Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.07.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-07-21
- Erscheinungsdatum
- 21.07.1902
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19020721
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190207217
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19020721
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-21
- Monat1902-07
- Jahr1902
-
5833
-
5834
-
5835
-
5836
-
5837
-
5838
-
5839
-
5840
-
5841
-
5842
-
5843
-
5844
-
5845
-
5846
-
5847
-
5848
-
5849
-
5850
-
5851
-
5852
-
5853
-
5854
-
5855
-
5856
-
5857
-
5858
-
5859
-
5860
-
5861
-
5862
-
5863
-
5864
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 166, 21. Juli 1902. Nichtamtlicher Teil. 5837 -Ich wurde also vor das deutsche Konsulat in New Aork geladen. Das deutsche Gericht ließ mir eine Menge Fragen vor legen und wir entledigten uns mit der größten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Aufgabe. Meine Antworten wurden eine nach der andern in sorgfältig überlegten Worten nieder geschrieben , so daß ich am Ende von der Arbeit mit dem Bewußtsein schied: Jetzt ist den Nachdrucken sicher der Garaus gemacht und der Sieg des legitimen Verlegers gewiß. -Aber ach, in Wirklichkeit hatte ich seinen Sieg vereitelt. Bevor der Fall an mich kam, stand er in jeder Beziehung gut, nach nahezu vierjähriger Reise durch die deutschen Gerichtshöfe. Wie konnte ich ihn umbringen? Ich will hier das Rätsel erklären: -Ich habe nämlich zwei Geschichten geschrieben. Die eine 1896, die andere im 8t. Aiobol3.3 1893—1894. So oft ich über im Kopfe — und diese Begriffsverwirrung, diese vollständige Verdrehung der Thatsachen war mir keinen Moment bewußt! Darin liegt das ganzen Rätsels Lösung. -Es wird mir immer unfaßlich bleiben, daß ich während einer ganzen Stunde beharrlich und unfehlbar eine dieser Geschichten nannte, während ich immer die andere meinte. Daß ich diesen seltsamen Irrtum beging, darüber besteht kein Zweifel; aber wie es möglich war, ihn zu begehen, weiß ich nicht und vermag ich nicht zu enträtseln. Es ist eine merk würdige, abscheuliche Verirrung. -Ich wußte alle Thatsachen, Daten und Umstände, welche mit der Veröffentlichung der beiden Geschichten verbunden sind; aber in meinen Aussagen kleidete ich immer unbewußt die Ge schichte aus UarporZ U3.A3.2ivs in das Gewand von 8t. Aicdol3.8- U3.A3.2iv6 und umgekehrt — und auf diese Weise mordete ich meines deutschen Verlegers rechtmäßige Sache. Ich habe schon einmal vor Jahren so etwas bei einer andern Person erlebt; aber dort war die Sache begreiflich, denn der Betreffende war ein Narr. In meinem eigenen Falle jedoch bin ich um eine Erklärung verlegen, obwohl ich Tag und Nacht darüber nach gedacht habe. Mark Twain.- Auf Grund von Mark Twains Irrtum und seinen bezüglichen Erklärungen habe ich bei der Staatsanwaltschaft die Wieder aufnahme des Verfahrens beantragt, obwohl mein Rechtsanwalt mir mitteilte, daß eine Wiederaufnahme nur dann stattfinden könne, nachdem Mark Twain wegen Falscheides verurteilt worden sei. Nicht übel! — Ich habe meinerseits vor dem Ein tritt in die Verhandlung zweiter Instanz alles aufgeboten, um das Unheil zu verhüten. Sofort nach Empfang der Mitteilung über die Mark Twainsche Aussage sandte ich meinem Rechts anwalt folgende Instruktion: -Mark Twain irrt sich vollständig. Bei den Akten befindet sich Larpsrs U3A3.2ivs, worin die Erzählung abgedruckt ist. Cs ist für jeden Sachverständigen vollständig ausgeschlossen, daßLlarpsrs U3.A321VS, die vornehmste amerikanische Zeitschrift, eine im 8t. Aiodol3.3 1893/94 veröffentlichte Geschichte Mark Twains als Zweitabdruck veröffentlicht. Mark Twain muß die Ge schichte mit -lom 83-^sr udrouck- verwechselt haben, welche 1893/94 im 8t. Niedolas erschienen ist. Außerdem würde die Erzählung den Schutz der Berner Konvention auch dann ge nießen, wenn sie wirklich im 8t. Aiodol38 1893/94 erschienen wäre, da diese Zeitschrift ebenso wie Uurp6r8 HIa.A3.2ius gleich zeitig in London ausgegeben wird.- Trotzdem erfolgte das Urteil. Der Irrtum Mark Twains wurde zu einem Teil als unerheblich angesehen, zum andern Teil nicht als Irrtum anerkannt, und die Angeklagten wurden frei gesprochen, nachdem der Antrag meines Verteidigers, den Ver leger zu vernehmen und dadurch den Beweis für den Irrtum Mark Twains zu erbringen, abgelehnt worden war. Das Gericht anerkannte, daß die Aussage Mark Twains, die Erzählung sei nicht in Ü3.rpsr8 U3.A3.2ius erschienen, aktenmäßig widerlegt sei, und gab ferner zu, Mark Twain könne sich in Bezug auf das Er scheinen im 8t. Aiodol3.8 geirrt haben, ebenso in Bezug auf das Erscheinungsjahr, erklärte aber schließlich in Bezug auf die eine Behauptung des Zeugen, daß -ll'om 8a.^sr Dstsetivs- zum ersten Male in New Aork ausschließlich erschienen sei: Hier könne sich Mark Twain nicht geirrt haben, möge auch alles andere, was er sonst ausgesagt habe, falsch sein. Hier liegt ein Rechtsirrtum vor, der nur dadurch entstehen konnte, daß dem Gerichte der zweiten Instanz kein literarischer und buchhändlerischer Sachverständiger zur Seite stand. Jeder solche Sachverständige hätte auf Aufklärung des Falles in Bezug auf die verschiedenen dunklen Punkte bestanden. Wie ich schon sagte, war auch die Bekundung Mark Twains, daß das 8t. Aiodol3>8- Hl3.A32ius nur in New Jork erscheine, unrichtig. Mark Twain hat Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 68. Zayraaria. offenbar gar keine Ahnung davon, daß vom 8t. Ai6dol3.8-U3.A3.2iu6 für England und den Kontinent eine besondere Ausgabe er scheint, auf der die Firma Sampson Low, Marston and Company in London als Kommissionsverleger genannt ist, und daß das Erscheinen auch dieser Zeitschrift in New Port und London gleichzeitig erfolgt. Er hatte bei der Beantwortung dieser Frage offenbar ebenso keine Ahnung von der Beziehung, die diese zur Berner Konvention hatte. Uebrigens ist Mark Twain für diese Frage gar nicht kompetent; wenn sie aufgeworfen werden sollte, so konnte sie nur an die Verleger der Zeitschrift gerichtet werden. Der Prozeß Jacobsthal setzt meinen Erfahrungen auf dem Gebiete der Nachdrucksprozesse und der Justiz überhaupt die Krone auf. Nach vier Jahre langem Kampfe bin ich wieder auf dem alten Fleck angelangt und sehe mich gezwungen, mit dem Wiederaufnahmeverfahren den Prozeß von vorn anzufangen, vorausgesetzt, daß mir dies überhaupt gelingt. Die schon in den ersten Stadien des Prozesses von mir gesammelten Erfahrungen sind nicht weniger bemerkenswert und lehrreich als die, die mir der im Vorstehenden geschilderte spätere Verlauf des Prozesses gebracht hat, und es sei mir gestattet, auch diese hier kurz mit zuteilen zu Nutz und Frommen des gesamten Verlagsbuchhandels. Die Leser werden sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß es keine leichte Aufgabe ist, in einem Nachdrucksprozeß als Kläger aufzutreten. Von vornherein begegnete meinem Anträge bei der Staats anwaltschaft in