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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1904
- Sprache
- Deutsch
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«048 Nichtamtlicher Teil. 161. 14. Juli 1S04, empfahl, ist seitdem die gewaltige Böller einigende Insti tution unserer modernen Presse geworden, in der sich die Gesamtheit des politischen, literarischen und wirtschaftlichen Lebens aufs genaueste wiederspiegelt. Unsere moderne Zei tung ist die große Sammelstelle geworden, in der all' die tausend und abertausend Jnteressenfäden, Mit denen unser Sein umsponnen ist, zusammenlaufen; sie arbeitet durch ihre alle menschlichen Wissensgebiete umfassende und durchdringende Tätigkeit unausgesetzt an der Verbreitung der allgemeinen Kulturbasis. Für sie gibt es »keine Geheimnisse der Ka binette, keine verborgene Weisheit« mehr, »dieselben Rätsel der Geschichte, der Statistik, der Diplomatie, an denen ehe mals selbst unsere Gelehrtesten mit ehrfürchtiger Scheu herum knusperten, werden tagtäglich in unfern Zeitungen zur Kennt nis der Welt gebracht.« »Alle Völker Europas, was sage ich, die Völker der Erde, von Pol zu Pol, alle vereinigt durch sie in eine einzige Familie, einen einzigen großen Leib, dessen entferntestes Glied, dessen kleinsten Nerv du nicht berühren kannst, ohne daß die leiseste Berührung, die geringste Veränderung, in demselben Moment in systematischem Fluge den gesamten Leib durch zuckt.« (Prutz, Gesch. d. d. Journalismus. I.) Unsere heutige Zeitung berührt vor allem unser Wirt schaftsleben tiefer, als es gemeinhin den Anschein hat und als es in den einzelnen, über Zeitungswesen vorliegenden Arbeiten, die fast ohne Ausnahme sich auf eine rein histo rische Darstellung beschränken, zum Ausdruck gelangt, ja, ich nehme, gestützt auf gelegentliche Äußerungen einzelner nam hafter Nationalökonomen durchaus keinen Anstand die mo derne Zeitung als ein Hauptstützorgan des gesamten Wirt schaftslebens der Gegenwart, zu bezeichnen. Sie ist -ein Mittel, durch die das große Gewebe der geistigen und materiellen Wechselwirkungen hervorgebracht wird«; sie bildet ein ganz wesentliches Verbindungsglied in der Kette aller jener Faktoren, durch die »der Austausch geistiger und materieller Güter in der Gesellschaft bewirkt wird«; sie ist eine soziale Notwendigkeit geworden, und das heutige Wirt schaftsleben kann die Zeitung schlechterdings nicht mehr ent behren. Man muß sich nur wundern, daß ein Institut von so weittragender Bedeutung wie die Zeitung in der Literatur bisher so stiefmütterlich behandelt worden ist, daß eine so tief im Geistes- und Wirtschaftsleben wurzelnde und an inter essanten Wandlungen gewiß nicht arme Einrichtung bisher so wenig Anreiz zu eingehender Untersuchung und zusammen hängender Darstellung gegeben hat, so daß wir noch nicht einmal eine vollständige Geschichte des deutschen Zeitungs wesens sondern nur Bruchstücke besitzen. Es sind zwar einzelne recht tüchtige Anfänge und Vorarbeiten dazu vor handen, die namentlich über den Ursprung und die frühesten Entwickelungs-Perioden entsprechendes Licht verbreiten, ferner eine Anzahl trefflicher Monographien einzelner Zeitungen, die einen interessanten Einblick in das Zeitungswesen be stimmter Perioden gewähren und viele wertvolle Einzel heiten bieten; im übrigen wurde der deutschen Presse, wenn man von den Arbeiten rein juristischer und statistischer oder technischer Natur absieht, nur eine mehr pamphletistische Be handlung zu teil, die den Gegenstand durchaus nicht er schöpfend behandelt. — »Die entlegendsten Rätsel des Kirchenrechts finden ihre Liebhaber; die purpurnen Finsternisse in der Vergangen heit verschollener Völkerschaften werden emsig durchleuchtet; kein volkswirtschaftliches Problem ist zu gering, als daß es nicht strebsame Forscher zu einer wissenschaftlichen Tat anzuregen vermöchte.