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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.10.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-10-17
- Erscheinungsdatum
- 17.10.1902
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19021017
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^ 242, 17. Oktcber 1902. Nichtamtlicher Teil. 8889 die ich unterm Arm hatte, brauchte ich nicht noch eine dritte, aber ich wurde dankerfüllt, daß meine Angen gut sind, und es drängte mich, der Frau ein Geldstück in die welke Hand zu drücken. Und so habe ich's allabendlich weiter gethan, bis inein Hinausfahren aufhörte. Das war mir wohlthueu- der als ein großer materieller Genuß. Uebrigens wollte mir, nach dein verhältnismäßig ansehnlichen Häufchen Geld auf dem Tischchen zu urteilen, scheinen, als ob auch andre Leute mehr als den gewöhnlichen Preis einer Zeitung gegeben hätten. Das erwähne ich, um daran anknüpfend zu sagen, daß vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren einmal ein Zeitungs händler in St. Louis bei mir über eineu Konkurrenten klagte und die Liste der Vorteile des andern mit dem Satze endete: »Und dazu kommt noch, daß er einen Arm verloren hat.« Thatsache war allerdings, daß John Ranft, der Mann mit nur eiuem Arm — den andern hatte er 1861 unter Ge neral Sigel im Kampf gegen die Konföderierten verloren — seine Rechnungen besser und pünktlicher bezahlte als der andre, der nicht in den Krieg gezogen war und noch beide Arme hatte. »Und die Moral von der Geschichte« Es kommt nicht blos auf gesunde Glieder, auf unbeschädigte Sinnesorgane n. s. w. au, sondern auf Energie, Charakter, auf Bildung. Enthaltsamkeit und dies und jenes weiter. Ich habe Buchhändler gekannt, die der Meinung waren, daß man beim Glase Bier gute Geschäfte machen könne, Buchhändler, seßhafte und fliegende, die angeblich aus Ge schäftsrücksichten Vereinsmeier, Logenbrüder u. dgl. waren. Das erwies sich über kurz oder lang nicht als zweckmäßig, sondern als zweckwidrig. Vermutlich ist's in Deutschland auch so. In solcher Meinung mit andern differierend, betrachte ich es als einen Vorteil, daß ich in meiner Jugend schwächlich war und mit Taschengeld kurz gehalten wurde. Ohne Zweifel hat das zur Folge gehabt, daß mehr aus mir geworden ist, als wenn ich ein starker Junge gewesen wäre und reichlich Taschengeld gehabt hätte. Mag man nun meine Schreiberei »unnützes Geschwätz« nennen oder sonst daran aussetzen, so viel man will — ich bin auf alles gefaßt. Ich lasse mich aber nicht um das Be wußtsein bringen, daß bei einer beträchtlichen Zahl jüngerer Buchhändler meine Worte einen Eindruck hinterlasscn wer den, der bleibender und wertvoller ist als der mancher andern Artikel. Und ob es andern Leuten auch recht widerlich Vorkom men mag, so will ich hier doch das alte Wort anführen: »Erst Geschäft und dann Vergnügen«. Ich bin so glücklich gewesen, immer dementsprechend leben zu können. Es ist mir, meines Erinnerns, nie vorgekommen, daß ich durch irgend ein Vergnügen mich habe abhalten lassen, eine Arbeit zu thun, welche eilig war. Niemals habe ich mich beklagt, daß ich zu viel Arbeit hätte, erinnere ich mich doch, wie unsägliche Mühe und wie viel Geld es mich gekostet hat, Beachtung zu finden und Bestellungen zu erhalten. Es hat eine Zeit gegeben, wo ich einen Nachbar beneidete, weil er bis um 9 Uhr seine Leute an der Arbeit zu halten hatte. Ich bin auch nie vor einer Aufgabe zurückgeschreckt, habe mein Möglichstes gethan, um sie zu lösen. Und wenn's nicht gelang, oder wenn nicht alles nach Wunsch ging, so tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß ich nichts ver säumt hatte. Es giebt ja Leute, die entweder still bei sich denken oder es auch laut aussprechen: »Verwünscht sei diese ewige Plackerei«. Ueber kurz oder lang verliert ein solcher seine Stellung. Da er nichts gespart hat, so steht er vor dein Hungern und sagt dann: »Wenn ich nur etwas zu thun hätte; Börsenblatt >llr den deutschen Buchhandel. 89. Jahrgang. wenn ich nur irgend eine kleine Stelle hätte, um mein Leben machen zu können«. Dergleichen ist mir vorgekommen, und wahrscheinlich dem und jenem andern auch. Wie so manches andre, was auf diesen Seiten steht, so wird in Deutschland und anderswo auch die Erwähnung Mißfallen Hervorrufen, daß bei mir nur vierzig Minuten Mittagspause ist. In andern Geschäften giebt es nur dreißig Minuten, oder gar noch weniger. Bis vor ungefähr zwanzig Jahren gab ich meinen An gestellten eine volle Stunde Mittagszeit. Das war mehr, als sie zum Essen brauchten. Einige blieben zum Zeitver treibe im Speisehause am Tische sitzen und tranken bei leb haftem Gespräch mehr Bier als ihnen gut war. Infolge dessen waren sie nachmittags schläfrig und arbeitsunfähig. Darum änderte ich die Sache. Es ist ja etwas andres mit einem hart sich anstrengenden bezw. im Freien arbeitenden Handwerker — bei solchem ist eine Stunde Pause angebracht, bei einem Buchhändler aber nicht. »Solches Reden kann nur ein Alter vorführen«, höre ich sagen. Allerdings ein Alter. Seit meiner Lehrlingszeit hat sich vieles verändert. Meine fünfjährige Lehrzeit war anders als die jetzige dreijährige. Und wie war es auch mit den Gehilfen anders! Bei Bernhard Hermann wurde Sonntags in der Regel nicht gearbeitet, ich erinnere mich aber, daß bei andern Kommissionären die Gehilfen vormittags häufiger zu arbeiten hatten, z. B. bei K. F. Koehler, was ich mehrere Male so gegen 12 Uhr sah. Es sollte »aufgeräumt« werden, was im Laufe der Woche nicht erledigt worden war. Die meisten der Gehilfen hatten wenig oder nichts zu thun. Herr Franz Koehler aber, mit der Cigarre im Munde, war an seinem langen Stehpulte sehr beschäftigt und hatte die Kommis vor sich unter seinen Augen. Einmal war aus ihrer Mitte die Frage ausgesprochen worden, wann sie gehen könnten. »Wenn der Alte geht«, war Herrn Koehlers Ant wort. Wie anders ist's jetzt! Weniger Arbeitsstunden, höhere Bezahlung, mehr freie Zeit, die nicht in allen Fällen zur Fortbildung benutzt, sondern vou vielen wohl in Bierlokalen verbracht wird — von Ferien gar nicht zu sprechen. Mir sind Fälle bekannt, daß Leute auf diese Weise weniger leistungsfähig wurden; vermutlich gieln's drüben auch solche Beispiele. Kurz, die Gehilfen sparen heutzutage kaum so viel, wie vor fünfzig Jahren durchschnittlich gespart wurde, und bei höhern Regiekosten sind die Aussichten auf erfolg reiche Selbständigkeit geringer, als sie vor Zeiten waren, ganz abgesehen von der großen Konkurrenz, die der Kauflust des Publikums weit voraus ist. Und wie ist's vollends, wenn der junge Mann sich zu früh, d. h. bevor er eine gesicherte Existenz hatte, verheiratet hat! Was ist dann wichtiger: für die Unterhaltung der Familie zu sorgen, von 6 Uhr an nur ihr zu gehören, auch jeden Sonn- und Feiertag ganz — oder für den Unterhalt derselben durch aufmerksame Arbeit auch außerhalb der orts üblichen Stunden, wenn auch hinter verschlossenen Thüren? Will jemand mir sagen und zur Nachahmung empfehlen, daß er besser vorangekommen sei als sein Konkurrent, weil er sein Arbeiten und Sorgen fürs Geschäft lediglich auf die regelmäßigen Stunden an Werktagen beschränkt hat? Das kann natürlich niemand thun. Es giebt unter meinen Bekannten und unter andern Geschäftsleuten so viele, die an ein bequemes Leben gewöhnt sind, daß ich unzählige Male Vorstellungen wegen meines Extraarbeitens zu hören bekommen habe. Diese sind natür lich stets auf einen steinigten Boden gefallen. Soweit ich zurückdenken kann, haben die Sonntage mir zum öfteren Kirchenbesuche, inehr aber zum Spazierengehen, zu Besuchen, zu Vergnügungen und zur kaum nötigeu Er- 1104
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