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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.12.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-12-28
- Erscheinungsdatum
- 28.12.1903
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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10684 Nichtamtlicher Teil. ^ 299, 28. Dezember 1903. zur letzten Minute — bis endlich die letzte Autorenkorrektur aus geführt ist, auf die oft mit der größten Angst gewartet worden war, bis endlich der letzte Vogen in der Maschine rasselt, und man den Trost hat: Nun kann keiner mehr etwas wollen! Wie oft war man dabei in Heller Verzweiflung und in Heller Wut über die arme Druckerei, der natürlich bei der Hetzerei und dem Durcheinander auch allerhand Menschliches passiert. Es ist manch mal ein Wunder, daß überhaupt ein Heft zur rechten Stunde zustande kommt. Das gehört zu den äußern Nöten, mit denen der Heraus geber zu kämpfen hat. Daneben gibt es aber noch andre, und eine der größten ist das Ringen mit dem Stoff überhaupt. Es sollen dem Leser nicht alle Redaktionsnöte und Redaktions geheimnisse verraten werden, nur das darf ihm anvertraut werden, daß hiermit nicht die Form des Stoffs gemeint ist — das ist eine zu diskrete Angelegenheit —, sondern rein das Ringen mit der Fülle des Segens. Alle Manuskripte, die sich einstellen, haben ja das dringende Bedürfnis, alsbald in Drucker schwärze getaucht zu werden. Alle haben sie die größte Eile, und alle wollen sie auf einmal in das nächste Heft, keines will es einsehen, daß es hinter dem andern zurückstehen muß, und der Herausgeber hat seine liebe Not mit Geduldpredigen und Ver trösten, bis endlich jedes hat daran kommen können. Aber manchmal dauert das eben lange, und da kann es denn zu einem unheimlichen Gewissensdruck für ihn werden, wenn ihn die Manuskripte im Schrank, die nicht zum Leben gelangen können, mit vorwurfsvollen Augen ansehen, wenn nicht gar mit drohenden. Sie denken nicht daran, daß sie für den Leser an dem Tage, wo sie in dem grünen Kleid in die Welt springen, so neu sind, wie am ersten Tag, wo ihr Verfasser den Strich unter sie gemacht hatte, und daß sie vielleicht schon längst vergessen wären, wenn sie sich nicht gerade erst jetzt zum Genüsse böten, wo sie erst recht zeitgemäß erscheinen können. Die Manuskripte? Sind die ungeduldig und ungebärdig? Der Leser hat es schon gemerkt, daß hier nur durch die Blume gesprochen worden ist, und daß er auf eine besondere Seite des Herausgeberberufs gelenkt werden soll, und zwar auf den Ver kehr mit den Mitarbeitern. Cs ist die schönste Seite des Berufs! Nichts macht das Leben so reich und so lebenswert als das Zusammenwirken mit geist vollen Männern, mit denen man sich eins weiß in den Zielen, denen man zustrebt, die man um den einen Mittelpunkt sammelt, seine Grünen, denen sie den Charakter und die Persönlichkeit geben. Nichts ist schöner — aber es ist schwierig! Je näher man seinen Mitarbeitern steht, je mehr sie bedeutende und eigentümliche Per sönlichkeiten sind, desto mehr macht man die Erfahrung, daß sie alle — ihre Eigentümlichkeiten haben. Man hat das frohe Ge fühl: ein Hirt und eine Herde! wenn man die Fäden in der Hand hält, die alle diese Geister zusammenführen; aber man muß manchmal doch sehr fest zufassen, wenn sich die Fäden nicht lösen oder verwirren sollen, oder wenn man nicht umgerissen werden will. Ich weiß nicht, was sich der Leser für eine Vorstellung von einem Hirten und einer Herde macht. Er hat sie vielleicht nur gelegentlich einmal aus einem Bild oder in der Sommerfrische oder von der Eisenbahn aus an einer Berghalde friedlich weiden sehen, und so wird er sich wohl auch einen Herausgeber und seine Mitarbeiterschaft denken, wenn das Bild vom Hirten und von der Herde gebraucht wird. Meine lieben Freunde werden das Bild hübsch finden, und sich vorstellen, wie sie so über die grüne Au der Hefte ziehn; aber heimlich werden sie sich gestehn, daß das friedliche Bild nicht immer den Vorgängen hinter der Bühne ent spricht. Was es für Petrus bedeutet hat, als ihm der Herr sagte: Weide meine Lämmer! kann sich jeder denken. Daß auch Böcke unter den ihm anvertrauten Lämmern waren, hat Sankt Petrus bald erfahren — Hans Sachs hat uns berichtet, was für Not der heilige Mann mit einer einzigen Geiß gehabt hat, die er einen Tag lang hüten sollte —; ein schlimmeres Geschick aber ist es noch, wenn man sich als das einzige Lamm unter lauter Böcken fühlt. Das kann dem guten Hirten passieren. Dann aber kann ihn nur, wenn er sie mit gesenkten Köpfen gegeneinander rennen sieht, oder wenn sie auf ihn selbst einstürnien, der Glaube an seine Sache retten: Ln! Viricki prato oovssclit Lboobus Apollo! So sind diese fünfundzwanzig Jahre dahingegangen, mit Freuden und mit Mühen. Beide sind unzertrennbar, und beide erneuen sich jeden Tag. Und die Reihe dieser Jahre umschließt fast ein ganzes Menschenleben. Ich war gerade zum Mann herangereift, als ich die Grenzboten in die Hände nehmen mußte, und jetzt stehe ich an der Schwelle des Greisenalters. Damals waren sie ein krankes Bäumchen, das die Blätter hängen ließ, und es hat der rastlosen Arbeit vieler Jahre bedurft, sie wieder zum Gedeihen zu bringen; aber es ist auch dann noch mancher Sturm gekommen, der sie zu entwurzeln drohte. Cs ist seltsam, wie manchmal ein Wort bestimmend auf ein ganzes Leben wirken kann. Der alte Freund meines Vaters, Julian Schmidt, hatte mich, als ich noch jung war, einmal darauf hingewiesen, wie ein Verleger führend und lenkend auf das geistige Leben des Kreises, in den er gestellt sei, einwirken könne, und daß das seine vornehmste Aufgabe sei. Er hatte damit einen Stachel in mein Herz gesetzt, denn den Mann, den er mir als Beispiel vorgehalten hatte, glaubte ich hassen zu müssen. Damals spornte mich das eine leidenschaftliche Gefühl: Du darfst nicht unterliegen! Es handelte sich bald darum, daß die Grenz boten um ihr Leben zu kämpfen hatten — sie durften nicht zu grunde gehen; es durfte denen nicht gelingen, denen ihr Unter gang erwünscht gewesen wäre, diesen herbeizuführen, sie mußten aufrcchterhalten bleiben, zu Ehren meines Vaters. Von solchen Gefühlen wurde ich anfänglich vorwärts getrieben, und dazu ge sellte sich nach und nach die Erkenntnis, welche Aufgabe die grünen Hefte erfüllen könnten, und daß sie eine Sache seien, die wert wäre, für sie zu leben. So sind sie meine Lebensarbeit geblieben, und wenn es auch vielfach eine harte und aufreibende Arbeit war, die mich nicht reich gemacht hat, so habe ich meine Befriedigung darin gefunden, daß sie nützlich gewesen ist. Mein Leben haben die Grenzboten doch reich gemacht, durch die geistige Anregung, die ich durch sie empfangen habe, durch die Freude am Schaffen und Wirken, und durch die Freunde, die sie mir zugeführt haben. Es ist ein un geheurer Schatz geistiger Arbeit, was die Reihen dieser Bände, die ich vor mir stehen habe, bergen. Wie viele bedeutende und hervor ragende Männer haben zu ihrem Inhalt beigetragen, wie viele an der Mitarbeit ihre literarischen Sporen verdient! Und das Wunder barste dabei ist, daß die Zeitschrift durch alle die vielen Jahre, über Generationen hinweg, ihre Frische und ihre Kraft bewahrt hat. Sie ist noch so jung wie an ihrem ersten Tage. Das aber liegt daran, daß sie nicht eine Ablagerungsstätte von Gelegenheitsvor trägen und dergleichen ist, sondern daß ihre Beiträge aus dem Leben heraus und für das Leben geschrieben sind, aus dem Drange zu nützen und zu belehren, für eine gute Sache zu wirken. Zu allen Zeiten waren viele, die mit Leib und Seele »Grenzboten» waren — und mit Ernst! Das war die Hauptsache! Ob im einzelnen einmal geirrt wird, darauf kommt so viel nicht an, wenn nur das eine vorhanden ist: ehrliche Überzeugung und der Wille zum Guten. Nach dem billigen Ruhm und dem verächt lichen Erfolg des Skandals, des Klatsches und der Pikanterie haben die Grenzboten und ihre Mitarbeiter nie getrachtet. Ihr Weg geht auf den Höhen, die über der Gemeinheit ragen. So war es, und so soll es bleiben. Was mir die Arbeit froh gemacht hat, war das Bewußtsein: wir haben die Besten für uns. Und so schaue ich, wie ich dieses Blatt als das letzte zu den vielen lege, die diesen zweiundscchzigsten Jahrgang füllen, dank bar auf die vergangene Zeit zurück und vertrauend in die Zu kunft. Es ist mir dabei, als zöge ich einen Vorhang vor meine Jugend und meine Mannesjahre. Aber wenn der Lebensweg jetzt auch abwärts geht: das weiß ich, daß mein Herz jung bleibt, so lange es schlägt, jung in dem Gefühl für das, was es als groß und schön, als wahr und gut erkannt hat Und dafür werde ich mit meinen Grünen kämpfen, solange mir Gott die Kraft gibt: zur Ehre des Vaterlandes, zur Ehre des Namens meines Vaters, oer auch der meines Sohnes ist, dem ich dieses Rüstzeug erhalten möchte — für Kaiser und Reich! I. Grunow. (Sprechsaal.) Fehlbogen (Defekt). Einen gewiß seltenen Fall von Rücksichtslosigkeit eines Ver legers bringe ich hiermit zur Kenntnis des Gesamtbuchhandels, wie er mir während meiner achtundfünfzigjährigen buchhändlerischen Tätigkeit noch nicht begegnet ist; konnte ich mich doch stets eines überaus angenehmen Verkehrs mit dem größten Teil der deutschen Verleger erfreuen. Es handelt sich um die Firma Emil Felber Verlag, Berlin. In einem Exemplare von Brockelmann, Geschichte der ara bischen Literatur, Band II, war Vogen 23 doppelt, dafür fehlte Bogen 28. Ich reklamierte bei Herrn Felber unter dem 24. Juli, 1b. August, 19. August, 17. September 1903 teilweise über Leipzig, teilweise direkt per Post, und am 24. September sandte ich den Bogen 23 in Begleitung eines eingeschriebenen Briefes zurück. Da auch dies nicht fruchtete und mein Kommissionär, Herr K. F. Koehler, ebenfalls keinen Erfolg hatte, so sehe ich mich genötigt, den Fehlbogen gerichtlich zu erzwingen, möchte aber nicht ver fehlen, den Kollegen diesen Fall zur Kenntnis zu bringen. Upsala. C. I. Lundström i. Fa. Akademische Buchhandlung. Anmerkung der Redaktion. — Der Fehlbogen ist, wie wir erfahren, nach unfern und Anderer Bemühungen, inzwischen geliefert worden. Die Veröffentlichung des Obigen mußte auf ausdrückliches Verlangen gleichwohl erfolgen.
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