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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.11.1902
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- 1902-11-05
- Erscheinungsdatum
- 05.11.1902
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- Deutsch
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9020 Nichtamtlicher Teil. /F- 257, 5, November 1SS2. Nichtamtlicher Terl» Zur Geschichte des Mustknokendrucks. Zur Erläuterung der interessante» Ausstellung zur Ge schichte des Mustknotendrucks, die seit etwa drei Wochen ün Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig eröffnet ist und die sich zahlreichen Besuchs erfreut, hielt Herr vr. Max Kuhn im Buchgewcrbehause den nachfolgend wiedergegebenen Vor trag, den wir mit gefällig erteilter Erlaubnis der Zeitschrift »Musikhandel und Musikpflege« Nr. 5 vom 1. November 1902 entnehmen: In jüngster Zeit sind drei wichtige Studien über die Geschichte der Notenschrift und des Notendrucks veröffentlicht worden. In diesen finden sich die Ergebnisse der neuesten Forschungen auf dem genannten Gebiete niedergelegt. H. Rie- mann gab aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Musi kaliendruckerei C. G. Röder seine umfassende Abhandlung »Notenschrift und Notendruck heraus; ihm folgte 1901 der Wiener Forscher vr. Josef Mantuani mit seiner kleineren Arbeit »lieber den Beginn des Notendruckes« und in aller jüngster Zeit (1902) ließ Raphael Molitor in dem Buch »Die Nach-Tridentinische Choral-Reform zu Rom« weitere neue Thatsachen von hervorragendem Interesse ans Licht treten. Hier, wie überall, wo deutsche Wissenschaft ihre Hebel ansetzt, sehen wir die ehrwürdigen Mauern der Ueberlieferung zusammenbrechen, um den besseren Erkenntnissen der Neuzeit freien Raum zu geben. Für eine Ausstellung »Zur Geschichte des Musiknoten drucks« war es selbstverständlich, daß wir die in den oben genannten Werken niedergelegten neuen Thatsachen vor Augen zu führen suchten. Für das Gebiet »Notenschrift« mußten wir uns hauptsächlich an die vorzüglichen Faksimiles aus dem französischen Werk »ksleograpbis wasiesis« (Loleswes, Iwpriwerie 8siot-?ierrs 1889) und an diejenigen aus dem englischen Werk »lös wusiosl dintrckion ot lös kckiäckle-^gss« (London 1890) halten. Doch konnte schon für diese, dem Notendruck vorausgehende Periode eine Anzahl ganz außer ordentlich wertvoller Manuskripte beschafft werden. Das gleiche war für diejenige Uebergangszeit möglich, in welcher nach Erfindung des Buchdrucks, aber vor Erfindung des Notendrucks in gedruckten Meßbüchern z. B. der Raum für den Notenteil freigelassen und kalligraphisch nachträglich aus gefüllt wurde. Diesen Ausweg begingen manche Druckereien noch einige Jahrzehnte später, nachdem der Notendruck erfunden war; sie fügten allenfalls die roten Notenlinien gedruckt hinzu, überließen aber einem Schreiber das Nachtragen der Noten. Wir dürfen diese letztere typographisch-kalligraphische Zwitter erscheinung nicht etwa als eine den Musiknotendruck vor bereitende Vorstufe ansehen, sondern als einen aus den besonderen Verhältnissen der betreffenden Druckereien hervor gegangenen Notbehelf. Als Beispiele liegen unter anderm zwei Psalterien aus der Druckerei Melchior Lotters zu Leipzig vom Jahre 1512 und 1518 aus, welche beweisen, daß da mals der Musiknotendruck in Leipzig im ganzen Gegensatz zu heute recht sehr der allgemeinen Entwicklung nachhinkte. Der Notendruck hängt aufs engste zusammen mit der Notenschrift. Deshalb sei zunächst in kürzester Form ein Bild von der Entwicklung der Notenschrift gegeben. Als älteste Notierung ist die griechische Buchstaben-Ton- schrift anzusehen: die Töne wurden durch Buchstaben des Alphabets, die über die dazu gehörigen Textworte geschrieben wurden, bezeichnet. Im 8. Jahrhundert n. Ehr. G. tritt uns, wie bisher nachgewiesen, zum erstenmal eine andere Notierungsart entgegen: die