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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-05-19
- Erscheinungsdatum
- 19.05.1903
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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- Saxonica
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^ 114, 19. Mai 1903. Nichtamtlicher Teil. 3995 gerufen hat, hat mir den bekannten Vers innerlich anklingen lassen: »Ich glaube die Wellen verschlingen« u. s. n>., wobei dahingestellt bleiben mag, wem das Verschlungenwerden zu drohen schien. Und als ich in Göttingen den Zug zur Fahrt nach Leipzig bestiegen hatte und in einer der letzten Nummern des Börsenblatts die Erklärung eines Vereins las, da fiel mir ein andrer Vers auf die Seele: »Es rast der See und will sein Opfer haben«, wobei ich wieder Ihnen überlassen muß, auf welches Wort dieses Citats Sie den Ton legen wollen. So bin ich denn offen gestanden diesmal mit wenig an genehmen Erwartungen zur Messe gekommen. Die Empfindung von bevorstehenden heftigen Kämpfen beherrschte mich, und wenn ich auch gleich meinen Vorstandskollegen den Kampf als Äußerung der Lebenskraft begrüße, so mußten wir uns doch fragen, ob denn diesmal der Anlaß des Streits wichtig genug sei, um alte Freunde und Genossen, wenn auch nur vorüber gehend, im Streite der Meinungen und Interessen zu verstimmen. Hier in Leipzig zeigte sich nun in persönlicher Aussprache ein so ungemein friedliches Bestreben, einander entgegenzukommen, die Gegensätze auszugle.ichen und den Weg der Verständigung zu finden, daß ich davon aufs angenehmste berührt war und Sie, meine Herren Kollegen, sicher in gleichem Maße. Voller Erfolg lohnte diese Bemühungen. Kein einziger Punkt der heutigen sehr gewich tigen Tagesordnung ist unerledigt geblieben, völlig ausgesöhnt und befriedigt vom Erfolg der kurzen Beratung ist die Hauptver sammlung, von der so lebhafte Meinungskämpfe erwartet wurden, auseinandergangen. Woher dieses erfreuliche Ergebnis, dieser überraschende Umschwung vorausgegangener stürmischer Befehdung zu völliger Beruhigung und friedlicher Übereinstimmung? Einzig und allein aus der Macht der persönlichen Annäherung, der münd lichen Aussprache von Kollegen, die sich seit lange kennen, sich freundschaftlich zu begegnen gewohnt sind und deren jeder die Meinung des andern achtet, ohne die seinige preis zugeben. So wird mit gegenseitigem guten Willen schnell ein Ausgleich der Interessen gefunden, den die vorausgegangene Vergeudung von Tinte und Druckerschwärze fast unmöglich erscheinen ließ. Das ist es, Herr Oberbürgermeister und Sie alle meine geehrten Zuhörer, was uns alljährlich mit fast unwider stehlichem Drang nach Leipzig zieht, nach unserm schönen Hause im Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Es geschieht nicht um der Tafelsreuden willen, die uns hier vereinigen, obwohl auch diese als schätzenswertes Mittel zum Zweck gewiß nicht zu verachten sind; sondern der lebhaft empfundne Wunsch, uns, die wir uns nicht kennen, persönlich kennen zu lernen, und uns, die wir uns kennen, wiederzusehen, unsre persönlichen Be ziehungen zu erweitern, unsre Freundschaft zu festigen. Denn mit der persönlichen Bekanntschaft stärkt und festigt sich auch unsre Einigkeit, unsre Empfindung, daß wir einander angehören in gleicher Arbeit, in gleichem idealen und praktischen Streben, daß wir aus unserm Posten sind: einer für alle, alle für einen! Diese Einigkeit tut uns not, bitter not. Denn wahrlich, an Angriffen von außen her fehlt es nicht. Erst jetzt wieder erleben wir solche leider gerade von denen, deren berufliches Interesse sie auf enge und friedfertige Verbindung mit dem Buchhandel hinweist, auf Stärkung und Förderung eines wohlgebildeten Buchhändlerstands. Was wirft man uns nicht alles vor! Man ruft uns zu: »Ihr wollt das geistige Brot verteuern«, »Ihr wollt einen Ring des Großkapitals bilden« und was dergleichen Un gereimtheiten mehr sind. Jeder Kundige muß lächeln, wenn der Börsenverein ein Ring des Großkapitals genannt wird. Nicht einmal die zum Wohle des Börsenvereins verbündeten Verleger könnte man so charakterisieren. Wenn man bei kaufmännischen oder gewerblichen Betrieben von »Ringen» spricht, dann versteht man darunter nichts andres als Vereinigungen zum Zweck die eigne Tasche zu füllen. Der sogenannte »Ring« der Verleger aber, bietet einen scharfen Gegensatz zu jenen mehr oder weniger verwerflichen, immer aber egoistischen Unternehmungen. Die Ver leger bieten in der Welt das einzige Beispiel eines »Ringes«, der nicht in die eigne Tasche wirtschaftet, sondern einen Geschwister stand erhalten will, dessen er für die Verbreitung der Literatur in seinem und nicht weniger im allgemeinen Interesse bedarf. Es ist nicht unser Ideal und darf es nicht sein, an jede Straßenecke einen BUcherkrämer hinzustellen, Leute ohne höhere Bildung und ohne Verständnis für den innern Wert eines Buchs. Was