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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1903
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- Deutsch
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>/6 300, 29. Dezember 1903. Nichtamtlicher Teil. 10711 reich hatte herkömmlich kein Tauschverhältnis bestanden, so daß eines Tags der später als Nachdrucker so bekannt ge wordene Wiener Herr v. Trattner, gewissermaßen im Auf trag der Kaiserin Maria Theresia, in Leipzig erschien und auf bessere Regelung des Bücherverkehrs zwischen Österreich und dem Norden hinzuarbeiten suchte. Zu einer Verstän digung kam es nicht, so daß Trattner den Nachdruck des norddeutschen Bedarfs in Aussicht stellte. In Leipzig scheint man dies nicht ernst genommen zu haben, aber es wurde ernst, und der Süden, von seinen Landesregierungen be günstigt, schloß sich dem unter den damaligen ärmlichen Verhältnissen mehr wirtschaftlichen als Kulturzwecke verfolgen den Kampfe gegen den Norden an. Vom Standpunkt der herrschenden Rechtsauffassung, wie sie im Privilegienwesen, das territorial, nicht Reichssache war, zum Ausdruck gelangte, war hiergegen nichts zu erinnern, vorausgesetzt, daß sich die Verbreitung der nachgedruckten Bücher auf Österreich und Süddeutschland beschränkte. Dies geschah nicht, und hierin lag die Rechtsverletzung. Der Nachdruck wurde massenhaft nach Norddeutschland ausgeführt und zwar, wofür ein auffallendes Beispiel bekannt ist, unter offizieller Begünstigung der nachdruckenden Länder. Das norddeutsche Publikum, welches durch die hohen Bücherpreise reichlich verstimmt war, kam diesem Verfahren freundlich ent gegen und zog die wohlfeilen Nachdruckerausgaben den teuren Originalausgaben vor. Den rechtmäßigen Verlegern wurde somit der Absatz neben den neutralen Gebieten sogar auf ihrem eignen Rechtsgebiet geschmälert. Als der Buchhandel sich beim Wiener Kongreß durch eine besondere Deputation um Unterdrückung des Nachdrucker treibens bemühte, wurde seitens der gelehrten Welt öffentlich befürwortet: dies Zugeständnis dem Buchhandel nicht zu machen, solange er nicht für mäßige Bücherpreise sorge. Wie sollte dies schon angesichts solcher Rechtszustände mög lich sein? Ein gemeinsames Vorgehen der Regierungen war solange nicht zu erwarten, als es an einem Ausgleich der literarischen Verkehrsinteressen fehlte, und dieser Ausgleich war damals stark im Anzuge. Der beste Beweis hierfür ist, daß der süddeutsche Cotta, der inzwischen den besten Teil der deut schen Klassiker in seinem Verlag vereinigt hatte, beim Wiener Kongreß der eifrigste Fürsprecher einer Ordnung der Rechts verhältnisse auf diesem Gebiete war. Der Norden wurde dem Süden allmählich sogar sehr tributpflichtig. Die französischen Kriege nebst der Fremdherrschaft hatten überdies bei weitem nicht so nachteilig auf den Buchhandel gewirkt, wie der siebenjährige Krieg mit seinem Gefolge von Teuerungsverhältnissen. Unmittelbar nach dem Frieden, im Jahre 1816, gab ein Berliner Firmenträger eine kurze Schilderung der dortigen Verhältnisse, die grundverschieden von den Berichten beim Reformversuch von 1802 -4 klang. Das Konditionsgeschäft hatte schon mitten im Krieg seine Dienste getan und eine Ordnung im Bllcherpreis hergestellt, die dein Ladenpreis das Illusorische der Übergangszeit vom Tausch- zum Konditionsgeschäst nahm und nur günstig für das Publikum wie für die Geschäftswelt wirken konnte. Mit der Niederwerfung des fränkischen Eroberers voll zog sich nicht allein die nationale, sondern auch die geistige Wiedergeburt Deutschlands. Der Buchhandel gewann nach wiederhergestelltem Frieden ein ganz andres Feld der Wirk samkeit, als ihm vor dem Krieg beschieden gewesen war. Sinn und Geschmack in literarischen Dingen, worüber man sich beim Reformversuch von 1802 in so drastischer Weise ergangen hatte, hoben sich zusehends. Die zwanziger Jahre, die Periode literarischer Beschaulichkeit und der ersten reichen Ernten unsrer Klassiker, gelten als das goldne Zeitalter des Buchhandels, was insoweit begründet ist, als bei dem steigenden literarischen Bedarf die Nachfrage in einem sehr günstigen Verhältnis zum Angebot stand. Der Buchhändler soll um jene Zeit, wie die Überlieferung sagt, mehr von den Kunden, als die Kunden vom Buchhändler umworben worden sein. Dem Ladenpreis war es damit leicht gemacht, sich tunlichst zu behaupten — bis die Schleuderer an den buchhändlerischen Zentren ihre wohlfeile Tätigkeit in der Befriedigung festen Bedarfs begannen und damit den Novitätenvertrieb des regulären Sortimentsbuchhandels, ohne welche Tätigkeit die ganzen Einrichtungen des Buchhandels keinen Sinn und Zweck haben würden, durchkreuzten und lähmten. Der Schleuderei ist nach jahrzehntelangem Treiben gegenwärtig sehr energisch vorgebaut durch Vereinigung des gesamten regulären Verlags- und Sortimentsbuchhandels, während früher, sogar noch eine Anzahl Jahre über die Gewerbefreiheit hinaus, an eine Einigung über die Preishaltung der Bücher nicht zu denken war. K. Dziatzko in seiner grundlegenden Arbeit für eine universalgeschichtliche Behandlung des Buchhandels (Handwörterbuch der Staats wissenschaften, Art. Buchhandel S. 756) erklärte schon 1891: Das zunächst ins Auge gefaßte Ziel, die Einschränkung der Schleuderei, sei ohne Zweifel erreicht worden. Das Publikum habe sich auch im ganzen ruhig in den Wegfall des höhern Rabatts gefunden. Dagegen fügte er hinzu: »Die deutschen Bücher gellen längst nicht mehr als billig, und ihre Ver teuerung kann leicht eine Minderung der Kauflust, jedenfalls eine Abnahme des Gesamtabsatzes und damit einen Rückgang des deutschen Buchhandels im allgemeinen zur Folge haben«. Dies Bedenken teile ich nicht. Von einer Verteuerung der Bücher kann man nur in sehr eingeschränkter Weise reden. Es ist freilich kaum möglich, auf dem großen Gebiet der deutschen Bücherwelt mit ihrer verwirrenden Mannig faltigkeit von Erscheinungen exakte Vergleiche mit der Ver gangenheit anzustellen, z. B. mit der für einen solchen Vergleich besonders geeigneten deutschen Hnngerperiode, auf die die Geschichtschreibung neuestens mehrfach die Aufmerk samkeit gelenkt hat. Die vierziger und auch wohl die fünf ziger Jahre, in denen der wirtschaftliche Aufschwung erst ansetzt, können noch zu dieser Periode gezählt werden. Beim Vergleich mit jenen Zeiten ist der erheblich ge sunkene Geldwert der Gegenwart und der stark gestiegene Wohlstand unsrer Bevökerung in acht zu halten. In den letzten Jahren habe ich mehrfach Bücher — Standardliteratur — aus jener Periode bezogen. Dabei imponierte mir bezüglich der Festigung des Bücherpreises, daß jedes dieser 50—60 Jahre alten Bücher zum ursprünglichen Ladenpreise geliefert wurde, aber in einer Preishöhe, von der ich mir sagen mußte, daß sie heutzutage trotz der starken Differenz des Geldwertes kaum erreicht und jedenfalls nicht überschritten werden würde. Dies kann als Zufälligkeit er scheinen. Gewiß, aber wo sich Gelegenheit bietet, soll man, nicht auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Literatur, sondern auf dem der Allgemeinbildung, ähnliche Stichproben machen, um sich zu überzeugen, wie weit diese Zufälligkeit geht. Für die moderne Preisbestimmung fällt zunächst die viel stärkere Rivalität und Leistungsfähigkeit des an Firmen zahl gewachsenen Verlagshandels ins Gewicht. Dieser Um stand allein schon schützt das Publikum vor Überforderungen. Dann aber machen sich kalkulatorische Einflüsse geltend, die man früher nicht gekannt hat. So die Pfennigpreise des sich stetig mehrenden literarischen Gemeinguts, welches die Preise der Originalproduktion natürlich mehr drückt als hebt. Auch die Glanzleistungen unsrer illustrierten Wochenjournale, nur durch deren Massenauflagen ermöglicht, üben einen ähnlichen Einfluß; sie lassen die ihnen verwandte Buchliteratur an und für sich als teuer erscheinen. 1419*
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