Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.03.1900
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1900-03-21
- Erscheinungsdatum
- 21.03.1900
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19000321
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190003214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19000321
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1900
- Monat1900-03
- Tag1900-03-21
- Monat1900-03
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
66, 21. März 1900. Nichtamtlicher Teil: 2253 der gestern Abend eingebrachten Anträge, und das so aufgesaßt wurde — ich glaube, es geschah das von seiten des Herrn Ab geordneten Vasscrmann —, als wenn das eine Abmachung sei zwischen den Parteien, die Anträge gestellt haben, und den ver bündeten Regierungen, in der Art, daß die Regierungen ihrerseits zu positiven Entschlüssen sich gebunden hätten. Meine Herren, da muß ich doch den Sachverhalt klarstellen, weil sonst aus meiner Haltung gegenüber den einzelnen Paragraphen in der Spezial debatte über dasjenige, was vorgekommen ist, Zweifel entstehen könnten, und meine Haltung, die ich in Vertretung der verbün deten Regierungen einzuhalten habe, mißgedeutet werden könnte. Meine Thätigkeit bei den Besprechungen, welche zwischen Ver tretern derjenigen Parteien, die den letzten Antrag unterzeichnet haben, und der Regierung vor sich gegangen sind — und ein anderer als ich hat namens der Regierung sich mit den Parteien nicht unterhalten —, ich sage, meine Thätigkeit bei diesen Bespre chungen hat sich darauf beschränkt, daß ich den Herren darlegte, in welchen Punkten nach meinen neuerdings auf den mir ausge- drückten Wunsch eingeholten Informationen die Stellung der Bundesregierungen derart sei, daß, wenn die Beschlüsse der zweiten Lesung aufrecht erhalten werden sollten, das Gesetz daran scheitern müßte. Ich habe demgemäß zunächst erklärt, daß die Regierungen an dem Standpunkte sesthielten, den ich die Ehre hatte in der zweiten Lesung hier des näheren darzulegen. Es handelte sich dann um einige andere Punkte, in denen nähere Erklärungen nötig waren. Dahin gehörte die Bestimmung über das Wohnen der Dirnen und diejenige über das Theater wesen, zu welch letzterer ich in der zweiten Lesung nicht die Er klärung abgegeben habe, daß etwaige andere Beschlüsse, die zu dieser Bestimmung gefaßt würden, für die Regierung unter allen Umständen unannehmbar seien Ich habe bezüglich des Theaterparagraphen erklärt, daß die verbündeten Regierungen nicht in der Lage seien, den Paragraphen so anzunehmen, wie er in der zweiten Lesung beschlossen worden ist, und habe diejenigen Punkte angegeben, die nach meiner Meinung die Unannehmbarkeit dieses Paragraphen begründen. Die Herren sind darauf in eine neue Beratung eingetreten, an der ich meinerseits nicht mehr teilgenommen habe. Meine Thätigkeit hat sich hierauf beschränkt. Ich werde — also darüber kann auf keiner Seite des Hauses ein Mißverständnis obwalten — auch in der Spezialdebatte die Pflicht haben, den Standpunkt zu vertreten, daß die Bestimmungen über das Wohnen der Dirnen beibehalten werden, wie auch den anderen, daß die verbündeten Regierungen in betreff des Theaterwcsens neuer gesetzlicher Vorschriften nicht bedürften. Das führe ich an gegenüber den Bezugnahmen aus dieses angebliche Kompromiß, die namentlich von dem Herrn Abgeordneten Bassermann gemacht wurden und meines Erachtens vielleicht unrichtig verstanden werden konnten. Ein Kompromiß zwischen den verbündeten Re gierungen und den Parteieen ist nicht geschlossen