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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.09.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-09-26
- Erscheinungsdatum
- 26.09.1903
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- Deutsch
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224, 26. September 1903. Nichtamtlicher Teil. 7467 Nichtamtlicher Teil Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft. Die »Denkschrift- Karl Büchers, die den gesamten Buchhandel in Aufregung versetzt und in diesem Blatt schon manche Zurückweisung erfahren hat, läßt neben vielem andern, was man vvn Veröffentlichungen eines wissenschaft lichen Arbeiters zu fordern gewohnt ist, leider auch in ihrem Ton die Würde vermissen, die strenger Sachlichkeit eigen ist und sie zum Vorteil ihrer Beweisführung über die große Menge der Streitschriften emporhebt. Der Inhaber eines Lehrstuhls an einer Universität darf ohne Frage den Anspruch erheben, ernst genommen zu werden, nicht nur von seinen Schülern, sondern auch von andern, die sich für seine Lehre interessieren. Vollends dann, wenn er als Forscher teil hat am Aufbau einer noch jungen Lehre und sich damit Anerkennung er worben hat. Aber zur Begründung dieses Anspruchs gehö ren im Widerstreit der Meinungen nicht nur strengste Prüfung der wissenschaftlichen Beweismittel, sondern auch wohlab gemessene Formen, die den Schein des Übelwollens aus schließen, vielmehr den Wunsch vollkommner Unparteilichkeit und sachlicher Beschränkung ohne wcitres erkennen lassen. Ungeachtet mancher gewagten Behauptung des Theore tikers, darf beispielsweise Herrn Professor Paulsen, der kurze Zeit vor Bücher in Sachen deutscher Bücherpreise an die Öffentlichkeit getreten ist, das Zeugnis nicht versagt werden, daß er bemüht war, beiden Forderungen gerecht zu werden. Namentlich der Ton seiner Erörterung läßt in keiner Zeile das Wohlwollen vermissen, das er — wenn auch als Mahner —^ dem Buchhandel entgegenbringt. Die Polemik Karl Büchers, des Leipziger Professors und künftigen Rektors, steht dagegen leider zurück. Ganz abgesehen von ihrer Verwendung unbrauchbarer Unterlagen, ihren unwissenschaftlichen Verall gemeinerungen, Widersprüchen und falschen Schlüssen, gibt sie bedauerlicherweise auch der Leidenschaft Raum und ergeht sich in befremdlichen Urteilen über buchhändlerische Einrichtungen, deren Wesen und Wert er nicht kennt. So wandelt Bücher durch manche unüberlegte, offenbar übelwollende Bemerkung seine »Denkschrift- zur Schmähschrift und enthebt sie des wissen schaftlichen Ernstes. Er darf sich nicht wundern, wenn die Beurteilung seiner Schrift durch die beleidigte buchhändlerische Fachwelt an diesem Punkte einsetzt. Der deutsche Buchhandel darf mit voller Beruhigung das Bewußtsein in sich tragen, mit seiner Arbeit, seinem Wage- und Öpfermut zum Nutzen der Gesamtheit zu wirken und namentlich auch der deutschen Wissenschaft ein treu bewährter Freund zu sein. Er erhebt nicht den Anspruch auf Anerkennung; aber es freut ihn natürlich, und er ist dankbar dafür, gelegentlich aus berufenem Munde ein freundliches Wort über den Erfolg seines Wirkens zu hören. Da mag es ihn trösten, aus einer Blütenlese, die ich hier folgen lassen will, — einer Zusammenstellung von Äuße rungen angesehener Männer der Wissenschaft, hervorragender Kollegen Büchers und Vorgänger in seiner Rektorwürde — die Erkenntnis zu schöpfen, daß der kommende Mann im Leip ziger Rektorat mit seinen Vorurteilen gegen den Buchhandel denn doch etwas weit abseits steht. Man sage nicht, daß diese Urteile als leere Höflichkeiten zu betrachten seien ohne Ernst und Aufrichtigkeit. Der Rektor einer Universität und ebenso andre hochgestellte Männer, deren Äußerungen ich anschließe, sprechen vor der Öffentlichkeit einer großen Versammlung, immer wohl überlegt, sie gefallen sich nicht in der Ode inhaltsleerer Höflichkeitsphrasen, denen sie selbst keinen Wert beimessen würden; sie wissen genau, was sie sagen wollen, und sie wollen zum Ausdruck bringen, was sie zu sagen wissen; ihre Urteile dürfen somit — mag deren Form auch der festlichen Gelegenheit, die sich den Rednern gerade ge boten hat, angepaßt sein — in ihrem innern Gehalt getrost als aufrichtige Meinung von den Hörern erfaßt und als voll gültiges Zeugnis