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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1905
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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H 301 29. Dezember 1905. Nichtamtlicher Teil 12125 sind. Wir verpflichten uns, die jetzt bestehenden Zensurgesetze zu ignorieren und uns künftig um keine Zensurvorschriften mehr zu kümmern. - In einer Versammlung von Arbeitern der Druckgewerbe und der Presse, die von 2000 Mitgliedern besucht war, wurde mit allen gegen zwei Stimmen beschlossen, die Verwirklichung der Preßfreiheit durch aktive Beteiligung zu unterstützen, und zwar a) durch die Weigerung, Manuskripte zu drucken und zu setzen, die die Druckerlaubnis der Zensurbehörden erhalten; d) die Druckereien, die noch ferner mit den Zensurbehörden verkehren, zu boykottieren; o) in solchen Druckereien die Arbeiter — nötigenfalls gewalt sam — zu zwingen, die Arbeit niederzulegen. Von der Organisation der Vuchdruckereibesitzer wurde ferner beschlossen, daß in St. Petersburg vom 4./17. November an kein Buch mebr erscheinen soll, das mit der Druckerlaubnis einer Zensurbehörde versehen ist. Mit allen Buchhändlern, die solche Bücher verkaufen, und ebenso auch mit allen Zeitungen und Zeit schriften, die solche Druckschriften besprechen oder inserieren, ist der Verkehr abzubrechen. Allen Beschlüssen der Generalversamm lung des Verbands wolle man sich unterwerfen. Für die Ar beiter der Presse, die unter den bevorstehenden Kämpfen zu leiden haben, soll ein Unterstützungsfonds aus Mitgliederbeiträgen gebildet werden, die auf mindestens 25 Rubel zu normieren sind. Bücherlirbhabkr und Büchernarren. »Das unschuldige und köstliche Fieber des Bücherliebhabers-, sagt Charles Nodier, »wird zum akuten Fieberwahnsinn bei dem Büchernarren. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt. Aus dem Bücherliebhaber wird oftmals ein Büchernarr, wenn sein Geist abnimmt, oder wenn sein Vermögen sich vergrößert, zwei Dinge, denen die rechtschaffensten Menschen ausgesetzt sind; ersteres kommt jedoch weit häufiger vor, als letzteres.« — Wie alle Passionen, so hat auch die Liebe zu Büchern ihre Sonderbarkeiten. In »Un. Usvuo«, einer der hervorragendsten französischen Zeitschriften, finden wir einen langen und inter essanten Aufsatz (Auszug aus »Cim, 1,6 lävro«), wie so oft der Bibliophile sich zum Bibliomanen entwickelt, für den das Buch alles ist, ja für den alles übrige nicht existiert und nicht zählt. Wir werden erinnert, daß Dibdin (1776—1847), einer der be rühmtesten Bücherkenner Englands, sich in einem seiner Briefe selbst dazu beglückwünscht, daß er sich in einer öffentlichen Biblio thek Straßburgs allein aufhalten konnte, ohne daß er seinem Gewissen irgendwelche Vorwürfe zu machen brauchte, d. h., ohne der Versuchung zu verfallen, einige kostbare Bände heimlich in seine Taschen gleiten zu lassen. Bezugnehmend auf die Extreme, zu denen solche Liebhaber durch die übertriebene Liebe zu seltenen Büchern geführt werden, sagt Edmond Texier (1816 -1887) in einem Buch »Uss ebobss äu tswpg prössvt«: »Von allen von Gott geschaffnen Lebewesen ist der Vttcher- liebhaber unstreitig der egoistischste und ungestümste. Die Liebe zum Gold ist nichts im Vergleich zu der zu Büchern. Ein gewöhn licher Sterblicher wird niemals alle die ungesunden Leidenschaften verstehen lernen, die die Seele eines Liebhabers alter Schmöker erregen beim Anblick eines Exemplars, das einzig in seiner Art ist oder das als selten auch nur in einem Katalog verzeichnet steht. Um in den Besitz dieses Schatzes zu gelangen, wird er vor keiner Schlechtigkeit, ja sogar vor keinem Verbrechen zurückschrecken.. Der folgende Vorfall, der sich in London abgespielt hat, wird besser als alle andern Beispiele beweisen, zu welchem Frevel ein Mann von Bildung fähig ist, der dem bibliographischen Dämon nicht zu widerstehen vermag. — Zwei Herren, große Bibliophilen, beauftragten Wittingham, den ersten Drucker Englands, für sie auf gemeinsame Kosten ein Buch zu drucken, dessen Auflage auf zwei Exemplare beschränkt sein sollte. Sie bestellten das Velinpapier, kauften neue Schriftzeichen, überwachten den Druck und versäumten nichts, um diese beiden Bücher, geschmückt mit Originalgravüren, zu zwei Wundern moderner Vuchdruckerkunst zu machen. Nachdem das Werk gedruckt, gefalzt und beschnitten Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang war, wurde es einem Buchbinder anvertraut, der die beiden Exem plare in prächtige und in allen Punkten gleichartige Einbände klei dete; und unsre beiden Liebhaber traten jeder in den Besitz seines Schatzes. — Glaubt man vielleicht, daß diese beiden Leute jetzt zu frieden und glücklich waren? — Keineswegs; den einen gelüstete nach dem Exemplar des andern. Nicht lange nachher hatte der eine von ihnen eine Reise in die Provinz zu machen; der andre, mit zuhändigen, um, wie er vorgab, die Gravüren miteinander ver gleichen zu können. Nichts argwöhnend, willigte die Frau ein, und er, scheinbar das Buch sorgsam prüfend, riß unbeobachtet zwei oder drei Blätter heraus und kehrte dann triumphierend mit seinem Exemplar heim, das auf diese Weise einzig in seiner Art geworden war. Nach Rückkehr des Besitzers des unvollständigen Exemplars hörte dieser von dem Besuche seines Freundes, schöpfte Verdacht, aus ihrer Gesellschaft auszustoßen und seinen Namen aus der Mitgliederliste zu streichen; indessen dieser erschien persönlich in der Versammlung und sagte stolz: -Wer von Euch würde nicht genau so gehandelt haben wie ich?« — »AllerdingsI- antwortete einer der Anwesenden; — sein Name wurde nicht gestrichen. Der wahre Büchernarr denkt mit Caesar, daß nichts getan ist, so lange noch etwas zu tun übrig ist, daß alles, was er besitzt, verschwindend wenig ist, wenn nicht die Schätze eines andern auch für ihn erreichbar sind. »Einer meiner Freunde erzählte mir», bemerkt Texier, »daß er von einem unbezwinglichen Wunsche ergriffen wurde, seine eigne Bibliothek in Brand zu stecken, nachdem er diejenige des Duc d'Aumale gesehen hatte Neid. Mißgunst, Begierde nach andrer Leute Habe sind die geringsten Makel an einem Büchernarren.« Der wirkliche Bücherliebhaber kennt indessen nichts von all diesem. Groll, Haß, diesen ungezähmten Lüsternheiten; er ist viel mehr zufrieden mit sich selbst und mit andern. Zahlreich sind da amüsante Begebenheiten in bezug auf Bibliomanie und Bibliolatrie. Der berühmte Hellenist Guillaume Budo (1467—1540) fand selbst an seinem Hochzeitstage die Zeit, mindestens drei Stunden zwischen seinen Büchern, seinen stummen Schätzen, zuzubringen — was übrigens nicht verhinderte, daß er Vater von sieben Söhnen und vier Töchtern wurde. Cr war es auch, der seiner Dienerin zurief, als diese keuchend in sein Zimmer stürzte, ihn in seinen Studien unterbrach und meldete, daß das Haus in Flammen stände: »Schon gut, sag' es meiner Frau; du weißt, daß ich mich um Wirtschaftsangelegenheiten nicht kümmere!« Ein andrer berühmter Hellenist und Philosoph des 16. Jahr hunderts, Adrien Turnöbe (1512—1565) war so mit seinen Büchern beschäftigt, daß er die Feier seiner eigenen Hochzeit darüber vergaß. Der gelehrte Drucker Fröderic Morel le Jeune (1558—1630), der Professor am OoUeAS ä6 k'ravee und gleichzeitig ein leiden schaftlicher Reisender war, vollendete seine Untersuchungen über den griechischen Sophisten Libanius, als man ihn davon benach richtigte, daß seine Frau, für die er, wohl gemerkt, eine wirkliche und sehr lebhafte Zuneigung empfand, und die schwer krank darnieder lag, darum bat, ihn zu sehen. »Noch zwei Worte, und ich komme-, antwortete er. Aber die beiden Worte dehnten sich über Gebühr aus, und derselbe Bote eilte herbei, um ihm mitzuteilen, daß die Kranke soeben verschieden sei. — »Oh, wie tief mich das betrübt!«, seufzte Frädöric Morel, sich von neuem in seine Bücher vertiefend. Der Mediziner und Gelehrte Jacques Goupil (f 1564), Professor der Botanik in Paris, sah seine Bibliothek während der Unruhen der »Ligue« der Plünderung preisgegeben und starb aus Verzweiflung darüber. Der Straßburger Philolog Brunck (1729—1803), den Schicksals schläge zwangen, sich im Jahre 1791 von einem Teil seiner Biblio thek zu trennen, und der später, im Jahre 1801, nochmals zu dem selben Ausweg seine Zuflucht nehmen mußte, blieb untröstlich über den Verlust seiner vielgeliebten Bücher. Als man in seiner Gegen wart von einem Autor sprach, dessen Werke er besessen hatte, kamen 1595
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