worden; es kann sich nur um ein Kompromiß zwischen den Parteien handeln. Meine Herren, nun hat aber der Herr Abgeordnete Basser mann einige allgemeine Bemerkungen gemacht, die allerdings in die Generaldiskussion gehören, und die ich nicht unberührt lassen darf. Unter den Motiven, mit denen der Herr Abgeordnete Bassermann einer Ergänzung unserer Gesetzgebung auf diesem Gebiete entgegcntrat, befand sich unter anderem auch die Er wägung, daß es nicht richtig sei, so wie dieser Entwurf es ermög liche, den Polizeiorganen noch weitere Machtmittel in die Hand zu geben, da sie bereits die jetzigen Machtmittel unter Umständen in einer Weise benutzen, die Beanstandung finden müßte; und der Herr Abgeordnete hat bei dieser Gelegenheit — ich glaube, der Herr Abgeordnete Schräder hat ihm das nachher nachgethan — auf einen Vorgang Bezug genommen, der hier in Berlin kürzlich passiert sein sollte, wonach in einem Kunstladen das Bild von Böcklin -Spiel der Wellen- polizeilich aus dem Schaufenster ent fernt worden sei. Diese Notiz hat in den Zeitungen gestanden, und ich habe meinerseits, weil sie so positiv in den Zeitungen ent halten war, sie zunächst auch für richtig gehalten. Das ist aber ein Irrtum von mir gewesen, und in denselben Irrtum sind die beiden Herren, die ich eben genannt habe, ihrerseits verfallen. Denn der Vorgang hat so, wie er hier mitgeteilt worden ist, nicht stattgefunden. Der Vorgang ist derart gewesen, daß ein untergeordneter Polizeibeamter in den betreffenden Laden hineingetrcten ist, einige Bilder, darunter allerdings auch das vorgedachte, ausgezeichnet hat, um dieses sein Verzeichnis der entscheidenden Instanz vorzulegen, da er überhaupt nicht in der Lage war, gar keine Ermächtigung besaß, über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit solcher Bilder in den Ladenfenstern zu ent scheiden. Das Verzeichnis ist in die höhere Instanz gelangt, und das Polizeipräsidium hat dahin entschieden, daß die Ausstellung des Bildes von Böcklin »Spiel der Wellen» polizeilich nicht bean standet werden dürfe. (Lachen links.) Siebenundiechzigfter Jahrgang. Also es war das Gegenteil von dem geschehen, was Herr Basser mann annahm, und ein Grund, aus diesem Vorgang, in dem die Polizeibehörde nach meiner Meinung einen korrekten Weg einge schlagen hat, auf Willkür der Polizeimaßregeln zu schließen, liegt nicht vor. Daß die Polizeibehörden in dieser Beziehung keinen zu strengen Standpunkt einnehmen, das ist mir inzwischen noch aus einem andern Fall bekannt geworden, in welchem ein anderes Bild, das Bild von Correggio »Leda», hier in einem Schaufenster aus gestellt war, beanstandet wurde, nicht etwa von der Polizei, meine Herren, sondern von einem Herrn, der nach seiner Persönlichkeit im wissenschaftlichen Leben eine angesehene Stellung einnimmt. (Lachen links.) — Was ist denn dabei zu lachen? Das sind doch einfach that- sächliche Mitteilungen! Ich sage also, es ist von einer Privat person anstößig befunden worden, und die Privatperson hat an die Polizeibehörde das Ersuchen gerichtet, dieses Bild, dessen Reproduktion in dem Fensterraum sich befand, zu beseitigen. Meine Herren, die Polizeibehörde hat dieses Ansinnen abgelehnt, hat die Ausstellung des Bildes also für zulässig erklärt. Ich glaube, dieser weitere Vorgang wird den Herrn Abgeordneten Bassermann überzeugen, daß von einer Rigorosität und Willkür der Polizei doch nicht die Rede sein kann, um daraus Bedenken abzuleiten gegen die angeblichen Vollmachten, die der Polizei der Gesetzentwurf verleihen wolle. In derselben Richtung hat sich eine Ausführung