nach Hause getragen werden. Diese Er wägung leitete mich bei der Zusammentragung dieser Kund gebungen, die keine Selbstgefälligkeit widerspiegeln soll, son dern in dringender Notwehr geschieht und darum gewiß auch auf die hiermit erbetene Nachsicht der Redner rechnen darf. Ich eröffne die Reihe dieser Urteile mit einem Aus schnitt aus dem Kantate-Trinkspruch des Herrn Geheimen Rats Professor vr. Wundt, Rektors der Universität Leipzig im Jahre 1890: -Der Ansicht gegenüber, daß die Spezialisierung gegenwärtig die Welt beherrsche, erlaube ich mir doch gegenteiliger Meinung u sein. Mir kommt es vor, als wenn gerade der Buchhandel, er doch gewissermaßen die Außenseite der Wissenschaft darstellt, heutzutage vom Uuiversalismus und Kollektivismus beherrscht werde. »Wo sind die Zeiten geblieben, da noch der Schriftsteller mit seinem Manuskript in der Tasche herumwanderte, um sich einen Verleger zu suchen? Heutzutage schließen wir unsre Ver- lagSverträge, noch ehe wir unsre Manuskripte geschrieben haben, und manchmal werden die Bücher, über die wir Verträge gemacht haben, überhaupt nicht geschrieben. Aber an Stelle jenes Autors, der seinen Verleger sucht, ist eine andre Erschei nung immer häufiger geworden: der Verleger, der sich seinen Autor sucht. Namentlich die großen, bänderreichen Werke werden fast nur noch von dem Verleger gemacht. Höchstens ein Mann wie Ranke, der noch der ältern Generation angehört, bringt es auf eine neun bändige Weltgeschichte. In der Regel kauft sich der Verleger, der so etwas unternehmen will, seine Autoren, und zwar nicht einen, sondern sofort mindestens ein Dutzend, die nun eine Weltgeschichte, ein Handbuch der Medizin, der Staatswissenschaften, der roma nischen Philologie usw. in ebensoviel Monaten zustande bringen, als früher ein schreibendes Individuum Jahre brauchte. Mit dem Konversationslexikon hat dieser Kollektivismus im Buchhandel be gonnen. Über die Bedeutung dieser wichtigen Werke ist mir in der Tat erst vor wenigen Tagen ein neues Licht aufgegangen, als ich in der Besprechung der neuen Auflage eines solchen, die ein hervorragender Schriftsteller in die Beilage einer unsrer großen Zeitungen schrieb, auscinandergesetzt fand: dieses Werk habe zwei merkwürdige Eigenschaften: erstens, es sei für jeden Gebildeten unentbehrlich, und zweitens, wer dieses Werk besitze, der brauche eigentlich gar keine andre Bibliothek. Auch hat ein junger Mann, der sich der Philosophie widmen wollte, mir vor kurzem auf meine Frage, wie er sich denn dazu vorbereitet habe, kurz und bündig geantwortet: Vorläufig habe ich mir den großen Brockhaus angeschafft. »Obgleich ich nun in sozialen Fragen ziemlich dem Kollekti vismus huldige, so gestehe ich doch, daß ich in wissenschaftlichen Dingen eigentlich mehr dem Individualismus zugeneigt bin. Um so mehr muß ich es aber rühmend anerkennen, daß der deutsche Buchhandel trotz jener Neigung zum Großbetrieb nicht aufgchört hat, auch der individuellen Arbeit des einzelnen Autors unter die Arme zu greifen und seine Hilfe auch solchen Unternehmungen nicht zu versagen, die ihrer Natur nach weder auf Bestellung geliefert werden können, noch sich zur Kollektiv arbeit eignen. Denn noch hat der alte Grundsatz des deutschen Verlags, nach dem die Blüte einer Verlagsfirma nicht nur nach dem glänzenden Stand der Geschäfte, sondern ebenso sehr nach den Diensten bemessen wird, die sie der Literatur und der Wissenschaft leistet, heute nicht aufgehört, gültig zu sein. »In Frankreich, in England ist der junge Schriftsteller, der mit seinen Leistungen nicht gerade dem Tagesbedürfnis cntgegen- kommt, auf die manchmal sehr zweifelhafte Protektion der Akademien und gelehrten Gesellschaften angewiesen. Der deutsche Buchhandel aber hat — mit Stolz dürfen wir cs sagen — für die Literatur und Wissenschaft mehr getan, als alle Akademien der Welt zusammenge nommen. Doch glauben Sie nicht, daß ich nun etwa beabsichtige, auf die deutschen Buchhändler ein Hoch auszubringen. Sie haben heute schon ihren voll zugemessenen Teil davongetragen. Ich knüpfe vielmehr an die Bemerkung eines Vorredners an. Es ist gesagt worden, die Einheit des deutschen Buchhandels sei seit langer Zeit eine Art Vorbild unsrer politischen Einheit gewesen. 993*
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