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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1882
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1882-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1882
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- Deutsch
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Verleger und Schriftsteller hat neuen Sitten Weichen müssen. Letzterer ist gar oft nur ein Lohnarbeiter des ersteren, deni das Wie und Was seiner Arbeit genau vorgeschrieben werden. Der Ver leger weiß, was verkäuflich ist; er vertritt das Buch gegen die Oeffentlichkeit; er hat alle Rechte an dem Manuscript. „Dem Manuskript werden Phrasen und allerlei Bombast zugesetzt, durch welche den Dummen geschmeichelt wird; denn auf diese speculirt der Verleger; es wird der politischen und kirchlichen Zeitrichtung entsprechend gfärbt, es erhält., die Couleur." Diese Couleur muß womöglich derart sein, daß sie Allen gefällt. Ein solches Werk ist nur allzu häufig die Ablagerung der plattesten und seichtesten Tagesanschauungen. Plattheit und Seichtheit aber ist für den Ver leger solcher Werke gleichbedeutend mit „volksthümlich". „Ich bin ein Mann des Volks", pflegt ein derartiger Bücherfabrikant zu sagen, dessen ganze Existenz auf dem Plagiat beruht. Er verball hornt wissenschaftliche Werke und verbreitet sie, mit schlechten Illu strationen versehen, lieferungsweise durch die Colportagc in unge heuren Quantitäten unter dem Publicum. Wie da Autor und Ver leger zu einander stehen, zeigt eine bei Bolm erzählte Geschichte: „Origineller Weise hatte der Schriftsteller dem Roman ein etwas schnelles und gewaltsames Ende bereitet, da er sämmtliche darin mitwirkenden Personen, mit Ausnahme des Helden und der Heldin, auf eine Brücke placirt hatte, die der Jntriguant der Erzählung in die Lust sprengte, wodurch jedes Hinderniß, das dem Romanhelden und seiner Geliebten behuss deren Vereinigung noch entgegenstand, auf das angenehmste beseitigt und für die drohende unentwirrbare Verwicklung ein glückliches" Ende gefunden wurde. Dem Verleger paßte das aber nicht, weil er einen größeren Umfang vorgesehen hatte, und so machte sich der Schriftsteller nothgedrungen und un gern wieder an die Arbeit und Verarbeitung seiner mitwirkenden Personen, die, Einer nach dem Anderen, eines höchst seltsamen, zum Theil auch schrecklichen Todes sterben mußten, soweit es für den ge planten Umsang des Werkes thunlich war."" Natürlich erscheinen solche Arbeiten pseudonym und oft mit zehn verschiedenen Titeln bei zehn verschiedenen Verlegern in der oben berührten Weise. Will man sehen, was auf diese Art ans Tageslicht gefördert wird, so schlage man die Zeitschriften ans: „Die Neuzeit, Lesehalle für Alle"", „Am deutschen Heerd", „Der Beobachter für Deutsch land""; auch die Volkausgabe des „Salon"" ist nicht viel besser. Auf gleicher Stufe scheint auch „Die neue Gartenlaube"" zu stehen. Die bombastischen Titel der Schauerromane, ihre wilden Capitelüber- schristen, ihre überschwänglich-sinnlosen Inhaltsangaben sind be kannt. Theils sind es übersetzte oder umgearbeitete Romane von E. Sue und A. Dumas. Einer unter dem Titel: „Berlin bei Nacht oder ein Gaunerfürst und die Geheimnisse von Berlin oder die Gründer ans dem Molkenmarkt"" wurde Polizeilich mit Beschlag be legt. Manche erscheinen illustrirt wie „Das Weib des Spielers und der Sklave des Verbrechers oder am Rande des Abgrundes"". Keiner ist, dessen Titel nicht auf Raub und Mord oder aus Wucher, Spiel und Grausamkeit hinwiese. Am häufigsten aber ist An deutung von geschlechtlichen Ausschweifungen, zumal hinsichtlich der „vornehmen Welt"; seltener ist das Politische und Zeitgeschichtliche wie: „Der Sträfling des Bagno oder Henri Rochefort und die Kaiserstochter"". Dem entspricht ohne Zweifel der Inhalt. Nicht bloß Fadheiten und märchenhafter Unsinn wird da aufgetischt. Durch die Schilderung des üppigen Lebens der höheren Stände wird aller Wahrheit entgegen Neid und Classenhaß erregt, die von den Vor nehmen als ganz gewöhnlich berichteten Greuel und Schandthaten fügen Verachtung der Oberen und Hochmuth, oder Nachahmung des Bösen hinzu. Die Beschäftigung der Phantasie mit Schand thaten aller Art gewöhnt