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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.08.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1903-08-17
- Erscheinungsdatum
- 17.08.1903
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- Deutsch
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6278 Nichtamtlicher Teil. ^ 189, 17. August 1903. Genüsse oder geistige Vertiefung haben und mit ihrem Tage blatt zufrieden sind; aber ein Publikum, das in ein paar Monaten über eine halbe Million für einen einzigen Roman wie Jörn Uhl, an dem die meisten nicht einmal viel Ge schmack finden, willig hergibt, oder in ebenso kurzer Zeit fast zwei Millionen für Bismarcks Gedanken und Er innerungen opfert, die es nicht einmal versteht, ist kein schlechtes Publikum. Und was für Summen hat es für die Buchholzens und für die ungezählten Romane der Eschstruth und Ossip Schubin, für Tolstoi und die Viebig, für Rembrandt als Erzieher und Nietzsche, Sudermann und Ibsen, und wie alle die modernen Größen heißen, übrig, ganz abgesehen z. B- von den Konversationslexiken und andern Subskriptionswerken, die bis in die bescheidensten Kreise dringen, und deren Umsatz viele Millionen beträgt. Nein, das Publikum kauft und verdaut unglaublich viel Bücher, man ist manchmal erstaunt, was es alles kauft, und daß es Geld für so etwas übrig hat. Aber — es kauft, was es will! Die alte und abgedroschene Klage geht doch nur von den Autoren aus, die es eben nicht will oder aus irgend einem andern Grunde nicht kauft — etwa weil sie ihm nicht bekannt werden —, und von den Verlegern, die so unklug waren, Bücher zu verlegen, die keinen Absatz fanden, und Autoren zu glauben, deren Träume Schäume waren. Das deutsche Publikum kauft gern und willig Bücher, das zeigt jeder Weihnachtstisch, das zeigt auch das Spottwort von dem Volke der Dichter und Denker. Denn Dichter und Denker setzen ein Volk voraus, das aufnahmefähig ist; liebte das Volk nicht seine Dichter und Denker, so wären diese nicht vorhanden, sie können nur einem Boden ent sprießen, der ihnen kongenial ist, und in der Tat sind dem deutschen Volke jederzeit seine Bücher die liebsten Schätze gewesen; es gibt Geld dafür aus nach Vermögen, und auch der ärmste Mann hat seinen Pfennig für sie übrig. Das einzige, was man wünschen möchte, ist, daß der goldne Segen auf die rechte Stelle gelenkt würde, daß nur gute Bücher gekauft würden, und der Schund dem Volke fern gehalten werden könnte. Die Gründe für die Klagen, die erhoben werden, müssen also wo anders liegen als in dem Mangel an Sinn für Bücher oder in dem Mangel an An standsgefühl — wie denn auch das alte Gerede über die Leihbibliotheken ganz hinfällig ist; jeder Verleger belle tristischer Literatur weiß es, daß heutzutage die Leihbiblio theken gar keine Rolle mehr beim Gesamtabsatze der Bücher spielen; mögen sie früher für den Romanverleger bei der Kalkulation wichtig gewesen sein, jetzt sind sie es jedenfalls nicht mehr. Dagegen ist das Publikum natürlich geneigt, in den Hauptvorwurf einzustimmen, der von den Tadlern der be stehenden Verhältnisse, indem sie sich von den Bücherkäufern ab und den Buchhändlern zuwenden, erhoben wird, daß unsre Bücherpreise zu hoch seien. Das ist der wichtigste Punkt der Kontroversen, die sich augenblicklich abspielen. Ist der Vorwurf in seiner Allgemeinheit berechtigt? Und wenn er es ist, wer hat die Schuld? Der Autor antwortet natür lich: der Verleger! In jedem Fall, wo ein Buch von ihm nicht gegangen ist, wird er geneigt sein, die Schuld nicht bei sich, sondern außer bei der Dummheit und dem Geiz des Publikums in dem Mangel an Verständnis bei seinem Ver leger zu suchen, und zu allererst ist der Vorwurf bei der Hand, daß dieser einen viel zu hohen Preis angesetzt und dadurch das Buch geschädigt habe — solange der Autor selbst erwartete, bei diesem Preise ein gutes Geschäft zu machen, war