wir wollen und bezwecken, das ist die Erhaltung und langsam mit dem wachsenden Bedürfnis fortschreitende Mehrung eines gebildeten Sortim enter st ands, wie er uns überkommen ist, von gebildeten Männern mit vollem Verständnis für alles das, was die wissenschaftlich, literarisch und künstlerisch schaffende Welt ihnen bietet. Nur unter ihrer unausgesetzten, verständnisvollen Mitwirkung darf jeder Autor der zweckentsprechenden Verbreitung, der vollen Wertung und Werterhaltung seines Werks sicher sein. Und nicht nur für sich selbst und seine Familie soll jeder dieser Sortimenter des Lohns seiner mühevollen Arbeit sich er freuen dürfen, er soll weiter mit der eignen Arbeit auch Sicherheit schaffen können für den dauernden Bestand seines Geschäfts, er soll die volle Beruhigung haben, daß er mit seiner Anstrengung auch eine Grundlage schafft für die Ausbildung und einen be scheidnen Wohlstand seiner Kinder. Das ist es, was wir wollen, was wir mit der uns vorgeworfnen Ringbildung bezwecken. Keine Reichtümer, keine Monopolwirtschaft, einzig die Möglichkeit einer bescheidnen, auch für die Zukunft gesicherten Lebenshaltung für einen Stamm wohlgebildeter Männer, die einen im vollsten Sinn des Wortes produktiven Faktor unserer Volkswirtschaft ausmachen. Daraus leiten wir das sittliche Recht ab, uns selber Gesetze zu geben, die Freiheit des Einzelnen einzuschränken, seinen Eigen willen unter den der Gesamtheit des Standes zu beugen. Ihr Vorstand, meine Herren Kollegen, stände nicht an seiner Stelle, wenn er nicht dieses wohlbegründete sittliche Recht für seine Maßnahmen in Anspruch nehmen dürfte. Sie alle aber werden begreifen, daß wir dieses Recht nur durch starke Einigkeit zum Ziele führen können. Diese Einheit nun ist durch unsre Organisation gewährleistet. Der Börscnverein baut sich auf aus einer großen Zahl von Vereinen, von Verlegervereinen, Kreisoereinen, Ortsvereinen und Vereinen besondrer Betriebszweige. Sie bilden seine Grund lagen, sie haben für ihn ungefähr dieselbe Bedeutung wie die Familie für den Staat. In ihnen pslegt man häufigere per sönliche Berührung, man tritt sich näher, als es im Börsenverein wohl geschehen kann, man bespricht die besondern beruflichen Angelegenheiten im engen Bekanntenkreise. Und in allen ohne Ausnahme wird, so hoffen wir, das von mir Ihnen gezeichnete Bild unsrer Ideale hochgehalten. Ihre treue Pflege in den Einzelvereinen, das immer gegenwärtige Bewußtsein der gemein samen Interessen verbürgt unsre Einheit und unfern Erfolg. Ihnen, den Vereinen, allen ihren Mitgliedern und Leitern, ihrer treubewährten Arbeit für die berechtigten Bestrebungen unsres deutschen Buchhandels weihe ich mein Glas. Diese Vereine und Bereinigungen, vom Verlegerverein bis zur kleinsten Ortsgruppe, sie leben hoch, hoch, hoch! Dem von der Versammlung mit besonderer Lebhaftigkeit aufgenommenen Hoch folgte bald ein weiteres, nicht minder lebhaftes, zu dem der Leipziger Kaiserliche Herr Oberpost direktor Rührig aufforderte. Der in der Buchhandelsstadt als oberster Leiter des Postdienstes seit Jahren wirkende hohe Beamte ist natürlich vom Buchhandel ungewöhnlich stark in Anspruch genommen und mit allen seinen Eigen heiten aufs innigste vertraut. Der Buchhandel ist ein guter Kunde der Post; aber gute Kunden pflegen bisweilen an spruchsvoll zu sein. Um so dankbarer wird es zu begrüßen sein, daß der Herr Oberpostdirektor die durchaus angenehmen Beziehungen der Post zum Buchhandel rühmte und ihnen langen weitern Bestand wünschte. Als gewohnter Schlußredner, dessen Erscheinen übrigens auch um dieser Besonderheit willen von manchen allzu genußfreudig Tafelnden mit einer gewissen Innigkeit begrüßt wird, betrat Herr Universitätsbuchhändler Otto Petters- Heidelberg die Rednerbühne, um in seiner liebenswürdigen, jovialen Art für die Wohltätigkeit einzutreten, die Herzen und die Taschen zu weiten und manches klingende Markstück locker zu machen zum Trost der Darbenden im Beruf. Er benutze, so begann er, die angenehme Beruhigung, die infolge der voraufgegangnen mehrfachen Versicherungen vom Wert des Buchhandels als Kulturfaktors in die Herzen ein gezogen sei, und knüpfe insbesondere an eine Rede der Vormittags-Hauptversammlung an, um allen im Saale Versammelten seine »unbegrenzte« Hochachtung zu Füßen zu legen. Er brauche seinen verehrten Hörern nicht erst zu sagen, was er wolle. Ein Programm brauche er nicht zu entwickeln. Er treibe überhaupt keine Parteipolitik. Sein Programm liege klar vor allen, die ihn kennen. Er nehme von jedem, was er kriegen könne. Vom Agrarier wie vom Sozialen, von Parteien aller Richtungen und Bestrebungen, einen Unterschied mache er nicht. Nur eine möglichst reiche Ernte für unsre Armen und Kranken hereinbringen und den Unterstützungskassen zuführen zu können, darin liege sein Programm. Auf dem Platz, den er auch heute wieder ein- 532*
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