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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.04.1901
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- 1901-04-04
- Erscheinungsdatum
- 04.04.1901
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2760 Nichtamtlicher Teil. 79. 4. April 1901. meist der Hintertreppenlitteratur verfällt. Für diese Volks schicht. für ihre oft erst zu weckenden Lesebedürfnisse war die »Volksbibliothek« von ehedem bestimmt, mehr eine Wohl- thätigkeits- als eine gemeinnützige Anstalt. Die gebildeten Volksschichten konnten an ihr kein Interesse nehmen. Anders, grundsätzlich anders die Lublle Uibr^r/ in Eng land und den Vereinigten Staaten. Sie ist geschaffen von dem höheren Standpunkt aus: Was für Bibliotheken bedarf die Gesamtheit des Volkes, die gebildeten Kreise ein geschlossen? Darum hat die Labile Inbrarz- zunächst einen Bücherbestand von ganz anderer Auswahl als die deutsche Volksbibliothek, und zweitens, weil sie den führenden und den emporstrebenden Elementen des Volkskörpers diente, ge wann sie von Anfang an die Gunst gemeinnütziger Privaten, der Kommunen nnd Staatsverwaltungen, wurde durch Schenkungen, Vermächtnisse, kommunale Dotationen, Staats gesetze in eine glänzende äußere Lage versetzt, durch hoch gebildete Fachleute ausgezeichnet organisiert und steht jetzt vorbildlich da. Selbst wenn die deutschen Volksbibliotheken fortfahren wollten, ihr Publikum nur in den unteren Ständen zu suchen, so müßten sie jetzt doch überall da, wo viel Industrie arbeiter wohnen, ihr Niveau erhöhen, denn die Oberschicht dieses Standes ist von der größten geistigen Regsamkeit und sieht mit Geringschätzung auf die alten Volksbibliotheken und ihre elementaren Bücher herab?) Daß die deutschen Bildungs-Bibliotheken nunmehr beginnen, dem englisch-ameri kanischen Vorbilde hinsichtlich ihres bildungspolitischen Grund gedankens zu folgen, sich auf die höheren geistigen Bedürf nisse der eben genannten, sowie der gesamten gebildeten Kreise eiuzurichten, das macht den inneren Umschwung aus, der sich jetzt im deutschen Volksbibliothekswesen, zunächst im städtischen, vollzieht. Der Zustand von ehedem: die alte deutsche Volks bibliothek oder gar keine, bedeutete: Kein Besitz — keine höhere Bildung; die neue deutsche Bildungsbibliothek bedeutet: Bildung unabhängig vom Besitz, und diese Reform schließt ich stehe nicht an es zu behaupten, den größten Fort schritt ein, den das deutsche Bildungswesen über haupt in unserem Zeitalter erlebt. Das Land kann an ihm nur teilnehmen, wenn die Kreisbibliotheken in den Kreisstädten auf das höhere Niveau gebracht werden, und ich sehe in solchen Kreisbüchereien (neben den elementaren Dorfbibliotheken) ein wertvolles Mittel zur Hebung des Landes. In der Stadt ist die Reform leichte.r durchzusühren, wenn Wille und Einsicht vorhanden sind. Daß es an letzterer noch manchmal fehlt, zeigen die Beispiele von Städten wie Erfurt, wo man eine Volksbibliothek und Lesehalle nach Beginn der Reformbewegung, aber nach altem Schema geschaffen hat, und von anderen Städten, wo man nicht fragt: was ist zweckmäßig, sondern: was ist der »Begriff« einer Stadtbibliothek und der »Begriff« einer Volksbibliothek. Glücklicherweise sind andere Städte, so Jena, Charlottenburg, endlich auch, dank Arcnd Buchholtz, Berlin und manche mehr mit der Reform vorwärts gegangen, und solche Beispiele werden ziehen. Keins aber dürfte so zugkräftig sein wie das von Essen, wo Krupp für seine Werksangehörigen eine Bibliothek hat schaffen lassen, die Kruppsche Bücherhalle, die am 1. März 1899 eröffnet wurde. lieber die Einrichtung und die Ergebnisse des ersten Jahres ist ein eingehender Bericht erschienen, der in vieler Beziehung lehrreich ist. Man darf der Kruppschen Verwaltung Dank wissen, daß die Erfahrungen und Lehren der Kruppschen Bücherhalle durch diese Veröffentlichung zum Gemeingut werden. Allerdings muß man sich aus den mitgeteilten *) Vgl. die höchst beachtenswerte Schrift von A. Pfannkuche: Was liest der deutsche Arbeiter? Tübingen 1900, Mohr/ Thatsachen und aus dem Bücherverzeichnis die Lehren, soweit sie grundsätzlicher Art sind, selbst herausziehen. Wir geben hier, was uns als das Wichtigste scheint. Zunächst wird die Auswahl der Bücher den verschiedensten Ansprüchen gleichmäßig gerecht, auch den höchsten, aber nicht denen eines verdorbenen oder seichten Geschmacks. Neben der eigentlichen sogenannten Volkslitteratur, die übrigens nur schwach benutzt wird, stehen die besten modernen Dichter und Prosaisten, auch die ganz Modernen, sofern es nur wirkliche Dichter sind, und die besten wissenschaftlichen Werke aller Fächer; man hat vorurteilsfrei und vertrauensvoll dem Arbeiter dieselben Bücher in die Hand gegeben, aus denen auch der Gebildete sein Wissen schöpft, ohne Sorge, ob sie nicht auch »zu hoch« seien; auf die Dauer liest doch jeder nur, was'er bewältigen kann. Und gerade die Bücher des hohen Niveaus aus der schönen wie aus der belehrenden Litteratur erzielten Benutzungsziffern, die jeden in Erstaunen setzen würden, dem die geistigen Interessen der Oberschicht des Industriearbeiter standes unbekannt sind. Zweitens ist die Bücherhalle, wie schon die Vermeidung des Namens Volksbibliothek andeutet, nicht eine Arbeiter bibliothek, was verschiedentlich in Zeitungen zu lesen war, sondern gemeinsam für Arbeiter und Beamte des Werkes bis zu den höchsten hinauf. Und das ist bilduugs- politisch hvchbedeutsam. Zu Unzuträglichkeiten hat dies nicht geführt, was man sich überall da merken möge, wo man glaubt, dem »Volk« sein besonderes, vorsichtig abge messenes Quantum Bildung in besonderen Bibliotheken vor setzen zu müssen. Vielmehr kann dieser Versuch noch dazu er mutigen, in den Städten überall die verschiedenen Arten öffentlicher Bibliotheken (Stadtbibliotheken, Volksbiblio theken u. s. w.) zu einer Organisation zu vereinigen, wo nicht ganz zu verschmelzen, wozu ohnehin der Geldpunkt rät. Drittens erzielte die Kruppsche Bücherhalle, ganz ab gesehen von der qualitativen, eine enorme quantitative Benutzung, die im ersten Betriebsjahre 94 305 Bände be trug und sich im zweiten so steigerte, daß beispielsweise allein im Januar dieses Jahres 19 200 Bände ansgeliehen wurden; die Gesamtjahresziffer dürfte nahe an 200 000 herankommen. Jene 94 000 Bände entfallen auf eine Ge samtbevölkerung, die man auf etwa 60 000 Seelen schätzen darf. Im gleichen Zeiträume verliehen die drei städtischen Volksbibliotheken in Düsseldorf (200 000 Einwohner) nur 60 426 Bücher; es entfielen also auf den Einwohner dort 1,5, im zweiten Jahre wahrscheinlich über 3,0, in Düssel dorf 0,3 Bände. Wie erklärt sich diese fünffache, im laufen den Jahre voraussichtlich zehnfache Ueberlegenheit der Kruppschen Bücherhalle? Zum Teil gewiß aus der bequemen Lage im Centrum der Arbeitsgelegenheit, zur Hauptsache aber aus der reicheren Ausstattung. Die Düssel dorfer Dolksbibliotheken hatten zusammen 7000 Bände, die Kruppsche Bücherhalle 16 000, im Verhältuis war letztere also den Düsseldorfer städtischen Anstalten siebenfach über legen und wird heute bereits zehnfach überlegen sein. Will eine Stadt eine Badeanstalt einrichten, so fängt sie nicht mit einem winzigen Bassin oder mit ein paar Bade wannen in gemieteten Räumen an, sondern sie setzt von vornherein einen großen Bau hin, denn sie sagt sich: Wenn einmal, dann auch gleich so, daß sich die ganze Anlage durch Masseubenutzung lohnt. Handelt es sich aber um Bibliotheken, so sind die Städte ängstlich und fangen zu klein an. Bleibt dann die Benutzung gering, so suchen sie gern die Schuld in der Idee selbst oder in der Gleichgiltigkeit des Publikums statt in der verfehlten Ausführung. Und wenn es bisher an einem positiven Beweis mangelte, daß der reichen Aus stattung die starke Benutzung auf dem Fuße folgt, so hat ihn die Kruppsche Bücherhalle glänzend geliefert. Indirekt
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