er ihm allerdings noch nicht zu hoch vor gekommen. Er war vielleicht sogar geneigt gewesen, zu fragen: Können Sie denn das Buch wirklich für den Preis liefern? Setzen Sie es nicht zu billig' an? Werden solche Fragen nicht wirklich oft an den Verleger gestellt? Die Preisfrage ist eine sehr wichtige Sache für den Verleger, die ihm in vielen Fällen Kopfzerbrechen macht. Es liegt doch auf der Hand, daß er im allgemeinen beim Verlegen den Zweck verfolgt, ein Geschäft zu machen und sich vor Verlust zu hüten; daß er also sehr wohl erwägt, wie er das zustande bringt, und damit auch, welchen Preis und welche Auflage — beides steht in Wechselwirkung — er wagen darf, daß der Preis nicht so hoch sein darf, die möglichen Käufer abzuschrecken, und nicht so niedrig, daß bei dem möglichen Absatz nichts herausspringt. Natürlich kann sich auch der klügste Verleger verrechnen. Aber ganz im allgemeinen anzunehmen, daß die deutschen Verleger so beschränkte Narren wären, ganz ohne Sinn und Verstand zu hohe Preise zu machen, das ist doch, gelinde gesagt, eine wunderliche Idee! Das Publikum aber? Wie stellt es sich wirklich zu den Bücherpreisen? Im allgemeinen kann man annehmen, daß es die Anschauungen seines Geldbeutels hat. Hat es nur fünfzig Pfennige darin, so ist ihm natürlich ein Fünf markbuch zu teuer, und es behauptet von jedem, das mehr als fünfzig Pfennig kostet, daß es zu teuer sei. Gewöhn lich sind solche Aussprüche nur albernes Gerede. Dem Publikum ist es ganz einerlei, was ein Buch kostet, wenn es dieses haben will — man frage doch einmal den Ver leger von Dahns Kampf um Rom (der 24 Mark kostet), wieviel Auflagen und Exemplare er von dem Roman ver kauft habe. So sind Hunderte und vielleicht Tausende »teurer« Bücher — zum guten Nutzen der Autoren — verkauft worden, in mehreren und in vielen Auflagen, die das Publi kum eben haben wollte; andre hat es nicht genommen, auch wenn sie nur fünfzig Pfennig kosteten, und hätte es nicht genommen, wenn sie für fünfzig Pfennig zu haben gewesen wären. Es gibt doch auch ein sehr großes Publikum, das dem sehr häufigen »billig aber schlecht« aus dem Wege geht, weil es den billigen Druck nicht lesen kann und die schofeln Ausgaben nicht in seinen Bücherschrank stellen mag. Haben denn die Leute, die das Publikum anklagen, einen Begriff davon, wieviel in Deutschland in der Tat alljährlich für Lesefutter und Geistesnahrung ausgegeben wird? Man kann es stark bezweifeln. Eine Statistik gibt es nicht. Aber man kann sich doch einen Begriff von der Sache machen. Es gibt jetzt in Deutschland und für den deutschen Buchhandel überhaupt etwa 4500 wirkliche Sorti mentsbuchhandlungen. Was mag die einzelne Buchhandlung wohl jährlich absetzen müssen, daß sie existieren kann? Wären es tausend Mark, so könnte man 4>/z Millionen jährliche Ausgabe für die deutschen Bücherkäufer rechnen. Aber der Durchschnitt muß mehr als 20 000 ^ betragen, die mehr als 90 Millionen Mark Absatz ergäben; der wirkliche Absatz ist aber jedenfalls bedeutend höher, denn es gibt viel mehr Bücherverkäufer als diese 4500 Buchhandlungen; vieles wird von Verlegern direkt an das Publikum verkauft, manche Ver leger vertreiben ihre Waren überhaupt ganz ohne den eigent lichen Buchhandel, und viele Zeitschriftenexemplare, die doch auch mitzählen, werden bei der Post abonniert. Mag auch der Aufwand für Bier und Tabak viel größer sein, es wird doch eine anständige Summe für Bücher in Deutschland ausgegeben. Die Vorwürfe gegen das Publikum sind in ihrer Allgemeinheit ebenso hinfällig, wie die gegen die Verleger. Es sind Mißstände vorhanden auf dem deutschen Büchermärkte, das soll gar nicht bezweifelt werden, und sie sollen genannt werden; aber sie hängen nicht mit der Kauf lust, nicht einmal der Kaufkraft des Publikums zusammen, obgleich die Mehrzahl unsers Volkes nur mit bescheidenen
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