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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-07-28
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1903
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- Deutsch
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- Saxonica
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5816 Nichtamtlicher Teil. ^ 172, 28. Juli 1903. allen Zweifel erhaben ist, und die leider durch die üppig wuchernde Tendcnzliteratur in einer Zeit, die den Wert der Geschmacksbildung der Jugend nur gar zu sehr unterschätzte, in den Hintergrund gedrängt war. Die intensive Beschäf tigung mit deutschen Sagen, Märchen, Schwänken und Liedern ist für die Erziehung der Jugend von außerordentlich viel größerm Werte, als das Durchschmökern tendenziöser Machwerke der Brotschreiber, die auf literarische Bedeutung keinen Anspruch machen können und die nur gar zu sehr zur Verwilderung des Geschmacks im deutschen Volke beige tragen haben. Das Kind empfindet, wenn auch unbewußt, sehr wohl die poetischen Schönheiten der literarischen Schätze unserer Volkspoesie, sie prägen sich dem Herzen und Gemüt ein und wirken in jeder Beziehung segenbringend fort. Ein Kind, das damit auferzogen ist, wird im reifen Alter keinen Geschmack finden am Gassenhauer und an der Hintertreppen literatur. Seine Kritik wird, wenn es der Geschichte später unbefangen und selbst urteilend gegenüber steht, nicht heraus gefordert werden, wenn es die Tatsachen mit den schönfärbe- rischen Produkten der Tendenzliteratur nicht vergleichen muß, es wird unsere großen Herrscher als große Deutsche ehren und über deren Schwächen, als menschlich, entschuldigend hinweg sehen, es wird den Lehren der verneinenden Elemente im deutschen Volke, die geflissentlich die Kehrseiten im Leben der Dynastien hervorheben, nicht so empfänglich gegenüber stehen, wenn es sich nicht durch eine Tendenzliteratnr irre geführt wähnt. Es werden auf diese Weise keine byzantini schen Kriecher, wohl aber freie deutsche Männer erzogen werden, die stolz sind auf ihr Volk und in ihren Fürsten freudig dessen Führer und berufene Vertreter, nicht aber in Knechtssinn nur die Herren ehren. Nun ist zwar die von mir vertretene Jugend literatur niemals ganz aus dem Büchermarkt verschwunden; aber in welcher Form und Ausstattung und mit welchen Bildern ist sie unfern Kindern seit den Tagen des großen Ludwig Richter geboten worden, einige wenige rühmliche Ausnahmen abgerechnet! Was wissen die Herren, die den Aufruf unterzeichnet haben, zur Entschuldigung der »Farbendrucke« zu sagen, die fast auf jedem Titelblatt verzeichnet und fast in jedem Buche vorhanden sind? Er heben sie etwa den Änspruch, daß diese Bilder irgend welche künstlerische Bedeutung haben? oder dienen sie auch zur Stärkung der Liebe zu Thron und Altar? Wie wollen sie es entschuldigen, daß sie in dieser Beziehung gerade das Schlechteste gut genug für unsere Kinder hielten, daß die Verleger solcher Minderware den Kunstgeschmack des deutschen Volkes so verdorben haben, daß Jahrzehnte dazu gehören werden, das verlorene Terrain für die echte Kunst im Volke wieder zurückzugewinnen? Doch nun zu den Jugendschriften - Ausschüssen selbst. Weshalb bekämpft man diese denn so? Weil sie unkünst lerisch nennen, was niemand als Kunst zu vertreten wagen wird? Weil sie fordern, daß das künstlerische und lite rarische Empfinden unsrer Jugend durch geeignete Bilder und Bücher erzogen werde? Weil sie behaupten, daß die Liebe zum Vaterlande auch durch künstlerisch vollwertige und nicht nur durch unkünstlerische Tendenzliteratur gefördert werde, die zudem die erwarteten guten Folgen kaum hat, wohl aber in Gestalt der Geschmacksverwirrung sehr üble? Oder geschieht es nicht viel mehr, weil die Herren sich sträuben, mit den Forderungen der Zeit fort zuschreiten und sich zu bemühen, das Gute, das nicht mit einem Mal neu aus der Erde gestampft werden kann, auf zusuchen im Schatze der Weltliteratur, und vor allem der deutschen Literatur der letzten Jahrhunderte? Zahllose Bände könnte man füllen mit literarisch wertvollen Er zählungen, die zwar zunächst nicht für die Jugend geschrieben, wohl aber für die Jugend geeignet sind. Bekämpft man nicht die Prüfungsausschüsse hauptsächlich deshalb, weil man fürchtet, daß Verlagsrechts, die jahrzehntelang die melkende Kuh gewesen sind, jetzt wertlos werden? Nein, meine Herren, da dürfen keine sentimentalen Empfindungen aus schlaggebend sein, die Ungeeignetes schützen wollen, damit nicht etwa einige Verleger Schaden leideu; das Wohl des deutschen Volkes, seine Erziehung zu künstlerischem Genießen und Empfinden steht höher, und es wird ein Ruhmesblatt in der Geschichte des so viel verlästerten Lehrerstandes sein, daß er diesen Schaden aufgedeckt und zu seiner Heilung Hand angelegt hat. Man könnte diese Befehdung begreifen, wenn mau den Prüfungsausschüssen vorwerfen könnte, sie wollten nur ab brechen, zeigten sich aber unfähig aufzubauen. Aber dem können diese begegnen, indem sie auf ihre praktische Arbeit Hinweisen. Wohl mag unter den Büchern, die die Aus schüsse empfehlen, auch manches sein, das eine Empfehlung weniger verdient — »es irrt der Mensch, so lang' er strebt« —; der weitaus größte Teil der empfohlenen Bücher gehört aber zweifellos zum Besten, was wir unserer Jugend in die Hand geben können, und es sind darunter Bücher genug, aus denen unsre Kinder auch die Liebe zum Vaterland lernen können. Die Prüfungs ausschüsse gingen aber noch weiter und boten selbst die Hand zur Veröffentlichung guter Jugendschriften, wie sie solche verstehen. Es ziemt mir nicht, an dieser Stelle speziell namhaft zu machen, was im eignen Verlage in dieser Richtung geschehen ist, man könnte dies mißdeuten; aber die Namen Peter Hebel, Julius Storm, Detlef von Liliencron, Speckter usw., die die Ausschüsse auf ihr Panier geschrieben haben, sind wohl geeignet, als Führer auf dem eingeschlagenen Wege zu dienen, niemand wird ihnen die künstlerische Be deutung absprechen oder behaupten, daß nicht auch durch die Lektüre dieser Bücher die Liebe zu deutschem Land und deutscher Art gefördert werde; aber sie tun noch mehr, sie fördern auch die Liebe zur deutschen Kunst. — Damit man mir nicht vorwerfe, ich lobe kritiklos alles, was durch die Ausschüsse geschaffen und empfohlen wird, will ich nicht verhehlen, daß ich dem, von manchen Seiten in die Höhe gelobten Fitzebutze von Dehmel und Kreidolf selbst keinen Geschmack abgewinnen kann und ihn beinahe für schädlich halte. Dies nur deshalb, damit man mich nicht für vorein genommen halte. Allen denen, die sich durch die Tätigkeit der Aus schüsse geschädigt fühlen, gebe ich, auch im Interesse unsrer Jugend, den Rat, den sie vielleicht stolz verschmähen, sich in Zukunft bei neuen Jugendschriftenveröffentlichungen nicht nur zu stagen: »ist die Tendenz des Buches eine gute?« sondern auch: »hat dieses Buch auch irgend welchen künstle rischen Wert?« Dann werden die jetzigen Tadler alsbald die eifrigsten Lobredner werden, und man wird keine Ursache haben, sich fernerhin über sie zu beschweren. Willibald Franke i/Fa. Fischer L Franke. III. Mit großer Freude habe ich von der unter obiger Über schrift veröffentlichten Erklärung einer Anzahl von Jugend- schriften-Verlegern im Börsenblatt Nr. 164 vom 18. d. M. Kenntnis genommen. Zu bedauern ist dabei nur, daß manche Verleger darunter fehlen. Wir haben von Hamburg aus rechtzeitig und oft auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die die Tätigkeit der Jugendschriften-Ausschüsse aus Volks schullehrerkreisen im Gefolge haben könnte und müßte. Ich halte in der Tat seit Jahren deutsche Art und deutschen Glauben, oder, wie es in der Erklärung der Jugendschriften-
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