Seiten ist mir seit zwanzig oder dreißig Jahren der gute Rat erteilt worden, zu reisen, worauf ich immer erwidert habe, daß, in Ermangelung eines verläßlichen und arbeitsamen Geschäftsteilhabers, aufmerksame Besorgung des Geschäfts viel wichtiger sei als reisen. Ich habe übrigens auch verhältnismäßig genug gesehen — zehnmal mehr als Millionen andre, abgesehen davon, daß New Dort und die mir erreichbare und daher teilweise besuchte Um gebung in der Entfernung von ungefähr fünfzig Meilen so unendlich viel des Schönen und Interessanten bieten, daß die meisten Deutschländer unsereinen schier beneiden dürfen. Und dann habe ich ein gutes Vorstellungsvermögen und kann mündliche oder schriftliche Beschreibung mir leicht in Wirklichkeit umsetzen. Darum weiß ich auch etwas Beträcht liches von der Welt, die außerhalb meines Gesichtskreises liegt, bin ich doch Buchhändler, der viele illustrierte Bücher unter die Augen bekommt. Und während ich Ferien und Reisen denen gönne, die sich solche Abwechslung erlauben können, bin ich ein Beispiel dafür, daß man auch ohne dergleichen Ausspannung fertig werden, gesund und vergnügt bleiben kann. Dagegen fallen mir Leute ein, die auf ihren Reisen in Europa, in lustiger Gesellschaft, sich z. B. Quantitäten von Ladenhütern haben aufschwätzen lassen, die ihnen in der pro saischen New Docker Wirklichkeit sehr unangenehm geworden sind. Vielleicht wäre mirs auch so ergangen, wenn ich draußen Besuche gemacht hätte. Vorteilhaftere Geschäfte sind schriftlich angetragen und abgeschlossen worden. Thatsache bleibt, daß in meinem Falle Absatz und Vertrieb viel mehr Mühe machen als der Einkauf. Oder — wenn diese Worte auch zum Ueberfluß — will jemand mir sagen, daß ich durch Reisen meinem Geschäfte, das den Lebensunterhalt für mich und meine Familie zu liefern hat, genützt hätte? Im Gegenteil, und wie ein Advokat oder ein Arzt u. s. w. in seiner Abwesenheit nicht seiner Praxis obliegen und Geld verdienen kann, wie seine bisherigen Kunden vielmehr zu einem Konkurrenten gehen, bei dem sie eventuell bleiben, so ist's ungefähr auch bei mir. Ich kenne Leute, die sich den Luxus des Reifens gestattet und darauf viel Geld verwandt haben, das sie jetzt gern zurückhaben möchten, weil sie's brauchen. Was hat ihnen das Reisen genützt? Nichts. Es ist ein eingebildetes mo disches Bedürfnis, ebenso entbehrlich wie Trinken oder Rauchen. Gleich diesen und andern körperlichen Genüssen erregt Reisen meistens den Wunsch nach mehr, und un zufrieden ist wohl mancher, der ihn nicht befriedigen kann. Nicht ein-, sondern mehrmals haben sich Herren bei mir um eine Stelle gemeldet mit der Angabe, daß sie sehr belesen seien und auch »vielgereist«. Das mag anderswo acceptabel sein, nützte mir aber nichts. Und was konnten sie sich dafür kaufen? Nichts. Nicht ein Butterbrot; niemand gab ihnen irgend etwas dafür. Ja, offen gestanden, wenn ich für meine Routineposten einen Gehilfen brauchte und zwischen zwei gleich empfehlenswerten Männern zu wählen hätte, so würde ich denjenigen nicht nehmen, der schon viel von der Welt gesehen hat.