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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-05-19
- Erscheinungsdatum
- 19.05.1903
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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^ 114, 19. Mm 1903. Nichtamtlicher Teil. 3997 Opfern erschienen zur ihrer eignen maßlosen Verwunderung in Person auf der Bühne, oft in so vorzüglich getroffner Maske, daß das Original, das sich so unerwartet in voller Verkörperung auf der Bühne sah, an vierte Dimension oder Geisterspuk glauben konnte. Natürlich fehlte es diesen ungenehmigten Nachbildungen nicht an fröhlichem Eingreifen in die bewegt voranschreitende Handlung, nicht an muntern Bemerkungen mit wohlgezielten, die lauterste Schadenfreude mit schallendem Lachen auslösenden Anspielungen. Im Himmelsgewölk treten Goethe, Schiller, Lessing und Gellert (vorzüglich getroffne Masken) im »Klub der srei- gewordenen Autoren« zusammen. Dem vornehmen Kreise naht sich ein ländlich gekleideter Engel, Fritz Reuter, und bittet um Aufnahme in den Klub. Aber er selbst ist vom öden Nektargenuß gedächtnisschwach geworden; er weiß sein Todesdatum nicht mehr, und auch die andern wissen sich keinen Rat, da ihnen das Börsenblatt entzogen ist, aus dem sie bisher ihre Kenntnis von Begebnissen der irdischen Lite ratur geschöpft haben. Auf Gellerts Rat wird Gutenberg herangerusen und erscheint alsbald. (Kopf und Haltung sind dem bekannten Gutenbergmonument Adolf Lehnerts, das in der Ehrenhalle des Buchgewerbehauses steht, ge treu nachgebildet. Natürlich ungemessene Heiterkeit; kennt doch Jeder das lebende Original dieses Charakterkopfs.) Er erhält den Auftrag, nach Leipzig hinab zu fliegen, um dem Börsenvereins-Vorstand sein Unrecht vorzuhalten und das Börsenblatt wieder mit heraufzubringen. Das ist hier knapp und nüchtern erzählt. Ein an näherndes Bild kann die Beschreibung nicht geben. Gerade dieser erste Akt ist ein Meisterstück dramatischen Aufbaus, das gesehen, erlebt werden muß. Unaufhaltsam fließt das lustige Geplauder, ein zündender Witz jagt den andern. Lachenden Mundes läßt der Zuschauer alle diese fröhlichen Anzüglichkeiten an sich vorüberziehen. Er atmet förmlich er leichtert auf, wenn die Pause ihm ein kurzes Ausruhcn vom Lachen gestattet. Der zweite Akt läßt den Zuschauer einen Blick in das Kantatetreiben der Buchhändler werfen. Es ist Kantate- Sonnabend, Begrüßungsabend im Buchhändlerhaus, und hier ist es, wo eine Fülle von Portraits aus der Buchhändler welt das Bühnenbild belebt. Berliner, Hamburger, Heidel berger, Leipziger stellen sich ein, alle unverkennbar in ihren markanten Persönlichkeiten gebildet: auch der Allgewaltige des Börsenvereins erscheint mit großem Gefolge und thront zur Audienz. Er hat gerade seine schwache Stunde. So haben denn in Ketten ihm vorgeführte Schleuderer es glück lich getroffen, und auch Gutenberg, der mit seinem Anliegen erscheint, findet gnädige Aufnahme und Bewilligung. Er entfernt sich befriedigt, um zunächst noch die Genüsse der Pleißestadt zu kosten, dann aber mit dem glücklich erstrittnen Börsenblatt die irdische Welt zu verlassen. Kaum ist er fort, so erwacht die Energie, das Blättchen wendet sich, die Schleuderer empfangen ihren Lohn, die Börsenblatt-Freigabe wird widerrufen. Nun beginnt nach der lustigen Melodie des »kleinen Cohn« eiu groteskes Jagen und Suchen nach dem verschwundenen Gutenberg, das den Akt zu einem un- gemein lebendigen Abschluß bringt. Erst im dritten Akt wird der Gesuchte gefunden, und zwar in der Hölle. Petrus hat ihm das Himmelstor nicht wieder geöffnet. Himmelsbewohner, die einen Ausflug zur Leipziger Buchhändlermesse gemacht haben, dürfen nicht ohne weitres wieder in die himmlische Reinheit zurück; sie müssen zunächst eine Zeitlang in der Hölle schmoren. Gutenberg wird dort aber mit schuldiger Rücksicht behandelt. Der Ober teufel hat ihm einen Diener zur Seite gestellt, Peter Hammer aus Köln, den einstigen Inhaber dieser fingierten Verlags firma, die durch ihre lasciven Bücher in bekanntem Ruf steht. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 70. Jahrgang. Er bekennt aber — und das bezeugt sein Dialekt in gründ licher Weise —, daß er ein Leipziger ist, und weiter, daß er seine Verlagswerke alle selber geschrieben habe. Seine Strafe ist ein höllischer Durst nach Tinte, und dessen heimliche Stillung auf der Bühne führt zu mancher ergötzlichen Szene. Dieses Stückchen Hölle macht übrigens einen durchaus behaglichen Eindruck, ungeachtet des Flammenmeers, das hinter einem Vorhang sichtbar wird. Auch das Zwiegespräch der Beiden ist recht traulicher Art, nur wird es alle Augenblicke durch Telephonrufe des Oberteufels und seiner Großmutter unter brochen, die Peter Hammer zu gewandter und lustiger Be dienung dieses modernsten Folterwerkzeugs nötigen. Beide bemächtigen sich schließlich des Börsenblatts und entnehmen ihm die heitersten Nachrichten, obwohl das vielgeschmähte und doch so begehrte Organ im ersten Akt als »zum Schreien langweilig« bezeichnet ist. Aber ein gelehrter Artikel über eine alte Inkunabel bringt beide zum Einschlafen. Die so gar hierher gedrungne Jagd der Gutenbergsucher aus dem zweiten Akt schreckt sie auf. Auf dem bekannten Pflaster der guten Vorsätze hat sie unter Kommando des »Konsuls von Patagonien« den Weg gefunden. Telephonisch ergibt sich, daß der hermelingeschmückte Beherrscher des Börsenvereins, der mit den Jagenden gekommen ist, beim Oberteufel im besten Ansehn steht. Dieser wünscht ihm gefällig zu sein, und läßt fragen, ob er nicht irgend einen guten Freund habe, den der Teufel holen könnte. Das Anerbieten wird dankbar angenommen, der Festausschuß als geeignet bezeichnet und prompt exekutiert. Auch die Sehenswürdigkeiten der Hölle werden mit unver- holenem Interesse betrachtet. Nur als Peter Hammer auch die Hölle der Kommissionäre zeigen will, zieht Kommerzien rat Otto entschlossen den Vorhang zu und erklärt, man habe nun genug gesehen. Gutenberg bleibt zunächst in der Gewalt des Teufels und rüstet sich zum Schwefelbad, das Börsenblatt aber hat er gerettet und nach oben entsandt. Die Gutenbergjäger treten einen ehrenvollen Rückzug an, und Peter Hammer schließt das muntre Stück mit einem lehrsamen Sang. Es ist ein Bühnenstück voll Witz und Übermut, wie wir in unsrer buchhändlerischen Literatur ein ähnliches ge sehen oder gelesen zu haben uns nicht erinnern. Wie die vorjährigen, so wird sicher auch dieser Schwank im Druck erscheinen. Wenn die Lektüre auch den Genuß der Auf führung nicht ersetzen kann, so wird sie doch ein vollkomm- neres Bild vom Inhalt geben, als hier geschehen konnte; jedenfalls aber wird sie allen, die der Vorstellung beigewohnt haben, als Erinnerung an einen fröhlichen Abend will kommen sein. Dem talentvollen Kollegen, der sich mit großer Aufopferung und Meisterschaft seiner Aufgabe gewidmet hat, auch hier unfern Dank auszusprechen, ist uns Bedürfnis und angenehme Pflicht. Um die wohlgelungne Darstellung hat sich das ge samte Künstlerpersonal des Schauspielhauses verdient ge macht, nicht zum wenigsten der Regisseur Herr Eggeling. Den Prolog sprach, wie schon erwähnt, Fräulein Fvntelive. Die Darsteller des ersten Akts waren die Herren Wirth (Fritz Reuter), Hofmann (Goethe), Eggeling (Schiller), Willi (Lessing), Wildenhain (Gellert), Grevenberg (Gutenberg), Bartholoms (Koburger). Aus dem zweiten und dritten Akt seien die Herren Forsch (Konsul von Patagonien), Hofmann (Kom merzienrat Otto), Eggeling (Petters), Mehnert (I. Vorsteher) und Wildenhain (Peter Hammer) erwähnt. Ihnen allen, auch den hier nicht Genannten, gebührt dankbare Anerkennung. Wir können diesen Bericht nicht schließen, ohne mit aufrichtiger Hochachtung der hingebenden gemeinsamen Arbeit des Festausschusses zu gedenken, der Herren Richard Ein horn, Johannes Hirschfeld, Ferdinand Lomnitz, Oskar Virch und Max Weg, die uns ein so schönes Fest bereitet 533
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