Neumen. Sie bestand aus winzig kleinen Häkchen, Strichen, Punkten, die mit stenogra phischen Zeichen zu vergleichen sind und die bis jetzt noch nicht entziffert werden konnten. Allmählich entwickelten sich daraus zwei typische Formen: die römische und die gotische Choralnote. Die relative Höhe der einzelnen Töne wurde durch Hinzufügung einer in das Pergament geritzten Linie, später durch drei, vier und zuletzt (bis auf den heutigen Tag) durch fünf Linien fixiert. Fast gleichzeitig gelang es auch, die verschiedene Zeitdauer der Töne dadurch zu bestimmen, daß man den Notenköpfen eine verschiedene Gestalt gab. Diese sogenannte Mensuralnotenschrift verfügte, ebenso wie die römische und gotische Choralnotenschrift, lange vor der Erfindung der Buchdruckerkunst über vollkommen klare, typische Formen, die von den Schreibkünstlern des Mittel alters mit derselben erstaunlichen Regelmäßigkeit in die schönen Pergamcutbände geschrieben wurden, wie wir sie an der da maligen Buchstabenschrift bewundern: »wie gedruckt«. Das ist wichtig, wie wir sogleich sehen werden. Als die Buchdruckerkunst die Kulturwelt eroberte, konnte es nicht ausbleiben, daß sich in kurzer Zeit die Tonsprache mit ihren ganz ähnlichen Verhältnissen der Erfindung be mächtigte. Dort Buchstabe und Buchstabentype, hier Note und — Notentype! Ueber die Art, wie sich nun die Er findung der Notentype vollzog, herrschen zwei Meinungen. Riemann sagt: »Ich bin ganz und garnicht der Ansicht, daß die ersten Versuche durchaus mangelhaft gewesen sein müssen.« Mantuani dagegen macht »das allgemein giltige Entwick lungsgesetz der menschlichen Erfindungen und des kulturellen Fortschritts« geltend und glaubt, »nicht nach fertigen Noten sätzen im Typendoppeldruck fürderhin suchen zu müssen, son dern nach früheren, vorbereitenden Stadien«. Diese vor bereitenden Stadien sucht und findet er in dem frühesten bisher bekannt gewordenen Vorkommnis gedruckter Noten: in dem »Oollsotoriuw super NagoilloÄt« von Jean Charlier de Gerson, gedruckt im Jahre 1473 von Konrad Fyner in Eßlingen. In diesem umfangreichen Buch findet sich an einer einzigen Stelle ein Notenbeispiel, welches durch fünf quadratische schwarze Notenköpfe (») dargestellt wird. Man tuani hat nach sorgfältiger Vergleichung mehrerer Exemplare dieses Werks festgestellt, daß wir in diesen fünf Quadraten Typendrucke, also beispielsweise keinen Holzschnitt vor uns haben. Er kommt zu dem Schluß, der Drucker habe zur Herstellung der fünf Noten einfach Gevierte oder blockierte Versalien benutzt. Und darin erblickt er die »unvollkommene Vorstufe« des Musiknotendrucks. Nach unsrer Ansicht aber steht der Fynersche Druck ganz außerhalb der Entwicklung des Musiknotendrucks. Er ist, soweit es die bewußten fünf Noten anlangt, nichts mehr als ein typographischer Notbehelf; jedenfalls ist keine Rede davon, daß Fyner die Erzeugung bestimmter »Notentypen« angestrebt habe. Wie Mantuani selbst annimmt, verwendete er einfach Buchdrucktypen, indem er sie blockierte, zum Druck von notenartigen, schwarzen Quadraten. Für den bestimmten Anlaß half sich Konrad Fyner in der That damit völlig zureichend, aber doch nicht so, daß man jetzt aus seiner Not eine Tugend — etwa die Erfindung der ersten Notentypen — machen kann. Wie wir schon hervorhoben, lagen für die Mustknoten, genau so wie für die Buchstaben, schon lange vor Erfindung der Buchdruckerkunst regelmäßige, schöne Typen — vorläufig aber nur kalligraphisch — vor. War nun einmal im Buch druck durch Gutenberg das Problem gelöst (und man weiß, wie schön die ersten Gutenberg-Typen geschnitten sind), so brauchen wir nicht zu erstaunen, wenn sich auch die ersten wirklichen Notendrücke sogleich durch fertige, zielsichere Form auszeichnen. Unsre Ausstellung ist nun in der glücklichen Lage, dies zum ersten Male anschaulich machen zu können.
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