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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.11.1902
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- 1902-11-05
- Erscheinungsdatum
- 05.11.1902
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- Deutsch
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257, 5. November 1902. Nichtamtlicher Teil. 9021 Raphael Molitor hat in Florenz einen Notendruck ent deckt, den wir bis heute als den ersten wirklichen Notendruck, in welchem Verfahren es auch sei, ausehen müssen. Ein Deutscher, Ulrich Hau (Uck-cki-ious Usllue) aus Ingolstadt hat im Jahre 1476 zu Rom diesen ersten Musiknotendruck in einem »lllis8alk kowsnnw« hervoigebracht. Durch Ver mittlung des Deutschen Kunsthistorischen Instituts zu Florenz gelangten wir in den Besitz zweier Photographien von zwei Seiten dieses Werkes, welche wir an Stelle des in der lliblio- tsoa Uarioosls zu Florenz befindlichen Originals zur Aus stellung brachten. Ulrich Hans Noten sind römische Choralnoten von mittlerer Größe, die mit dem Text zugleich gedruckt und darauf mit roten Linien llberdruckt worden sind: also ein Typcndoppeldruck. Ihre Form ist gefällig und klar und ent spricht den gleichzeitig bräuchlichen kalligraphischen Noten formen völlig. Von einem unsicheren, tastenden Versuch ist keine Rede, so daß dieser neueutdeckte Druck einen starken Beweis für die Richtigkeit der oben citicrten Meinung Rie- manns, »daß die ersten Versuche durchaus nicht mangelhaft gewesen sein müßten«, darstellt. Die nächstspäteren, zum Teil von Riemann zum ersten Male genannten Drucke mit römischen Choralnoten, z. B. das »Illinois 8sorwäuw oräioem krstruw prasäieatoruin«, gedruckt von Octavianus Sectus zu Venedig 1482, ferner eine lange Reihe Druckwerke mit gotischen Choralnoten von dem frühesten »llli88sls llerbipolenes« an, das Jörg Reyser 1481 zu Würzburg druckte, sind im Original in unsrer Ausstellung zu sehen. Die Vereinigung einer verhältnismäßig so großen Anzahl seltener, wertvoller Originale wurde uns, abgesehen von dem reichen Bestände, den die Königlich Sächsische Biblio graphische Sammlung im Buchgewerbehause selbst aufweist, nur durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Biblio theksverwaltungen zu Berlin, Magdeburg, Leipzig, Würzburg und München möglich. Um so bedauerlicher ist es, daß die Direktion der gerade an Musikdrucken so reichen Stadtbiblio thek zu Leipzig die erbetene Beteiligung versagt hat. Molitor hat uns in Ulrich Han mit dem ersten Drucker römischer Choralnoten, Riemann in Jörg Reyser mit dem ersten Drucker gotischer Choralnoten bekannt gemacht. Für den Druck mit beweglichen Typen in Mensural-Notation galt bis heute der Italiener Ottaviano Petrucci als erster. Riemann selbst sagt noch: »Es bleibt Petrucci nach wie vor das unbestreitbare Verdienst, zuerst in größerem Maßstabe den Druck von Mensural-Musik in Angriff ge nommen zu haben«. Es war ein persönliches Mißgeschick, daß dem so außer ordentlich gründlichen Forscher bei seinen Vorarbeiten für die Rödersche Festschrift ein Werk entging, das sich in der König lich Sächsischen Bibliographischen Sammlung im Buchgewerbe hause zusammen mit andern von Riemann in seiner Arbeit benutzten alten Drucken befindet. Die Grammatica des Franciscus Niger, gedruckt zu Venedig 1480 in der Offizin des Johannes Lucilius Sandritter aus Heilbronn und des Theodorus von Würzburg, enthält die ersten ge druckten Mensuralnolen in größerer Anzahl auf sechs Noten beispiele verteilt. Sehr richtig sagt Mantuaui, daß wir in diesem Falle »ein nach allen Seiten hin durchdachtes und erwogenes Druckerkunststück« vor uns haben. Merkwürdiger weise fehlen aber diesen Noten die Linien. Mantuani hat wiederum durch genaueste Messungen festgestellt, daß man über die sechs Notenbeispiele ein und dasselbe Notensystem von fünf Linien legen kann und dabei erkennt, daß »selbst die Punkte bei punktierten Noten mit Vorbedacht konsequent so gesetzt sind, daß sie bei Noten, welche