Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1905
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- 1905-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1905
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12126 Nichtamtlicher Teil. 301, 29. Dezember 1905. ihm die Tränen in die Augen. Von jenem Augenblick an waren ihm die griechischen Schriften, die ihm seinen Ruf eingebracht hatten, völlig verhaßt. Er starb kurz nach dem letzten Verkauf, dem letzten Schicksalsschlag. Einer der sonderbarsten Todesfälle, die durch Bücher ver ursacht wurden, ist der des Marquis de Chalabre (19. Jahrh.), der aus Verzweiflung darüber starb, daß er einen Band nicht be schaffen konnte, den es überhaupt nicht gab, eine Bibel, die von Charles Nodier in einem Augenblick munterer Laune erdichtet worden war. Der Journalist Armand Berlin (1801- 1854), äireotsur äes vöbats und Besitzer einer der schönsten Bücher-Sammlungen, die es gab, entschlummerte sanft in seiner Bibliothek. Todkrank ließ er sich inmitten seiner Bücher bringen, ergriff einen Band, an dem er mit besondrer Liebe hing, und durchblätterte und be schaute ihn, bis ihm der Tod die Augen schloß. Gleichfalls in seinen Bibliotheksräumen starb der Sammler Motteley (f 1850). Er wird uns als ein leidenschaftlicher und eifersüchtiger Bibliophile beschrieben. An jeder Tür seiner Wohnung befand sich ein Schloß mit geheimer Feder, und die Haustür war, außer dem gewöhnlichen Schloß, noch durch ein mächtiges Vorhängeschloß verwahrt. Er empfing äußerst selten Besucher und weigerte sich hartnäckig, selbst die notwendigsten Reparaturen in seiner Behausung machen zu lassen, aus Furcht vor einer unbeabsichtigten, aber immerhin möglichen Berührung zwischen den von Gipsschutt weißen Händen der Handwerker und den kostbaren Einbänden seiner Folianten. Letztere waren denn auch die einzigen Zeugen seines Todes, der ihn plötzlich inmitten der Nacht abrief. Sein Arbeitszimmer repräsentierte einen Wert von über 100 000 Francs, während sich an barem Gelde eine derartig geringe Summe vorfand, daß diese kaum genügte, ihn standesgemäß beizusetzen. Die wundervollen Bücher aus der Sammlung Motteley, die der Bibliothek des Louvre ein verleibt wurden, fielen leider später während der Feuersbrunst im Mai 1871 dem Feuer zum Opfer. Theodor Mommsen (1817—1908) saß eines Abends im Januar 1903 müde und abgespannt durch Studieren seiner Bücher in seiner Bibliothek. Mit der brennenden Wachskerze, die er in der Hand hielt, kam er seinen langen weißen Haaren zu nahe und trug schwere Brandwunden am Kopfe und im Gesicht davon. Cr starb im darauf folgenden November. Einer der merkwürdigsten Typen von Bücherliebhabern, die gelebt haben, war Antoine Magliabecchi (1633—1714) aus Florenz. einer der außergewöhnlichsten Menschen seines Jahr hunderts. Aus ganz armer Familie, war Magliabecchi zuerst bei einem Frucht- und Gemüsehändler in Diensten. Obgleich er nicht lesen konnte, hielt eine Art Instinkt seine Augen andauernd auf die Makulatur und die Blätter der alten Bücher, die zum Ein wickeln der verkauften Ware bestimmt waren, gerichtet. Ein Buch händler aus der Nachbarschaft, dem diese Eigenheit ausgefallen war, fragte das Kind aus, das ihm dann gestand, wie sehr es sich bei dem Fruchthändler langweile und wie groß seine Freude sein würde, wenn es bei ihm in Dienst treten könnte, in ein Haus voll von Büchern. Der junge Magliabecchi erhielt die Erlaubnis hierzu, und sein neuer Herr erkannte bald, wie sehr er sich zu seiner Erwerbung beglückwünschen konnte; denn der neue Lehrling war, dank seinem unglaublichen Gedächtnis, nach wenigen Tagen im stande, alle Bücher, nach denen man ihn fragte, schneller zu finden, als der Buchhändler selbst. Hier war es denn auch, wo er sich die Kunst des Lesens aneignete, und wo er Michel Ermini, den Biblio thekar des Kardinals von Medici, kennen lernte, der ihm mit Rat und guten Lehren zur Seite stand. Unter der Leitung dieses Lehrers machte er schnelle Fortschritte. Er studierte unaufhörlich und besaß ein derartig glückliches Gedächtnis daß er so zu sagen, nichts von dem vergaß, was er gelesen hatte. Bald wurde er das Orakel der Ge lehrten; er antwortete auf alle ihre Fragen mit einer bewunderns werten Genauigkeit, indem er den Verfasser, die Ausgabe und selbst die Seite zitierte, wo man die Lösung der ihm gestellten Aufgabe finden konnte. Der Herzog Kosmus III., der von dem Verdienst dieses jungen Mannes gehört hatte, ernannte ihn zum Konser vator der Bibliothek seines Palastes und beauftragte ihn gleich zeitig damit, die Manuskripte der Laurentianischen Bibliothek zu Florenz, soweit er sie für die Öffentlichkeit von Nutzen glaubte, zu kopieren. Hier fand sich Magliabecchi in seinem Element; aber sogar diese ungeheure Menge Bücher, die ihn um gab, genügte seiner unersättlichen Begierde nicht; er wollte auch mit den andern führenden Bibliotheken Europas vertraut werden. Obgleich er von Florenz nur einige Male ab wesend war, erreichte er dieses Ziel, und zwar durch die Lektüre der Kataloge, gedruckter und ungedruckter, durch seine Korrespondenz und durch seine Unterredungen mit den gelehrten Reisenden. Er kannte besser als irgend jemand sonst alle bedeutenden literarischen Schätze, wobei ihm sein erstaunliches Gedächtnis stets gute Dienste leistete. Bei dieser Gelegenheit erzählt man sich, daß der Herzog eines Tages von ihm ein sehr seltenes Werk verlangte und daß Magliabecchi ihm antwortete: »Monseigneur, es ist mir unmöglich, Euch das Gewünschte zu beschaffen; es gibt nur ein einziges Exemplar auf der Welt, und dieses Exemplar befindet sich in Constantinopel, in der Bibliothek des Großen Türken. Und zwar ist es der siebente Band der zweiten Auflage, beim Eintreten im Schrank auf der rechten Seite.« Magliabecchi hatte eine besondere Art zu lesen oder vielmehr die Bücher zu durchfliegen. Wenn ihm ein neuer Band in die Hände fiel, prüfte er den Titel, dann die letzte Seite, durchblätterte das Vorwort, die Dedikation, das Inhaltsverzeichnis, warf einen Blick auf jede der Hauptabteilungen und hatte damit genügend gesehen, um nicht nur darüber urteilen zu können, was das Buch enthielt, sondern um auch zu wissen, aus welchen Quellen der Verfasser geschöpft hatte. Nachdem er Bibliothekar geworden war, änderte er nichts in seinen Gewohnheiten; er war immer nachlässig in seiner Kleidung und besaß als ganzes Mobiliar ein Bett, auf dem er die wenigen Stunden zubrachte, die er dem Schlaf nicht entziehen konnte. Oftmals schlief er sogar völlig angekleidet in seinem Stuhl oder auf den Papieren und Broschüren, mit denen sein Bett stets bedeckt war. Zwei oder drei Säle der ersten Etage seines Hauses waren mit alten Schmökern angefüllt. Nicht nur daß er sie in Regalen untergebracht hatte, sondern sie waren auch in Stößen in der Mitte jedes Zimmers aufgebaut, so daß es fast eine Unmöglichkeit war, sich irgendwo niederzusetzen, und noch mehr, herumzugehen. Ein enger Gang war indessen frei gelassen. durch den man, seitwärts gehend, von einem Raum zum andern passieren konnte. Das war aber nicht alles; der Korridor nicht daran, das zu finden, wessen er gerade benötigte; er kannte seine Lieblinge so gut, ja selbst die kleinsten unter ihnen, daß er sie schon nach dem Einbande oder Umschlag herausfand. Er aß merksamkeiten. Er ließ ihm in seinem eigenen Palast eine behag liche Wohnung einrichten, um ihm seinen Lebensabend sorgenlos zu gestalten; aber Magliabecchi bewohnte diese nur einige Mo- zurückkehren zu können, wo er sich ungezwungen fühlte. Antoine Magliabecchi starb im Alter von 81 Jahren. In seinem Testament vermachte er seine Bibliothek, die aus etwa 30000 Bänden bestand, seiner Vaterstadt. Diese Sammlung, die seitdem noch manchen Zuwachs erfahren hat, ist noch heute die bedeutendste in Florenz; sie trägt den Namen -Liblioteoa, NaAlia.b6ee1iig.v8.«. Von dem belgischen Bibliophilen Van Hulthem (1764—1832) erwähnt man, daß der Tisch, an dem er seine spärlichen Mahl zeiten einnahm, mit alten Folianten bedeckt war, so daß sich kaum Platz fand, eine Serviette ausbreiten zu können; ebenso war der Alkoven mit Büchern versperrt. So sehr fürchtete er den Staub und den Rauch für seine stummen Freunde, daß er selbst während des rauhesten Winter kein Feuer in seinem Zimmer machen ließ. Als die Kälte indessen einmal gar zu grimmig wurde und er allzusehr darunter litt, blieb er im Bett und ließ sich einen seiner Folianten auf die Füße legen, um wieder warm zu werden. Ein andres Beispiel von Hingebung zu Büchern und auch Entbehrung durch Bücher ist das von dem polnischen Prälaten
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