an die Sünde, erleichtert den Weg des bösen Gedankens zur Hand. Im besten Falle noch wird eine ver derbliche Geschmacksverbildung erzeugt, Ueberdruß an ernsthafter Lectüre, Sensationsbcdürsniß, geistige Verödung und Erschlaffung. Es ist eine alberne Rede, daß der Colportageroman den Nicht lesenden überhaupt an das Lesen gewöhne und so bahnbrechend für bessere Lectüre wirke. Was kann in dieser Hinsicht z. B. ein Roman wirken von der Art:,, DerKampfumdasErbe, oder: Die Irre von Bethesda". Was man von diesem Machwerk zu erwarten hat, geht gleich aus den ersten zwei Seiten hervor, aus welchen ein evangelischer Pfarrer als ganz gemeiner Erbschleicher und seine Frau als die frühere Maitresse eines jüdischen Bankiers cingeführt wird. Der Pastor wird aber nicht allein als großer Schurke, sondern auch als frommer Mann hingestellt, der unter dem Mantel der Frömmigkeit die größten Gemeinheiten begeht. Die Tendenz des Machwerkes ist klar: es soll dem Volke Haß und Verachtung gegen den geistlichen Stand und damit indirect gegen die Religion eingeflößt werden. Man hat aus Grund des Socialistengesetzes so manche Schrift verboten, die hundertmal harmloser war. Directes sittliches Verderben und traurige Geschmacksver bildung wird durch diese Literatur befördert. Dazu kommt die Geldverschwendung für werthlosen Bücher- und Putzkram, daraus folgender Aerger und Unzufriedenheit. Alle Uebelstände, an denen unser Volksleben ohnedies bereits krankt, erhalten hier Nahrung und Vorschub. Es wächst ferner durch den klingenden Lohn dieser unsauberen Ausplünderung der unsolide Betrieb, es leidet der ehrenhafte Buchhandel. Die Mittel des Pnblicnms, soweit sie für Bücher disponibel sind, ja weit darüber hinaus, werden absorbirt, die Kaufkraft geschwächt, der Sortiments- und gediegene Verlags buchhandel ruinirt oder doch schwer geschädigt. Was ist dagegen zu thun? Alles, was innerhalb des Rahmens der heutigen Gewerbeordnung vorgeschlagen wird, hat den Charakter der halben Maßregel. Bolm meint, daß die Verleger guter Artikel nicht genug thun, um die Colportagc für sich zu gewinnen, d. h. daß sie ihre Inserate nicht breit und nicht lang und nicht häufig genug in seinem und anderen Colportageblättern erscheinen lassen, während die Schanerliteratur in dieser Hinsicht nicht kargt. Aber der Col- porteur, der einmal weiß, daß sein Publicum nicht in seiner faden Gemächlichkeit gestört sein will, wohl aber hier und da es liebt, wenn ihm ein Schauer über den Leib geht, der wird sich hüten, andere Artikel zu nehmen, und wenn sie durch die längsten Inserate em pfohlen wären. Es sollen sich nach Bolm ferner Sortimenter und anständige Colportagebuchhändler desVertricbesder Schauerromane enthalten; aber einmal nimmt er, wie schon gesagt, selbst bezügliche Inserate auf, und sodann wird es immer unanständige College« ge nug geben, die den Verschleiß sortsetzen. Selbst wenn die buch- händlerische Bestellanstalt zu Leipzig diesen Erzeugnissen verschlossen würde, so wäre sehr wenig gewonnen. Der Geschäftszweig ist bereits so umfangreich, daß er sich selbst würde zu Helsen wissen. Die Selbst reinigung des Colportagebuchhandels auf dem Wege der Vereins- thätigkeit durch spontanes Erwachen des Gefühls für Standesehre wird man Wohl vergeblich erwarten. Wir haben so lange nicht Zeit. Selbsterlösungen pflegen zeitraubend zu sein. Einstweilen verdienten die behördlichen Warnungen Nachahmung, die z. B. gegen den in Bockenheim bei Frankfurt a. M. erscheinenden Roman: „Durch Noth zum Glück"" ergangen sind (vier Prämien: zwei Oeldruckbilder L 6 Mk., ein Regulator zu 7 Mk. und ein Kissinger Kirchenbaulos).*) *) Auch eine neuere Verfügung der .Regierung in Cassel erscheint uns sehr beachtenswerth. Sie lautet: „Es ist aus dienstlichem Wege zu unserer Kenntniß gekommen, daß durch umherziehende Colporteure, zumal aus dem Lande innerhalb des diesseitigen Bezirks hier und da eine Schmutzliteratur seilgeboten bezw. vertrieben wird, welche nicht nur die sittlichen Grundlagen des Volkslebens zu untergraben droht, sondern insbesondere auch aus die Schuljugend, welcher derartige Unterhaltungsschristen zu Hanse zugänglich sind, höchst nachtheilig 275'
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