auf Linien stehen, etwas tiefer liegen, um mit der Linie nicht in Kollision zu kommen«. Also: der Satz der Noten war berechnet für ein fünfliniges System, das darüber gedruckt werden sollte, was Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 68. Jahrgang. aber aus uns unbekannten Gründen unterblieben ist. Wenn wir bedenken, daß der Notendoppeldruck in der Regel so erfolgte, daß zuerst die Noten mit dem Text zugleich schwarz gedruckt und sodann die Linien rot darüber gedruckt wurden — man kann sich hiervon bei den meisten ausgestellten ältesten Noten- doppcldrucken überzeugen, wo deutlich zu sehen ist, wie die rote Linie über die schwarzen Notenköpfe weggeht —wenn wir ferner das schon erwähnte genaue Passen der Noten auf ein nachträglich darüber gelegtes Notensystem bedenken, so können wir nicht umhin, diesen ersten Mensuralnotendruck gleichfalls als einen Typendoppeldruck — freilich als einen unvollendeten — anzusehen. Die Form der Noten in der Grammatik des Niger ent spricht vollkommen den gleichzeitigen kalligraphischen Formen der Mensuralmusik. Würden die Linien nicht fehlen, so hätten wir einen Druck von großer Vollkommenheit vor uns. Auf die Menge der Noten kommt es wohl nicht an, wenn nur die vorhandenen den Beweis erbringen, daß der Drucker kunstgerecht Musiknotentypeu hergestellt hat. Das »unbestreit bare« Verdienst Petruccis schrumpft also schließlich auf nichts weiter zusammen, als daß er der erste war, der ganze Aus gaben von praktischer Musik gedruckt hat. Die bewunderns werte Ausführung der Drucke Petruccis kann, da sie 21 Jahre nach dem ausgezeichneten Mensuralnotendruck von Sandritter und Theodorus erfolgte, kein weiteres Verdienst beanspruchen und findet in dem Mensuralnotendruck Peter Schössers vom Jahre 1512 eine ebenbürtige Leistung, wobei der Zeitunter schied von elf Jahren zwischen diesen beiden Drucken nicht so erheblich ins Gewicht fällt. So hat also die neuere Forschung auch für den Mensural notendruck bis auf weiteres in zwei Deutschen die Erfinder festgestellt und die bisherige übertriebene Bedeutung Pe truccis, der noch in den meisten Werken über Geschichte der Musik mit der Gloriole eines Erfinders des Notendrucks schlechthin umgeben wird, auf das ihr zukommende bescheidene Maß zurückgeführt. Wir sahen uns genötigt, auf den Teil der Ausstellung, der diese interessanten Druckwerke vereinigt, wegen der ihm innewohnenden Bedeutung näher einzugehen. Das übrige können wir kürzer besprechen, wobei wir demjenigen, der sich etwas eingehender und doch schnell und sicher orien tieren will, die Riemannsche Abhandlung zum Pcivatstudium empfehlen. Die weitere Entwickelung des Musiknotendrucks, einer seits des Typen- und anderseits des Plattendrucks mit Holz, Metall und Stein, ferner die besondere Form der Tabulaturen für Orgel, Laute u. s. w. wird aus zahlreichen Originaldrucken ersichtlich. Wir erwähnen unter den aus gestellten Werken: das erste lutherische Gesangbuch, 1523, einen Holztafeldruck; das evangelische Gesangbuch von 15t4; das Walter'sche Gesangbuch von 1551; die ersten »einfachen Typeudrucke« mit den sogenannten »Haultin'schen Typen«, bei denen die Note mit dem Liniensystem zusammen eine Type bildet; die ersten Drucke Breitkopfs mit seinen in kleinste Noten- und Linienteile aufgelösten Typen und endlich die ersten Lithographien Senefelders, die gleichzeitig Notendrucks waren, lieber die Vorgänger Breitkopfs, die also vor diesem bereits mit den Teiltypen druckten, hat Mantuani neuerdings wertvolles Material gesammelt, das später noch nachträglich ausgestellt werden soll*) Darnach steht es mit Breitkopf ähnlich wie mit Petrucci: er darf in Zukunft nicht mehr als Erfinder, sondern nur noch als Anwender im großen Stil angesehen werden. Zum Schluß erwähnen wir, daß die *) Während des Drucks dieses Artikels trafen soeben aus der k. k. Hosbibliothek zu Wien die betreffenden Werke ein, die sofort der Ausstellung eingefügt wurden. 1188
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