Berlin, den Nachdruck zu verfolgen, eine mehr malige Ablehnung, bis ich durch zwei Beschwerden bei der Ober staatsanwaltschaft mit dem Antrag durchdrang. Das gelang mir aber erst dann, nachdem sich die Staatsanwaltschaft hatte bereit finden lassen, vom Königlichen Literarischen Sachverständigen-Verein in Berlin ein ausführliches Gutachten einzuholen. Dieses sehr eingehende und den Nachdruck zweifellos feststellende Gutachten brachte nach anderthalb Jahren Klarheit in die Sache. Alle Ein wände und Behauptungen der Angeklagten wurden darin wider legt. Aber trotzdem gelang es den Angeklagten, durch neue Gegenreden die Anklageerhebung von neuem in Frage zu stellen, und sie nötigten somit das Gericht bezw. den Staatsanwalt zur Einholung eines zweiten eingehenden Gutachtens von seiten des Literarischen Sachverständigen-Vereins. Auch diesmal widerlegte die Kommission die Einwendungen der Angeschuldigten und kon statierte abermals, daß ein ungesetzlicher Nachdruck vorliege. Mehrere der von den Angeklagten gemachten Einwendungen wurden als völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen bezeichnet. Man kann sich von der Kampfesweise einen Begriff machen, wenn man hört, daß die Angeklagten die für einen angesehenen Autor beleidigende Behauptung aufstellten, Mark Twain habe die vorliegende Erzählung gar nicht selbst geschrieben; es sei vielmehr ein Plagiat aus dem Schwedischen! Anlaß zu solcher Ver dächtigung gab eine Anmerkung Mark Twains in der genannten Erzählung, daß ihm ein schwedischer Prozeßbericht den Stoff dieser Erzählung geliefert habe. Mark Twain selbst erlebte, daß er auf dem deutschen Konsulate in New Jork dis Frage zu be antworten hatte, ob -low 83.^sr vstsotivs- seine eigene Geistes arbeit sei oder nicht. Was würden wir dazu sagen, wenn ein berühmter deutscher Schriftsteller durch einen ausländischen, wegen Nachdrucks angeklagten Verleger gefragt würde, ob eine Dichtung von ihm sein eigenes Geistesprodukt sei oder ob er sie irgendwo abgeschrieben habe? Wenn ich ferner anführe, daß Jacobsthal und Genosse schlecht weg behaupteten, daß Harper L Brothers das gleichzeitige Er scheinen in New Dort und London nur auf ihrem Umschlagstitel ihres -Magazine- fingiert hätten, um sich auf diese Weise den Schutz der Berner Konvention zu sichern, ferner daß die Hatscheksche Uebersetzung eine völlig freie Bearbeitung wäre (was der Litera rische Sachverständigen-Verein durch eingehende Vergleichung voll ständig widerlegte), so brauche ich weiter nichts hinzuzufügen, als höchstens das Bemerkenswerte noch, daß einer der Angeklagten in seiner Revisionsbegründung beim Reichsgericht die gerichtsseitig eingeholten Sachverständigen - Gutachten als parteiisch und tendenziös bezeichnete. Die kolossale Verzögerung, die der Prozeß 1. durch den Staatsanwalt, 2. durch zwei Sachverständigen-Gutachten, 3. durch zwei Hauptverhandlungen der ersten Instanz, 4. durch die Re visionsinstanz, 5. durch die Zeugenvernehmung Mark Twains (die allein dreioiertel Jahre brauchte, bevor das vorliegende Resul tat zu stände kam), 6. durch die Anberaumung der Haupt verhandlung in zweiter Instanz erlitten hat, brachte für mich noch das besondere Ergebnis, daß gegen die Angeklagten in der zweiten Instanz auf Grund des neuen deutschen Urheberrechtsgesetzes ver handelt wurde, das keine Strafe mehr für fahrlässigen Nachdruck kennt, wohingegen die Verurteilung zu einer Geldstrafe und Buße 766
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht