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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.10.1903
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- 1903-10-13
- Erscheinungsdatum
- 13.10.1903
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288, 18 Oktober 1903. Nichtamtlicher Teil. 8035 gewendet, obgleich er nicht aufgehoben ist; dasselbe kann man von dem Paragraphen sagen, der es verbietet, von in Aussicht genommenen Maßregeln der Regierung auf bloße Gerüchte hin zu reden), teils zur Beschränkung derselben (die Erlaubnis, in an ständigem Ton von der Unvollkommenheit der in Rußland be- stehenden Einrichtungen zu reden, wird durch viele Zirkulare be schränkt). Die Zirkulargesetzgebung zeichnet sich durch eine weit größere Beweglichkeit aus, reflektiert die Strömungen der Zeit besser und bildet ein schätzbares Material für die Geschichte der Zensur; aber es ist der Beurteilung nicht zugänglich.*) Aus diesem Grunde ist es sehr schwer, über die Geschichte der Zensur in den letzten 30 Jahren etwas Bestimmtes zu sagen. In den Jahren 1872—1880 war das Recht, Bücher zu drucken, im allgemeinen etwas beschränkt: viele früher erlaubte Werke (Herzen, Tschernyschewskij, Piffarew, Marx u. a.) durften nicht wieder gedruckt werden. Dasselbe kann man auch von der periodischen Presse sagen. Ein wichtiges Ereignis jener Zeit war die Ver fügung der Hauptverwaltung in Angelegenheiten der Presse, wo nach Erzeugnisse in kleinrussischer Sprache weder aus dem Aus lande eingeführt, noch in Rußland gedruckt werden dürfen, außer der Belletristik und historischen Dokumente. Auf Grund dieser Verfügung wurde die kleinrussische Übersetzung der Evangelien ver boten. Die Zeit Loris-Melikows (1880—1881) brachte eine zweifel lose Erleichterung, die sehr einschneidend und bemerkbar war, aber nur der Presse der Residenzen zu gute kam; die Provinzialpresse blieb in der frllhern Lage; die Bestimmung über die kleinrussische Sprache fand ebenfalls Beachtung, sogar in Petersburg: 1880 wurde die kleinrussische Übersetzung des Buches Hiob verbrannt. Von Februar 1880 bis 1. (13.) März 1881 wurde keine einzige Zeitung verboten. Nach dem 1. (13.) März 1881 wurden Verwarnungen sehr frei gebig erteilt; es stellten ihr Erscheinen ein: »Oslos« (Stimme), »8trana» (Land), -Lorjackoü« (Ordnung), »NoUva« (Gerücht), »Uussirij Kursor« (Russischer Kurier) und viele andre Organe der Presse, die unter der vorhergehenden Regierung entstanden waren; »vsolo« (That) mußte aushören zu erscheinen, weil sein neuer Redakteur nicht bestätigt wurde; am wichtigsten war das Verbot der »Vater ländischen Memoiren«, das auf die Bestimmung von vier Ministern erfolgte (1884). Auch in dieser Epoche wurden, wenn auch mit weit größerer Erschwerung als früher, Bcwilligungeu zu neuen Journalen erteilt; so entstand an Stelle der »Vaterländischen Memoiren« der -Ssovornz's IVsostniir- (Nordischer Bote), der aber unter Präventivzcnsur er schien (erst später wurde er von ihr befreit). Beschränkende Zir kulare wurde», wie früher, in großer Zahl erlassen, sowohl aus allgemeinen Erwägungen der Zensur als auf Wunsch einzelner Ressorts, weshalb sie die Stimmung der höheren Sphären und die Veränderungen im Personalbestand derselben sehr genau wieder- spiegcln. So gab es während der ganzen Zeit, wo Bunge Finanz minister war (1881—86), nur ein Zirkular, das die Presse in Finanzfragen beschränkte; aber bei seinem Nachfolger wurden solche Zirkulare häufig erlassen. Es gab sehr viele Zirkulare, die eine Kritik des Ministeriums der Verkehrswege beschränkten, wie es auch.viele gab, die es verboten, diese oder jene Vorfälle mit ein zelnen Personen zu berühren. Durchaus verboten war es, von den inneren Einrichtungen der Mittelschulen zu reden (dieses Zirkular verlor erst unter Wannowskij seine Geltung, 1901). 1888 wurde verboten, Äußerungen abzudrucken, die die Ehre der Frauen des türkischen Sultans, als des Oberhauptes eines Rußland be freundeten Staats, beleidigten. Es wurde verboten, über die An ordnungen der Polizei bei dem Begräbnis Turgenjews zu reden, usw. Zu verschiedener Zeit wurden der Behandlung der Presse viele Ereignisse entzogen, die die Gesellschaft sehr interessierten, z. V. die Studentenunruhen, die Hungersnot, die Cholera, die Bauernaufstände. Über solche Ereignisse war es manchmal nur gestattet, die Mitteilungen des »Regierungsanzeigers» abzudrucken, aber ohne jeden Kommentar dazu. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre waren Bewilligungen zu neuen allgemeinen periodischen Publikationen nur mit außer ordentlicher Schwierigkeit zu erlangen, so daß die Zahl solcher Publikationen — die Fach- und Lokalzeitschriften ausgenommen — eher ab- als zunahm; in den Fällen aber, wo eine Erlaubnis erteilt wird, wird gewöhnlich das Programm des Journals be schränkt (»Nir Losbrj» — Welt Gottes — wurde erlaubt, aber ohne innere und ausländische Chronik, die Kiewer Zeitschrift »Kunst und Leben« ohne Leitartikel, usw.). *) Auch unser Artikel hat im Original die russische Zensur passieren müssen, als Bestandteil der Bände des »Encyklopädischen Wörterbuchs-, deren Druck, aber nicht deren Erscheinen ohne Be willigung der Zensur erfolgen kann. Dem Vernehmen nach sind bei dem Artikel auch wörtlich Beanstandungen seitens der Zensur vorgekommen, was wahrscheinlich dazu genötigt hat, gewisse Änderungen in den fertigen Bogen vorzunehmen und diese selbst neu zu drucken. Die letzten Jahre haben wenig Veränderung in die Lage der Presse gebracht. Mit Ausschluß der kurzen Unterbrechung im Jahre 1896, wo ziemlich viele neue periodische Publikationen er laubt wurden, die man aber sehr bald wieder unterdrückte oder die zu erscheinen aufhören mußten, weil man z. B. den ständigen Redakteur nicht bestätigte, wurden Bewilligungen zu neuen Publi kationen, wie früher, nur mit großer Schwierigkeit erteilt. Nach dem Verbot des »I^ocvojs Aorvo« (Neues Wort, 1897) infolge einer Beratung der Minister wurde ein Journal gleicher Richtung »Uatsobalo« (Prinzip) gestattet, das nach einigen Monaten in der selben Ordnung verboten wurde. Ebenso erging es dem »8jsvsrn^j Kursor- (Nordischer Kurier) und »Rossija« (Rußland), die gestattet, aber bald wieder verboten wurden. Zirkulare wurden wie früher in beträchtlicher Menge herausgegeben. Die Lage der Provinzial presse blieb die alte, daneben wurden Bücher, namentlich größere, mit etwas mehr Erleichterung erlaubt als früher. So wurde die Übersetzung von Karl Marx' »Kapital« gestattet, die schon 1872 er laubt war, aber dann lauge Zeit nicht wieder gedruckt werden durfte. 1900 wurde die erste Provinzialzeitung (der »Kijscvljanin«) von der Präventivzensur befreit (vorher war es nur einmal vor gekommen, daß 1895 eine Lokalzeitung in Tschita sin Transbaikalienj ohne Präventivzensur erscheinen durfte, aber sie ging bald ein) und dem »Kisovlsaniv« folgte in der Befreiung von der Präventivzensur der »lusbuz-j Kras« (Südliches Land) in Charkow. Eine Zusammenstellung aller Verfahren, die gegen die Presse in Rußland seit dem Jahre 1862 vorgenommen worden sind, hat der schon oben genannte W. Vogutscharskij an einer