« — Nur die Zeitung wird geflissentlich gemieden. Der Journalismus ist eben in Deutschland noch keine an erkannte Wissenschaft, und wenn Bücher in seinem Buche »Entstehung der Volkswirtschaft- der Ansicht Raum gibt, daß ein Gebiet, das nicht zum Gegenstand einer akademischen Laufbahn gemacht werden kann, in Deutschland notwendiger weise der wissenschaftlichen Beackerung entbehren muß (mit Bezug auf die Zeitung), so geht daraus hervor, wie gering der Journalismus in Deutschland geachtet wird im Gegen satz zum Auslande, wo man der Zeitung in voller Würdi gung ihrer Bedeutung, ihres Einflusses und ihrer Macht, schon längst mit der entsprechenden Achtung begegnet und verschiedentlich bereits akademische Lehrstühle für Jour nalistik geschaffen hat. In der oben angeführten Ansicht dokumentiert sich auch, daß die alte »superiore Verachtung der Zeitung seitens der deutschen Gelehrten, derjenigen Gelehrten, die um den kleinsten Rest eines alten Pergaments, die geringfügigste Tabelle eines Archon von Athen oder den Nasenzipfel einer problematischen Statue Erd' und Himmel bewegen würden - (wie sich schon im Jahre 1845 der bereits zitierte Prutz äußert), noch nicht aus der Welt geschafft ist. Wenn man auf Grund dieser veralteten und vorurteilseingenommenen Anschauungen eines der interessantesten und reichsten Gebiete vernachlässigt, so ist dies höchst bedauerlich und doch auch erklärlich, denn es winken dem, der die wissenschaftliche Be ackerung des Zeitungswesens unternimmt, keine akademischen Erfolge, keine Aussicht auf klingenden Gewinn, wohl aber eine Riesenarbeit und bestenfalls die Aussicht auf jene innere Befriedigung, die eine gewissenhaft zu Ende geführte Arbeit bietet. Diese »superiore Verachtung der Zeitung - seitens der deutschen Gelehrtenwelt einerseits und eine in gewissen Kreisen anzutreffende prinzipielle Abneigung gegen die Presse anderseits ist mit der Entwickelung des Zeitungs wesens eng verbunden und liegt im übrigen in der Natur der Zeitung selbst begründet. Jede ausgeprägte Individua lität, jeder seiner empfindende und selbständig denkende Geist hat das Bestreben, seine eigene Anschauung hervor zukehren und sich über die allgemeinen Zustände und Er eignisse der Zeit, in der er lebt, sein eigenes Urteil zu bilden; es widerstrebt ihm jede intellektuelle Beeinflussung, jede Bevor mundung, und mit begreiflichem Mißbehagen wird er allen Erscheinungen gegenüberstehen, die sich als Ausdruck der Allgemeinheit, des Massentums darftellen. Nun müssen wir in der Zeitung eine der hervorragendsten Vertreterinnen der Allgemeinheit erblicken, sie steht im Dienste der großen Masse, sie ist das Sprachrohr der gesamten öffentlichen Meinung, die Zusammenfassung von Tausenden von An sichten und Urteilen, sie hat es durch die von ihr geübte Massensuggestion erreicht, eine Art geistiger Gewalt über das Gros der Leser zu erlangen und deren ganze An- schauungs- und Denkweise sowie ihr Urteil zu beeinflussen, wenn nicht gar vollständig zu beherrschen. Diesem zu intellektueller Unselbständigkeit führenden Einfluß wird sich jeder individuell veranlagte und an selb ständiges Denken gewöhnte Leser zu entziehen suchen; ganz instinktiv wird das Gefühl der Abneigung gegen dieses Werkzeug des Massentums, die Ertöterin jeder Indivi dualität, die Gleichmacherin des Urteils, in ihm entstehen, sein persönliches Ich wird sich auflehnen gegen den geistigen Zwang, der ihm droht. Die alles nivellierende Eigenschaft der Zeitung wird ihn abstoßen, und nur zu leicht wird er geneigt sein, in der Zeitung nicht die große kulturfördernde Macht, der wie jeder Schöpfung von Menschenhand Mängel und Schwächen anhasten, zu erblicken, sondern lediglich die Feindin seiner Individualität, der er, obgleich er ihrer nicht entraten kann, doch keinerlei Sympathien, sondern nur Geringschätzung entgegenbringt, und es verschmähen ihre Vor züge zu würdigen. Es kommt noch hinzu, daß die Zeitung aus Grund ihrer demokratischen Grundprinzipien, daß die
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