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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.05.1901
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1901-05-17
- Erscheinungsdatum
- 17.05.1901
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d, deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4027 (vr. Vogel.) genügen würde — wenn man ins Auge faßt, daß Tausende in gleicher Lage sich dieses Erbe nicht erwerben —, um den Be treffenden zu berechtigen, die Erzeugnisse dieses seines Fleißes für sich allein in Anspruch zu nehmen, ohne dafür zu Gratisleistungen für die Oeffentlichkeit herangezogen zu werden. Aber weiter: eine solche Aneignung geschieht auf Grund von persönlichen Neigungen, von Anlagen, von Talenten; und für diese rein individuellen Eigenschaften ist der Dichter, der Komponist wiederum nicht seiner Nation verpflichtet, sondern der Natur. Und endlich, meine Herren, nun das Wichtigste von allem: es gilt nicht allein, das Erbe zu erwerben und es zu besitzen, sondern es gilt vor allen Dingen, das Erbe zu vermehren. Und so beruht aller wirkliche Fortschritt letzten Endes ganz ausschließlich auf der rein individuellen Mehrleistung. Nicht mit Unrecht hat man deshalb als das eigentliche Wesen der Kunst die gesteigerte Individualität bezeichnet. Gerade umgekehrt also ist cs. Das Beste und Hervorragendste, was ge leistet wird — das will man allerdings von seiten der äußersten Linken nicht Wort haben —, verdanken wir nicht den breiten Schichten der Bevölkerung, die das Erbe antreten, nur um damit hauszuhalten, und es verwalten, sondern das verdanken wir jener verhältnismäßig beschränkten Minderheit von Männern, die, schöpferisch veranlagt, aus eigener Fülle der Kraft die Nation höheren Zielen und größerer Vollkommenheit entgegenführen; und hierin liegt gleichzeitig der schönste und wertvollste Dank, den diese Männer der Nation darbringen. Sie lassen den kom menden Generationen nicht nur das Erbe ungeschmälert nach, wie sie es selber überkommen haben, sondern reich vermehrt, bestimmt, in alle Zukunft weitere reiche Früchte zu tragen. In diesem schönsten Sinne erfüllen auch alle gediegenen Künstler und Schriftsteller ihre Pflichten gegen die Nation; und um so klein licher und unwürdiger erscheint es, wenn man nun auf Grund dieses Gesetzes statt dessen von ihnen verlangt, daß sie einen Teil ihrer materiellen Revenuen der Oeffentlichkeit preisgeben sollen, von ihnen Opfer fordert, die man von keinem Tagelöhner ver langen würde. Meine Herren, man kann das Wort -nobils oküoium-, das ich schon einmal angewandt habe, auch wohl mit dem Worte -Anstandspflicht- verdeutschen. Nun ist cs bekannt, daß der Anstand auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn Sie von jemandem etwas zum Gebrauch entlehnen, dessen Nutznießung ihm selbst zusteht, weil er es selbst geschaffen hat, sei es zu dem besten und nützlichsten Zwecke, etwa zum Zwecke der Wohlthätigkcir oder des Unterrichts oder zur Herstellung eines neuen Kommersbuches, so erfordert es der einfachste Anstand, daß Sie bei ihm zum mindesten anfragcn. Ich nehme mir im Wirtshaus keinen herrenlosen Stuhl von dem Nachbarstische, ohne dem, der an dem Tische sitzt, das Wort: er lauben Sie! — zu gönnen. Nun sind aber Gedichte und Kompo sitionen durchaus keine herrenlose Stühle, und ich frage Sie nun: halten Sie es für recht und anständig, wenn der Kompilator mit einem tzts-toi, gas js m'^ wstts dem Besitzer den Stuhl unter dem Körper wcgzieht, um sich selbst darauf zu setzen? Das war bis jetzt in guter Gesellschaft nicht Sitte. Ich stehe durchaus auf dem Standpunkte des Herrn Abgeordneten Oertel, daß man An- standspflichtcn nicht zum Gegenstand der Gesetze machen soll. Aber noch viel weniger soll man die einfachsten Anstandspflichtcn durch das Gesetz für überflüssig erklären, und das geschieht, wenn man dem Kompilator die Erlaubnis giebt, den Dichter und Kom ponisten zu gebrauchen, wie er will, ohne ihn nur einmal zu fragen. Ich streife nur noch einige Unzuträglichkeiten, die sich in der Konsequenz dieses Verfahrens Herausstellen müssen. Andere sind schon früher erwähnt worden. Nicht immer trifft die Wahl des KompilatvrS gerade genehme Gedichte und Stücke, von denen der Schriftsteller wünscht, daß sie in die fraglichen Kompilationen aus genommen werden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß man, namentlich im Alter, vielfach auf die früheren Kinder seiner Muse nicht mit ungeteiltem Vergnügen und ungetrübtem Vaterstolz herabblickt. Ein Beispiel für viele! Das Lied -Grad' aus dem Wirtshaus komm ich heraus- ist bekanntlich von dem preußischen Kultusminister v. Wühler verfaßt. Mir selbst liegt das Lied mit seiner schwungvollen spanischen Tanzmelodie sehr am Herzen, nicht etwa, weil ich Gelegenheit hätte, die Naturwahrheit dieses Ge dichtes jetzt noch häufiger an meiner eigenen Person zu erproben, sondern weil es beweist, daß trotz aller düsteren Weissagungen der Temperenzler und Abstinenzler ein trinkfroher, wenn auch nicht ganz trinkfester Student immer noch preußischer Kultus minister werden kann. Aber das ist nicht ausschlaggebend. Glaub haft ist mir dagegen versichert worden, daß der spätere Kultus minister v. Wühler durchaus nicht angenehm davon berührt worden ist, daß er gerade durch dieses Lied, das er in der Zeit des Jugendübermutes gesungen, in den Kommersbüchern auf die Nachwelt gekommen ist. Meine Herren, dergleichen Beispiele ließen sich vermehren. Sie beweisen das eine, daß es ein unveräußerliches Reckt des Dichters ist, selbst zu entscheiden, wie und wo er benutzt werden soll, und dieses unveräußerliche Recht, was man jedem Komponisten und Autor zubilligen muß, ist durch das Gesetz zweifellos in Frage gestellt. Von solchen Bedenken abgesehen, ist wohl anzuerkennen, daß das Gesetz vor allen Dingen auch dem Komponisten eine wesentlich bessere Grundlage zur Wahrung seiner Rechte verleiht, als es die bis jetzt geltenden Gesetze gethan haben. In weiterem Umfange als bisher ist vor allen Dingen das Aufführungsrecht als integrierender Bestandteil des Urheberrechts fixiert, und ich bin der festen Ueberzeugung, daß es dem Komponisten nunmehr gelingen wird, das Publikum von der verkehrten Ansicht abzubringen, als ob man durch den Ankauf der Noten zugleich auch das Recht erwürbe, die betreffende Komposition auch öffent lich aufzuführen. Des weiteren bin ich der Ueberzeugung, daß es dem Komponisten viel leichter werden wird als bisher, entgegen dem bisherigen Geschäftsgebrauch, wonach es fast als selbstver ständlich angesehen wurde, wenigstens als Regel galt, daß das Aufführungsrecht zu gleicher Zeit mit dem Verlagsrecht übertragen wurde, dem Verleger gegenüber sein Recht durchzusetzen und sich die Tantiemen für die Aufführung seiner Werke zu retten. Aller dings ist auch diese Hoffnung keine ganz ungetrübte. Ich möchte auf diese Bedenken näher eingehen, weil sie auch für gewisse Para graphen des Verlagsrechts von Bedeutung sind. Meine Herren, schon in der Kommission mußte ich mir immer und immer wieder die Frage vorlegen, ob wir nicht trotz dem besten Willen dem Dichter, Schriftsteller, Komponisten seine Rechte zu sichern, weniger diesen nützen, als vielmehr dem Verleger in die Tasche arbeiten. Ich stehe mit dieser Auffassung durchaus nicht allein; auch viele andere Kommissionsmitglieder sind bei verschiedenen Punkten der Vorlage häufig auf diesen Gegenstand zurückgekommen. Die Dinge liegen nun einmal so, daß von den beiden Vertragschließenden der Verleger dem Schriftsteller und dem Komponisten gegenüber meistenteils der lleberlegene ist, nicht nur in geschäftlicher Beziehung durch seine Sach- und Fachkunde, sondern vor allem in wirtschaftlicher Beziehung. Es ist also die Frage, ob denn auch wirklich mit diesem Gesetz in der Hand, das nur dispositioes Recht schafft, der Urheber in der Lage ist, sich einen Vorteil zu erringen, d. h., ob es ihm gelingt, gewisse wesentliche Teile seines Urheberrechts auch dem Verleger gegen über vertragsmäßig zu sichern. Ich erinnere mich dabei eines Wortes, welches vor Jahren einmal vom Ministertisch gefallen ist; es lautete: -Die Gesetze sind nicht dazu da, um die Dummen zu schützen.- Einen Nachklang an diese ministerielle Aeußerung glaubte ich aus den Worten des Herrn Abgeordneten Wellstein herauszuhören: ins vigsilavtidus scriptum sst. Das ist dem An scheine nach ein römisches Rechtssprickwort, und ich erinnere mich nicht, in einer Sammlung deutscher Rechtssprichwörter — und die ist sehr reichhaltig — ein entsprechendes gefunden zu haben. Am ehesten könnte man noch denken an den deutschen Spruch: Thu die Augen auf oder den Beutel! Aber dieser Spruch hat mit dem Rechte nichts zu thun. Daß sich aber in der deutschen Sprache ein Pendant zu jenem römischen Rechtssprichwort nicht findet, ist durchaus nicht zufällig; der Deutsche nimmt dem Gesetz gegenüber eine weitaus andere Stellung ein als der Römer. Im römischen Unterricht bildete das Studium des öffentlichen und privaten Rechts den eigentlichen Mittelpunkt, um den sich aller übrige Unterricht gruppierte. Im Deutschen ist das nicht der Fall. Ich selbst bekenne in tiefer Demut, daß ich von der Existenz eines Urheberrechts erst erfuhr, als ich in die Kommission cintrat, obgleich ich seit 30 Jahren schriftstellere. Ich möchte wohl wissen, wie viel Deutsche jahraus jahrein Hinsterben, ohne je ein Gesetz buch in der Hand gehabt zu haben. Wir Deutsche lernen alles Mögliche, nur nichts von den Gesetzen. Mit Ausnahme der Juristen sind allen Deutschen, auch den gebildeten, die Gesetze böhmische Dörfer, auf die sic erst aufmerksam werden, wenn man sie mit der Nase darauf stößt — und dann ist es ja leider meistens zu spät. Die Juristen mit ihrem lebhaften Interesse für das öffentliche Wohl, das sie auszeichnet, mögen das bedauern; ich selbst möchte aus Gründen, die mit meiner antisemitischen Ge sinnung zusammenhängen, wünschen, daß der Deutsche seine weit gehende juristische Naivctät bis zu einem gewissen Grade abstreifte. Aber das sind fromme Wünsche. Dem Deutschen wohnt nun ein mal eine angeborene Gleichgiltigkeit gegenüber dem Recht inne, er tritt mit einer gewissen Aengstlichkeit den Tausenden von Gesetzesparagraphen gegenüber, die ihm nur Sinn und Gedanken verwirren. Er ist Ueberzeugungsmensch; er sucht die Vorschriften für sein Handeln nicht in den Gesetzen, sondern in sich selbst. Ein gewisses, dem Deutschen angeborenes Gefühl für Recht und Billigkeit, guter Brauch und Sitte, Treue und Glauben regulieren und regieren bei uns weit besser und wirksamer die öffentlichen Verhältnisse als die geschriebenen Gesetze. Ja, ich gehe noch weiter: ein Mensch, der in Deutschland das Gesetzbuch immer bei der 526*
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