andern Stelle des »Encyklopädischen Wörterbuchs«*) gegeben. Zunächst sind die Verfahren gegen die periodischen Publikationen (Zeitungen und Zeitschriften) chronologisch zusammengestellt, mit Angabe der nähern Umstände. Sie geben nach der Berechnung des Verfassers folgendes Gesamtbild: Im Jahre 1862 wurden 8 Publikationen auf immer verboten. In den Jahren 1862 bis 1903 kam die Menge der Strafen, die der periodischen Presse auferlegt wurden, in folgenden Ziffern zum Ausdruck: Die Gesamtzahl aller Strafen betrug 581; ganz verboten wurden 25 Publikationen; an Ver warnungen wurden erteilt: 115 erste, 88 zweite, 56 dritte mit dem Verbot des Erscheinens auf eine Zeit von zusammen 18 Jahren, 3 Monaten, 3 Wochen und 2 Tagen. Ohne Angabe von Gründen erfolgten Verbote in 83 Fällen auf eine Zeit von zusammen 31 Jahren, 10 Tagen. Die Summe aller Verbote erstreckte sich also auf 49 Jahre 4 Monate. 186mal wurde der Verkauf ein zelner Nummern und 26mal die Aufnahme privater Inserate ver boten. Außerdem wurde einmal ein gedruckter Artikel vernichtet und der Redakteur abgesetzt; eine andere Zeitung (Horvojs IVrswja) erhielt »eine strenge Vermahnung« vom Minister des Innern. Endlich durften 5 Hefte verschiedener Zeitschriften (Revuen) über haupt nicht erscheinen. — Auf die periodischen Publikationen folgt dann eine chronologische Zusammenstellung der Bücher, die in der Zeit von 1865 bis 1903 von Amts wegen vernichtet wurden. Wir zählen im ganzen 122 Titel, doch betraf die Vernichtung zu weilen nur Teile der Werke. Von Werken deutscher Autoren, deren russische Übersetzungen der Vernichtung anheim fielen, sind in der Zusammenstellung angeführt: Lassalles Werke; Strauß, Voltaires Leben und Werke; Scherr, Historische Charakteristiken und Studien; W. Müller, Politische Geschichte der neuesten Zeit; Büchner, Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir? Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte (in zwei Ausgaben, die eine von Gerd 1872, die andere von Brandt 1879); Schweitzer, Lu- cinde; Neumann, Geschichte der Vereinigten Staaten (Bd. II.); L. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich seit 1789 (Bd. I.); Hettner, Geschichte der allgemeinen Lite ratur des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. III, Buch 2); Scherr, Menschliche Tragikomödie; Haeckel, Geschichte der Stammesent wicklung der Organismen; Paulsen, Einleitung in die Philo sophie (Ausgabe der Moskauer Psychologischen Gesellschaft); Blos, Geschichte der französischen Revolution; Ofner und Singer, Skizzen der sozialen Jurisprudenz; Rodbertus' Schriften (ausgewählte Stellen); Norden, Skizze der politischen Ökonomie; Krafft-Ebing, Us^obopatbia ssxualis; Bebel, die Frau; Haeckel, Welträtsel; Marx, das Elend der Philosophie (dieses Werk erschien freilich ursprünglich in französischer Sprache und ist vom Verfasser auch so geschrieben worden; die spätere deutsche Übersetzung besorgten andere Autoren). Aus der ziemlich großen, in Büchern und Zeitschriften zer streuten Literatur über die Zensur in Rußland seien hier nur an geführt: Alphabetischer Katalog der Werke in russischer Sprache, deren Umlauf und Wiederabdruck verboten ist (russisch. Petersburg 1888); W. I. Nagradow, Moderne russische Zensur und Presse (Berlin, 1894); Karamyschew, Sammlung der Zirkulare und Verfügungen über die Presse vom Jahre 1882 bis 1897 (russisch. Petersburg 1897). *) Unter dem Stichwort .Aonsurn/ja vszfslravija" (Zensur strafen) in Band 38, S, 1—8 (Petersburg 1903). 1067*
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