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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1903-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1903
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- Deutsch
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300, 29. Dezember 1903. Nichtamtlicher Teil. 10709 würdigt werden. Die Verbreitung wird sich auf die relativ stark angewachsenen Kreise der gebildeten und bemittelten Bevölkerung beschränkt haben. Die Volksmasse kann nur mittelbar von der reformatorischen Bewegung berührt und in dieselbe hineingezogen worden sein. Die indirekte Bestätigung dieser Annahme ergibt die Folgezeit. Druck und Verbreitung der Lutherbibel letzter Hand wurden nach dem Tode des Reformators auf lange Jahre inhibiert — auf Grund des Geständnisses von Luthers Korrektor Rörer: durch Beeinflussung von Persönlichkeiten, die er nicht nennen könne, Untreue am Bibeltext begangen zu haben. Hundert Jahre nach der Freigabe fand man die Bibel nur im Besitz bemittelter Stände vorwiegend in biblio- philisch stark angehauchten, mit reichem und reichstem Kupfer stichschmuck versehenen Ausgaben, die man noch vielfach in deutschen Familien als alte Erbstücke aufgehoben findet. Erst Aug. Herrn. Francke hat die Lutherbibel ins Volk gebracht, gleich anfangs mit stärkstem Erfolge und dann un unterbrochen in nachhaltigster Weise. Als Francke im jüngsten Mannesalter 1690 nach Erfurt kam, verwies er in Predigt und Seelsorge stets von neuem auf die Heilige Schrift und insbesondere auf das Neue Testa ment. Dadurch entstand Nachfrage, und da die Bibel zu teuer war, machte er es in den nicht vollen zwei Jahren, die er in Erfurt verweilte, möglich, das Testament aus den: alten Sternschen Bibelverlag in Lüneburg in nahezu 1000 Exemplaren zum Preise von 2 Gr. und an Unbemittelte un entgeltlich in der Gemeinde zu verbreiten. Sie wurden, wie Pastor Ecke 1877 in einem Vortrag im Altertumsverein zu Erfurt sagte, »erklärtermaßen gekauft, um das Buch zu haben, in dem die Lehren A. H. Franckes standen — ein Beweis, wie gering in lutherischen Landen die Kennt nis der Heiligen Schrift war-. Die Idee einer Bibelanstalt keimte in Francke schon in Erfurt, kam aber erst 1712 in Halle zur Ausführung. Lange nach dem Tode Franckes und des Freiherrn v. Can stein hat sie in ganz unberechtigter Weise den Namen Can- steinsche Bibelanstalt angenommen, und daraus ist dann noch der tollere Irrtum entsprungen, daß der ihr zugrunde liegende Bibeltext bis vor kurzer Zeit als Cansteinscher Text galt. Canstein war gar kein Theolog, aber Bibelfreund im orthodoxen Sinn, der in steter Angst schwebte, daß am Luthertext unter Franckes Einfluß etwas geändert werden könne. Francke begann sein Werk mit dem bescheidenen Kapital von 5773 Rtlr., die durch ein Ausschreiben des Freiherrn v. Canstein öffentlich gesammelt worden waren, daher die Abhängigkeit von ihm. Auf Grund dieser Beisteuer er schienen in den ersten drei Jahren ein Neues Testament zu 2 Gr., eine Großoktavbibel zunächst zu 10 Gr., bald 9 Gr. und eine Handbibel zu 6 Gr., von der zweiten Auflage an 7 Gr. — eine bedenkliche Differenz gegen die oben ange führten Preise der Lutherdrucke, wenn sich letztere auch bei näherer Untersuchung als stark illusorisch erweisen sollten. Bei diesen Preisen und dem minimalen Gründungskapital mußte die junge Bibelanstalt bald in Verlegenheit kommen. Canstein, der auf Grund seines Ausschreibens das Institut als seine Sache betrachtete, schoß daher aus eignen Mitteln 1715 fürs erste 700 Rtlr., 1718 nochmals 500 Rtlr. und 1719, scheinbar ein besonders kritisches Jahr, wiederum 1000 Rtlr. zu. 1719 starb Canstein. Aus seinem Nachlaß erhielt die Bibelanstalt noch 3312 Rtlr. Das ganze Gründungskapital des Instituts betrug somit 11 285 Tlr. 4 Gr. Weiter ist nichts eingekommen und begehrt worden; es erübrigte auch vollständig, nachdem das Waisenhaus geschäftlich freie Hand über das Institut Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 70. Jahrgang. gewonnen hatte. Von 1712 bis zu Cansteins Tod im Jahre 1719 wurden etwa 100 000 Testamente, 40 000 Großoktav bibeln und die gleiche Zahl von Handbibeln gedruckt und verbreitet. Dann aber kam die Anstalt erst in Schwung, machte Überschüsse, baute, legte eine eigne Druckerei an und vermehrte ihre Bibelausgaben auf stehendem Satz. Scheinbar ein glänzendes Zeugnis dafür, welche Wunder billige Bücherpreise wirken. Aus den Preisen läßt sich aber der Erfolg Franckes schlechterdings nicht erklären. Die nahezu 1000 Testamente, die er in seiner Erfurter Gemeinde aus dem Lüneburger Bibelverlag zur Verbreitung brachte, diffe rierten im Preise nur unbedeutend mit seinem Testament von 1712. Von einer Autorität auf diesem Felde wurde ich zurzeit darauf aufmerksam gemacht, daß Francke sein Vorbild in Hamburg gehabt habe. In seinen Kandidatenjahren sei er dreimal in Hamburg gewesen, im Jahre 1688 habe er von Fastnacht bis gegen Weihnachten dort verweilt und viel mit dem Pastor Winckler verkehrt, in dessen Hause er auch wohl Unterricht gegeben habe. Winckler habe sich damals mit der Absicht getragen, seine Gemeinde mit billigen Bibeln zu versorgen, am 1. November 1688 öffentlich um Beiträge ge beten und dann eine Bibel in Lüneburg drucken lassen, die 1689 mit einer Vorrede von ihm bei Stern erschienen sei. Viel kann Francke dem Pastor Winckler nicht abgesehen haben, denn wenn er bloß billige Bibeln Herstellen wollte, konnte er da, als er nach Halle kam, bald ans Werk gehen und wäre dann gerade so weit gekommen, wie Winckler mit seiner billigen Bibel gekommen sein wird. Ihn bewegten im stillen ganz andre Gedanken, für deren Ausführung er zwanzig Jahre Zeit brauchte. Francke war 1692 als Professor der griechischen und der orientalischen Sprachen an die junge Universität Halle be rufen worden. Justi, Winckelmann 1.54 sagt: »A.H. Franckes Exegese bestand in der Vergleichung des neutestament- Urtextes mit Luthers Übersetzung.« Als Professor des Orientalischen wird er es mit dem Alten Testament ebenso zu tun gehabt haben, wie als Professor des Griechischen mit dem Neuen Testament. Anfang 1695 begann er eine Monatsschrift u. d. T.: »Observationes biblioas oder Anmer kungen über einige Örter H. Schrift, darinnen die Teutsche Übersetzung des Sel. Lutheri gegen den Originaltext gehalten und bescheidentlich gezeigt wird, wo man dem eigentlichen Wortverstande näher kommen könne» — ein Titel, der genug sagt. In diesem Vorgehen offenbarte sich der Über zeugungsmut Franckes in einer Weise, daß selbst seine nächsten Freunde darüber betroffen wurden, die orthodoxe Gegenseite geriet aber in höchste Aufregung. Der Teufel — hieß es — treibe die Pietisten immer weiter, so daß sie sich unterständen, Luthers Bibelübersetzung zu tadeln. Francke ließ sich nicht stören. 1702 gründete er mit seinen Freunden in der theologischen Fakultät, Anton und Breit haupt, unter Zuziehung des Orientalisten I. H. Michaelis, das Oollsgiuio orientale tbeologieuin, das, aus den befähigtsten jungen Theologen bestehend, das Studium der Heiligen Schrift in den Grundsprachen und die Kunde der abend ländischen Bibelübersetzungen zur Aufgabe hatte. Gegen 1708 befand sich Francke so weit am Ziele, um einen Probedruck seines Bibeltextes veröffentlichen zu können. Damals schrieb er an Freiherrn von Canstein: »Lutheri Teutsche Übersetzung der Bibel, von welcher bereits gemeldet worden, daß sie unter der Presse sei), und nach den besten Editionen accurat revidirt, auch mit dessen Randglossen und Vorreden, ingleichen mit sehr vielen Iweis xarallslis versehen, wird auf die Oster-Messe herauskommen.« Die große Stuttgarter Bibelsammlung ist im Besitz dieser ersten Ausgabe des A. H. Franckeschen Bibeltextes und bezeichnet sie im Katalog als »Lckitio Oansteiniana prior.« 1419
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