^Jch werde dafür keine weitere Erklärung zu geben brauchen. — Auch in Nordamerika mehren sich die weltlichen Feier tage, die das Gute haben, daß sie am Montag gefeiert werden, falls sie auf Sonntag fallen. Der neuste solcher Feiertage ist der »Arbeitstag«, der am ersten Montag im September gefeiert wird. Es fallen also stets zwei Tage zusammen, die ich während der letzten 4 oder 5 Jahre immer zu einer Exkursion benutzt habe. < Seit länger als Jahresfrist hatte ich vorgehabt, auch am diesjährigen »Arbeitstage« irgendwohin zu fahren. Dieser Plan blieb aber unausgeführt. Ich hatte nämlich die Räum lichkeit meines Kontors umbauen lassen, und diese mußte noch angestrichen werden. Der Mann, der diese Arbeiten bisher immer bei mir besorgt hat, erbot sich, mit seinen zwei Söhnen das Anstreichen am Sonntag, 31. August, und Montag, 1. September, * zu machen. Mir gefiel sehr, daß die Drei arbeiten wollten, statt sich am »Arbeitstage« zu vergnügen. Dabei verdiente jeder überdies, da Arbeit außer halb der gewöhnlichen Zeit doppelt bezahlt wird, statt der gewöhnlichen 4 Dollar pro Tag von 8 Arbeitsstunden das Doppelte, also 8 Dollar täglich oder je 16 Dollar für die 2 Tage, d. h. mehr, als die meisten Gehilfen in der Woche erhalten. Ich gönnte ihnen diesen schönen Verdienst, wurde doch dagegen mir und meinen Gehilfen das Unangenehme, wenn nicht Unmögliche erspart, in Gegenwart dieser »Kleckser und Schmierer« zu arbeiten. Natürlich mußten die Leute beaufsichtigt werden. Mein älterer Porter hätte das wohl gethan, wenn ichs gewünscht hätte; ich wollte aber seine und seiner Familie etwaige Pläne nicht kreuzen. Auch mein Sohn bot sich an, bei den An streichern zu bleiben. Um aber auch ihm den Genuß dieser zwei Tage nicht zu schmälern, zog ich vor, selbst Wache zu halten. Ich habe, mit einem ansehnlichen Pensum auf dem Pult, bei dieser Gelegenheit etwas vor mich gebracht und war zufrieden, — meine Freunde höhnen aber, daß ich diese Gelegenheit zu einer kleinen Reise versäumt habe. Das ist Geschmacksache. Es ist mein Leben lang so gewesen, daß ich lieber selbst dies oder jenes gethan habe, statt einen andern dazu zu requirieren. Um aufs Reisen zurückzukommen. An meiner Statt haben meine Frau und Kinder mäßig viel gereist; sie sind auch seit mehr als 30 Jahren fast jeden Sommer außerhalb der Stadt gewesen, in den Bergen oder an der See. In zwischen habe ich selbst nicht über die Hitze lamentiert, son dern still ertragend mich wohl befunden bei dem Bewußt sein, daß mein Fleiß einerseits und meine Bedürfnislosigkeit anderseits ihnen dazu die Mittel geliefert haben.! Leute, die das Arbeiten nicht erfunden haben, äußern sich, daß unsereiner ein Sklave seines Geschäfts sei. Mögen sie immerhin solcher Ansicht sein, während es mir wohl- thuend ist, meiner Pflicht nachzukommen. »Was man gern thut, kommt einem nicht sauer an.« Dagegen sind die Leute, welche so höhnen, Sklaven ihrer Bedürfnisse, beeinflußt von ihrer Indolenz und ihren verkehrten Anschauungen. Ich habe weiter das angenehme Gefühl gehabt, daß ich für andre, sowie für Wohlthätigkeitsanstalten mehr thun konnte als Tausende, welche finanziell besser situiert sind als ich bin — dagegen mehr leibliche Bedürfnisse haben und darum nichts für bedürftige Mitmenschen erübrigen können. Ich sehe alles Arbeiten gern. So freut es mich auch, wenn kleine Jungen oder Mädchen schon früh durch Zeitungs verkaufen ein paar Cents verdienen, und gebe ihnen gewöhn lich einen Cent extra. Mitte August sah ich auch eines Abends beim Heimfahren einen kleinen, kaum sechsjährigen Jungen hinter einem mit Zeitungen belegten Tischchen sitzen, und nachdem ich schon vorbeigegangen war, fiel mir ein, daß die neben ihm sitzende alte, ausgehungert aussehende Frau blind war. Ich ging zurück; zu den zwei Zeitungen,
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