bewegt, die der Herr Abgeordnete Bebel vorhin machte, indem er auf einen polizeilichen Erlaß Bezug nahm, der vor kurzem durch den «Vorwärts- bekannt geworden ist, nach welchem Erlaß ein be sonderes polizeiliches Organ hier in Berlin geschaffen worden sei, mit der Aufgabe, sich davon zu überzeugen, ob Bilder anstößigen Inhalts in Schaufenstern oder in den Straßen sich aufdrängen. Diese Maßregel hat gerade die entgegengesetzten Ziele verfolgt, als der Herr Abgeordnete Bebel angenommen hat. Diese Maß regel hat lediglich den Zweck, die Entscheidung darüber, ob ein Bild so anzuschen sei, daß es aus den Ladenfenstern oder von der Straße entfernt werden müsse, den unteren Exekutivorganen zu nehmen, weil diese nicht unter allen Umständen das Urteil be sitzen, um in solchen Fällen zuverlässig zu entscheiden. (Sehr gut! links.) Das Organ ist geschaffen worden, um dem Polizeipräsidenten von Berlin eine ständige Hilfe zu bieten, mittels solcher Beamten, die dadurch, daß sic sich regelmäßig mit diesen Dingen befassen, sich leichter und sicherer ein ruhiges, unbefangenes und von Extremen fernes Urteil zu bilden vermögen. Also das, was in der Be ziehung von der Polizeibehörde geschehen ist, hat nach meiner Meinung den Zweck, zu verhindern, daß Organe unterster Ordnung, und diese in verschiedenen Stadtteilen nach verschiedenen Gesichts punkten über diese Dinge entscheiden, und ich sollte meinen, der Herr Abgeordnete Bebel hätte eher Veranlassung, diese Maßregel als seiner Auffassung entgegenkommend zu billigen, als sie hier zu tadeln. Nun hat der Herr Abgeordnete Bassermann weiter ausgesührt, daß er manche Bestimmungen des Gesetzentwurfs deshalb nicht billigen könne, weil damit, wie er sich ausdrückte, ein schlechter Einfluß ausgeübt würde auf die Erziehung unserer Richter. Ich habe die Bedeutung dieses Satzes nicht recht verstanden; er meinte offenbar nicht, daß unsere Rechtsprechung auf diesem Gebiete be sonders zu tadeln sei. Er hat die Richter wohl neben den Polizei behörden erwähnt; aber besondere Thatsachen, daß die Gerichte von ß 184 unseres Strafgesetzbuchs einen Gebrauch gemacht hätten, der Bedenken erregen könnte, sind von ihm nicht angeführt worden. Ich stehe auf entgegengesetztem Standpunkte. Wenn sich ergeben hat, daß Bestimmungen unseres Strafrechts gegenüber der Praxis des Lebens, gegenüber den Gewohnheiten des Verkehrs und der Sitte des Volkes nicht mehr ausreichen, dann hat die Gesetz gebung nicht nur die Pflicht, sondern sie thut auch klug daran, sobald als möglich diese Lücken auszufüllen; denn sonst kommen die Richter in die Gefahr, daß sie unter dem Einflüsse von Volks stimmungen geneigt werden, den bestehenden Vorschriften eine er weiterte Auslegung zu geben, um auf solche Weise die Lücke zu decken, die nach dem Empfinden des Volkes vorhanden ist. In dieser Beziehung, meine Herren, hat der Paragraph gegen den groben Unfug uns eine heilsame Lehre gegeben, und wir sollten es auf anderen Gebieten nicht dahin bringen, daß die Gerichte geradezu verleitet werden, die Gesetze weiter auszu legen, als es dem Gedanken des Gesetzes entspricht. Ich glaube, also, daß, wenn wir Lücken in unserer Gesetzgebung, die unzweifel haft vorhanden sind, rechtzeitig ausfüllen, wir nicht gegen die Er ziehung der Richter wirken, sondern im Interesse einer richtigen und sachgemäßen Auffassung der Gesetze auf seiten unserer Ge richte Vorgehen. Mehrere von den Herren sind dann auf die Erregung ein gegangen, die in Künstlerkreisen besteht. Meine Herren, die 302
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder