Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.11.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-11-01
- Erscheinungsdatum
- 01.11.1902
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19021101
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190211018
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19021101
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-01
- Monat1902-11
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 254, 1. November 1902. Nichtamtlicher Teil. 8867 Wiener Brief. ii. *) (-Die Zeit-. — Novellensammlungen. — Volksbildungs bestrebungen.) Die promenierende, plaudernde Menge, die sich langsam durch die Kärnthnerstraße in der Richtung zur Hofoper be wegt, staut sich vor einem auffallenden und sehr effektvoll beleuchteten Portal. Der Eingang zum »Depeschensaal der Zeit« ist schmal, und in den ersten Tagen nach Eröffnung dieser neuen Wiener Sehenswürdigkeit wurde der Einlaß nur partienweise gestattet, um die drohende lleberfiillung der Räume hintanzuhalten. Nun ist die erste Neugierde gestillt und der Besuch wohl lebhaft, doch nicht mehr stürmisch. Sieht man davon ab, daß der Raum im Erdgeschoß sehr schmal ist — ein Uebelstand, der durch die sehr hohe Miete in diesem innersten Stadtteil bedingt ist —, und hält man es überhaupt für eine Sache der Kultur, daß das Publikum noch in den Abendstunden Kenntnis erhalte von den nach fünf Uhr nachmittags eingetroffenen, oft ziemlich gleichgiltigen Drahtnachrichten, so wird man zugeben müssen, daß die Lliss SN scdns gelungen ist. Vor allem überrascht die prak tische Verwendung von Aluminium und Glas und erregt die vornehme Einfachheit des nach den Plänen des Ober baurats Otto Wagner ausgestatteten Saales im ersten Stock gerechte Befriedigung. Im Erdgeschoß sind in den Schau fenstern die neuesten Depeschen ausgehängt, während im Saale selbst Aktualitäten vom Tage: Photographien von Ministern, jubilierenden Dichtern, Schauspielern, Lawn- Tennis-Siegern, Defraudanten re. in bunter Reihe zu sehen sind. Eine Treppe führt in den behaglichen, mit reizenden Möbeln versehenen Saal im ersten Stock, der an den Wänden eine Kunstausstellung im kleinen bietet. Selbstverständlich wird diese periodisch erneuert, und sie soll namentlich auch dem modernen Streben im Kunstgewerbe Rechnung tragen. Die erste Ausstellung brachte u. a. die Originale der treff lichen Illustrationen aus Gerlachs künstlerischen Jugend büchern, ferner Leflers Monatsbilder für einen Märchen kalender und zahlreiche andre dekorative Blätter, die das Können von Jung-Wien auf dem Gebiet des Buchschmucks im besten Licht zeigten. — Von dem neuen Wiener Tagblatt »Die Zeit«, die durch den oben besprochenen Depeschensaal den Wienern eine Einrichtung geboten hat, wie sie in andern Hauptstädten längst besteht, war in diesem Blatt bereits die Rede Es sei hier wiederholt, daß die Herausgeber der Wochenschrift »Die Zeit«, die Herren Professor vr. Singer und vr. Kanner, im Verein mit einen Konsortium von Finanzmännern, das ein Betriebskapital von zwei Millionen Kronen zur Verfügung stellte, das Tagblatt ins Leben riefen; von den leitenden Persönlichkeiten des Blatts dürfte im Reiche Professor vr. v. Philippovich am besten bekannt sein. Die Zeit er scheint zweimal täglich, als Morgenblatt und Abendblatt; elfteres umfaßt in der Regel sechzehn, letzteres vier bis acht Seiten. Dem Hauptblatt liegen auf satiniertem Papier gedruckte und meist mit Illustrationen versehene Extrabeilagen bei: die Sonntags-Zeit, die Frauen-Zeit, die Sport-Zeit rc. rc. Einige Mitteilungen über die technische Herstellung dürsten für unsre Fachkreise von Interesse sein. D n Satz besorgen in der Hauptsache — abgesehen von dem Satz der Inserate — zehn Stück für Duplexsatz ein gerichtete Linotypes; der Druck wird von drei Rotations maschinen, von der Firma König L Bauer in Würzburg geliefert, besorgt. Zwei derselben sind Zwillings-Rotations- maschinen, die dritte ist eine Jllustrations-Rotationsmaschine, ft Vergl. Wiener Brief I von demselben Verfasser im Börsen blatt Nr. 157 vom 10. Juli 1902. die für den Druck der oben erwähnten Beilagen bestimmt ist. Diese letztere Maschine, die in der Stunde 5000 Exemplare eines sechzehnseitigen Blatts im Format von 26 zu 35 om liefert, ist auch dazu eingerichtet, die Beilagen mit Draht zu heften; bei Ausschaltung des Heftapparats kann die Schnelligkeit der Maschine auf 7000 Exemplare gesteigert werden. Die Maschine wird mit einem Elektromotor zu sieben Pferdekräften betrieben. — Die technische Leistungs fähigkeit der Druckerei wurde, wie es heißt, iu den ersten Tagen auf eine harte Probe gestellt, indem die Aufträge — auf Gratisnummern! — in weit stärkerm Maße als erwartet einliefen: es sollen in den ersten Tagen Auflagen von ca. 80 000 Exemplaren hergestellt worden sein. Im Format und in der Gruppierung der Artikel lehnt sich die »Zeit« an die Frankfurter Zeitung an, ohne diese sklavisch zu kopieren. Darum wird es auch viele geben, die sich an das große Format, an die vierfache Spaltung der Seite und an die für Wien neue Einteilung des Stoffs — Kleines Feuilleton mit kurzen Notizen, Theaterberichte unter dem Strich, mehrere, jedoch kurze politische »Leiter« u. s. w. — schwer gewöhnen werden. Der Redaktionsstab der »Zeit« umfaßt eine große Zahl zum Teil hervorragender Schrift steller und Journalisten, und ein Heer von Korrespondenten ist für den Nachrichtendienst da. Die politischen Artikel mit dem Namen der Verfasser unterfertigen zu lassen, ist be kanntlich bei den deutschen und österreichischen Blättern nicht Sitte; für den litterarischen und volkswirtschaftlichen Teil sind anerkannte Federn — ich nenne aus dem bisher Er schienenen nur: Burckhard, Muther, Jentsch, Philippovich — thätig. Für die Romanbeilage ist in Zolas »Wahrheit« ein zugkräftiger Artikel gewonnen worden. Ob es vorteilhaft war, einen alten Kürnbergerschen Roman zum Wiederabdruck zu bringen, ob es nötig war, zu amerikanischen Trics zu greifen — wie z. B. die Entsendung eines weiblichen Reporters im Arbeitskittel zu einem kleinen Fabrikanten, auf den im Verlaufe einer Gerichtsverhandlung der Verdacht gefallen war, seine Arbeiterinnen auszubeuten —, das mögen die Männer vom Bau beurteilen. Jedenfalls gewinnt das zeitunglesende Publikum durch das neue Blatt und durch die Bemühungen der Konkurrenten, im Wettkampf zu bestehen * * * Die bestehenden Kollektionen billiger Romane und No vellen erhalten, offenbar mit Hinsicht auf die erwartete Frei- gebung der Kolportage, periodisch neuen Zuwachs. Von Zeit zu Zeit taucht eine neue Sammlung auf, die den x>. t. Abonnenten und Käufern — meist ist es auf den Einzel verkauf abgesehen — für wenige Heller eine vollständige Erzählung liefert. In vielen Fällen wird einfach der eiserne Bestand der Novellenlitteratur zum Wiederabdruck gebracht; besonders beliebt ist Tolstoi. Nebenbei bemerkt, erfordern wenige Dinge auf der Welt so viel Vorsicht von Seiten des Publikums, wie der Ankauf eines Bandes von Tolstoi, Maupassant oder Zola. Der Titel der Erzählung mag einem noch so fremd Vorkommen, der Umschlag mag noch so ver führerisch modern anmuten, — in der Regel feiert man nach der Lektüre von ein paar Seiten ein rührendes Wiedersehen mit einer Erzählung, die man vor vielen Jahren unter einem ganz andern Titel gelesen hat. Von Seiten des Buch handels sollten allerdings Manipulationen, die das kaufende Publikum mißtrauisch machen, vermieden werden. Darum sei hier auf eine Unsitte aufmerksam gemacht, bevor sie etwa zur allgemeinen Sitte werde. Da kam mir vor einiger Zeit wieder eine neue Kollektion zu Gesicht, erster Band natürlich erprobter Tolstoi, eine bereits oftmals publizierte Novelle. Vernünftigerweise war als Titel der jenige gewählt, unter dem die Novelle seinerzeit allgemein bekannt wurde. Der Druck war deutlich, das Papier schlecht 1168*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder