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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.03.1900
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- 1900-03-21
- Erscheinungsdatum
- 21.03.1900
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- Deutsch
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2252 Nichtamtlicher Teil. 66, 21. März 1900. kämpft und kämpft und von Seiten derer, die es am meisten an geht, nicht die entsprechende Unterstützung findet. (Sehr wahr! sehr richtig! links.) Daß cs endlich anders gekommen ist, ist sehr gut und war not wendig und wird auch für spätere Fälle dienlich sein. Nun haben die Herren der Majorität uns mit Amendements bedacht, die eine abermalige Abänderung der Beschlüsse der zweiten Lesung bezwecken sollen, mit denen sie hoffen, die Zustimmung der Regierung zu erhalten. Ich will mich selbstverständlich hier nicht auf eine detaillierte Auseinandersetzung des Wertes uno der Trag weite dieser Bestimmung einlassen; das wird Aufgabe der Spezial diskussion sein. Aber, meine Herren, worauf denn doch z. B. der 184a in der Anwendung hinausgeht, möchte ich mit einigen eispielen darthun. Wenn der 8 184a auch in der Form, wie er jetzt uns vorgeschlagen wird, von der Majorität angenommen werden sollte: was bedarf es denn, um irgend eine künstlerische Darstellung, eine Abbildung, eine Schrift als eine solche zu be zeichnen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzt? Was wird für den Richter maßgebend sein? Einmal seine persönliche Auffassung, und die kann sehr verschieden sein, sie ist rein individuell. Auf der anderen Seite wird vorzugsweise bei ihm maßgebend sein, was er glaubt als eine Meinung des Publi kums ansehcn zu können. Und da liegen die Dinge so, daß z. B. in Berlin und in allen größeren Städten Deutschlands cs förmliche Organisationen giebt, die systematisch darauf hinausgehen, all das aus den Schauläden, von den Straßen und von öffentlichen Orten zu entfernen, was ihr auf das übertriebenste Maß zugespitztes Sittlichkeitsgefühl, richtiger genannt, ihre Prüderie irgendwie verletzt. (Sehr wahr! Sehr richtig! links.) Wenn es nach diesen Herren und Damen ginge, würde ein sehr großer Teil unserer öffentlichen Monumente von den öffentlichen Straßen Berlins verschwinden müssen. Nach dem Paragraphen liegt die Sache so, daß man diese Monumente zwar nicht von den Straßen und Plätzen der Städte entfernen kann; aber wenn Ab bildungen dieser Monumente in Schauläden ausaelegt werden, so kann der § 184 a seine Anwendung finden. Z. B. wenn die Fi guren auf der Schloßbrücke in besonderen Abbildungen in irgend einem Buchhändlerladen an einer Straße ausliegen, so ist zweifel los der ß 184a anzuwenden, obgleich die Figuren auf der Schloß brücke jeder in natura sehen kann, der sich auf die Schloßbrücke bemüht. Wer den Eros von dem Goethedenkmal im Tiergarten in bildlicher oder plastischer Darstellung in einem Laden ausstellt, wird künftighin nach 8 184a bestraft; wer die großartige Schöpfung Klingcrs, die Amphitrite, die kürzlich in der-Illustrierten Zeitung» abgebildet wurde, ausstellt, etwa die genannte Zeitung mit der Seite des Bildes in einem Ladenfenster auslegt, wird nach 8 184 a bestraft. (Hört! hört! links.) Was ist nun die Wirkung dieses Paragraphen? Daß im hohen Grade die Freiheit der künstlerischen Produktion dadurch ein geschränkt, in hohem Grade das Geschäftsinteresse der beteiligten Kreise geschädigt wird. Der Künstler arbeitet in der Werkstätte; dort arbeitet er aber nur um das Kunstwerk, das Bildwerk, das Gemälde fertig zu stellen. Aber er stellt es her, damit es in die Oeffentlichkeit kommt, sei es als Original, sei es in Abgüssen oder Abbildungen. Das wird künftighin nach der Bestimmung des 8 184a in hohem Matze unmöglich gemacht. Nun muß man sich einmal vergegenwärtigen, wie gegenwärtig bereits die Dinge ge- handhabt werden. Man hat um so weniger Ursache zu derartigen dehnbaren Strafbestimmungen, wie sie jetzt von der Majorität beantragt werden, als thatsächlich schon jetzt bie Maßnahmen der Polizei weit über das vorliegende Gesetz hinausgehen. (Sehr wahr! links.) Der -Vorwärts» war kürzlich in der Lage, eine Verordnung des Polizeipräsidenten in Berlin zu veröffentlichen, worin ausdrücklich bemerkt wird, daß eine organisierte Ueberwachung der Mißstnnde, welche durch öffentliche Ausstellung von Bildern, Photographieen, Gummiartikeln auf Straßen und an öffentlichen Orten herbei- geführt werden, durch welche das Anstandsgefühl verletzt werde, in der Weise stattfinden solle, daß eine besondere Patrouille unter Leitung eines Kriminalkommissars zu bestellen sei. (Hört! hört! links.) Also es werden Leute gewissermaßen als Kunstverständige in den Straßen und Läden Berlins umhergeschickt, von denen es sehr zweifelhaft ist, ob sie das geringste Kunstverständnis besitzen. (Sehr richtig! links.) Es wird dieser Patrouille Auftrag gegeben, die Schaufenster und Auslagen, namentlich diejenigen der Buch-, Papier-, Bilder-, Post karten- und Photographiehandlungcn, dcrGummiwarcnhandlungcn, Friseure u. s. w., die Mutoskope oder Stereoskope oder ähnliche Darstellungen der straßenwärts angebrachten und auf der Straße angebotenen Ankündigungen einer genauen Kontrolle zu unter ziehen. Weit über das bestehende Strafgesetzbuch und auch weit über das hinaus, was Sie künftig hier als Gesetz beschließen wollen, sind also bereits polizeiliche Maßnahmen getroffen und kann nach dieser Richtung hin die Polizei nach Ihren Begriffen ihre Schuldigkeit thun. Damit wird also schon mehr erreicht, als was Sie mit-diesem Gesetz erreichen. Freilich, jetzt kommt die Polizei und sagt dem Kaufmann, dem Händler, dem Künstler: bitte, thun Sie die und die Sache weg! Künftig aber muß sofort, sobald die Polizei eine solche Entfernung für notwendig erachtet, die Denunziation an die Staatsanwaltschaft auf 8 184 a erfolgen und findet eventuell die kriminelle Bestrafung der betreffenden Personen statt. Das giebt einen Zustand der Dinge, gegen den die Künstler sich zu wehren die größte Ursache haben. Genau so, wie mit dem 8 184a, steht es mit dem 8 184b. Auch da ist es jetzt schon so, daß die Angehörigen dieser Organi sationen, dieser Sittlichketts-, Tugendbundvereine, und wie sie heißen, in die Schaustellungen aller Art gehen, dort genau zu schauen und zuhören und, sobald ihnen etwas nicht behagt, sofort zur Polizei laufen und denunzieren. Ich weiß aus einer sehr uten Quelle, daß man bei dem Berliner Polizeipräsidium über en Zustand, der gegenwärtig auf diesem Gebiete bereits in Berlin herrscht, im höchsten Grade aufgebracht ist; man weiß faktisch vor Denunziationen nicht mehr aus und ein. (Hört! hört! links.) Alles, was man bisher glaubte unbeanstandet dulden zu können, wird, weil es auf einmal gewissen sehr einflußreichen Leuten un angenehm ist, denunziert man quält und klagt, und der Polizei bleibt nichts anderes übrig als nachzugeben. Insbesondere sind es gewisse Damen, die bei dieser Art Propaganda eine Hauptrolle spielen. Dieselben Damen, die auf den Hofbällen bis auf das weiteste nach unten ausgeschnitten gehen (Heiterkeit), können, wenn sie auf der Straße gehen, kein Bild, auf dem eine nackte Figur ist, anschauen, ohne sittlich entrüstet zu sein. (Sehr richtig! links.) Wenn es jemals ein Zeitalter der erbärmlichsten Heuchelei und Tartüfferie gegeben hat, dann ist es das gegenwärtige. (Sehr richtig! links.) Wenn man aber in diesen Kreisen einmal hinter die Coulissen schaut, so wird die größte Schamlosigkeit und Sittenlosigkeit gerade dort getrieben, wo man nach außen hin das Mäntelchen der Keusch heit und Sittenreinheit umhängt. (Zustimmung links.) Aber man glaube nicht, daß man das Volk irgendwie zu täuschen vermag . Es ist bereits mit Recht von den verschiedensten Seiten darauf hingewiesen worden, wie alles das, was hier beantragt worden ist in Bezug auf die öffentliche Schaustellung, Theateraufführung, Produktion in Singspielhallen u. s. w., — ob mit Recht, will ich dahingestellt sein lassen — der polizeilichen Kontrolle unterworfen ist in einem Maße, daß keinerlei Gesetz dazu mehr notwendig wäre. Im ganzen schließt sich diese Art Gesetzgebung würdig an die Gesetzgebung an, die seit mehr als zehn Jahren in Deutschland betrieben wird. Ueberall herrscht die Reaktion, überall soll die geistige, wirtschaftliche und politische Freiheit unterdrückt werden. So bildet auch dieses Gesetz nur einen Ring in der langen Kette der Ausnahme- und Unterdrückungsmaßregeln, durch welche Deutsch land mehr und mehr in das Mittelalter zurückgeführt werden soll. (Lebhaftes Bravo links.) vr. Nieberding, Wirklicher Geheimer Rat, Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Meine Herren, eine Generaldebatte über einen Gesetzentwurf, wie den vorliegenden, der des inneren Zusammenhangs entbehrt und in sich verschiedene Gegenstände in denselben äußerlichen Rahmen zusammensaßt, ist schwer. Ich glaube, die Debatte, die in den letzten Stunden hier stattgefunden hat, beweist das. Entweder sind die Ausführungen der Herren Redner so allgemein gewesen, daß sie von dem Gebiete der Vorlage fast vollständig sich entfernen und mir, von dem Standpunkte der verbündeten Regierungen, keine Ver anlassung geben, darauf zu antworten, oder aber, sie haben sich so sehr den einzelnen Paragraphen der Vorlage zu gewendet, daß die Generaldebatte mehr und mehr den Charakter einer Spezialdebatte anzunehmen drohte, und da wir, was die einzelnen Paragraphen betrifft, doch eine Wiederholung der Aus führungen bei der Spezialdebatte zu erwarten haben, so werde ich in diesem Augenblick zu den betreffenden Ausführungen nichts sagen, obwohl mir manche erhebliche und nach meiner Meinung schiefe Auffassungen und Ausführungen einzelner Redner wohl dazu Veranlassung geben könnten. Ich behalte mir schon mit Rücksicht auf die gemessene Zeit des hohen Hauses vor, meine Aus führungen in der Spezialdebatte zu machen. Nur einige allgemeine Gesichtspunkte, die hervorgetreten sind, glaube ich schon jetzt berühren zu müssen. Da ist zunächst von dem Kompromiß gesprochen worden, das hier vorliegt in Gestalt
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