Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.02.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-02-06
- Erscheinungsdatum
- 06.02.1906
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19060206
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190602062
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19060206
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-06
- Monat1906-02
- Jahr1906
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1358 Nichtamtlicher Teil. ^ 30, 6. Februar 1906. Nichtamtlicher Teil Verein der Buchhändler ;u Frankfurt a. M. (Gegründet am 18. Nov. 1878. Organ des Bärsenvercins Nr. 27.) In der am 31. Januar 1906 stattgefundenen Haupt versammlung unsers Vereins ist der Vorstand für das Vereinsjahr 1906 wie folgt besetzt worden' Herr Karl Scheller, 1. Vorsitzender, „ E. von Meyer, 2. Vorsitzender, „ vr. Ed. Schnapper, Schriftführer. „ I. Brauer-Hub, Kassierer. vr. Ed. Schnapper, Schriftführer. Bibliophilie und Lektüre in alter und neuer Zeit. Nach Albert Cim, Vs livre. I. Kistoriqas. von Jos. Thron. (Fortsetzung aus 1905, Nr. 283, 300; 1906, Nr. 29.) Das nun folgende und größte (XI.) Kapitel »Viblio- wanss st LibliolLtrss« bildet das notgedrungene und interessanteste Gegenstück zu der im ersten Bande behandelten Geschichte der Bibliophilie. Die Büchernarren stellen die naturgemäße Ergänzung der Bücherfreunde, sobald deren Leidenschaft eben die Grenze des Normalen, Vernunftgemäßen überschreitet. Der erste Teil dieses Abschnitts ist bereits vor Erscheinen des zweiten Bandes von Cim als Auszug in der Pariser »Revue« vom 15. Oktober vorigen Jahres ver öffentlicht und den Lesern des Börsenblattes von Ernst Schmersahl in der Nummer 301 mitgeteilt worden. Um deshalb Wiederholungen zu vermeiden, will ich mich auf den zweiten Teil dieses Kapitels beschränken, in dem Cim in seiner Übersicht über besonders merkwürdige Fälle von Bibliomanie fortfährt, und die Geschichte des berühmten Pariser Büchernarren Boulard wiedergeben, die das charak teristischste Beispiel der Verirrung eines Bibliophilen dar stellen dürfte, das je bekannt geworden ist. A. M. H. Boulard (1754—1825), ehemals Notar, war Bürgermeister des 11. Arrondissements und Abgeordneter unter dem ersten Kaiserreich. Er besaß eine umfassende Bildung, war außerordentlich sprachenkundig (er sprach deutsch und englisch fast ebenso geläufig wie seine Muttersprache) und hat eine ganze Reihe von geschichtlichen, literarischen, wissenschaftlichen Arbeiten und Übersetzungen veröffentlicht. Der Wunsch, Frankreich einen Teil seiner literarischen Schätze zu bewahren, sagt mit offenbarer Übertreibung Michaud von ihm, veran laßt ihn, sich seit Beginn der Revolution eine Bibliothek anzulegen, die nach der des Königs die umfangreichste in Paris gewesen sein soll. Nach andern soll es, namentlich in den letzten Jahren seines Lebens, sein Bedürfnis gewesen sein, dem arg bedrängten Buchhandel, speziell seinen Freunden, den Bouquinisten, ein wenig zu Hilfe zu kommen. Letzteres mag jedenfalls der Wahrheit eher entsprechen und auch erklären, weshalb er die in den Läden und Kästen der Bouquinisten ausgestellten Bücher oft klafterweise aufkaufte, die er gewöhn lich mit 100 Franken pro Klafter bezahlte. Die Ausartung seiner Liebe zu den Büchern bis zum wahllosen Aufkäufen ganzer Antiquariatslager, durch das seine Bibliothek schließlich auf etwa 600 000 Bände anwuchs, dürfte ohne Zweifel das vollkommenste Beispiel von Bibliomanie (— Bibliofolie) sein, das je bekannt geworden ist. Ja, er soll sogar einer andern charakteristischen Schwäche einer gewissen Gattung von Bibliophilen zugänglich gewesen sein, denn es wird ihm von andrer Seite vorgeworfen, er habe, wenn sich Gelegen heit dazu bot, Bücher, die ihm gefielen, manchmal mitgehen heißen. Cim, der nach Alkan sivS eine darauf bezügliche Anekdote mitteilt, meint jedoch, daß derartige Behauptungen das Werk seiner Neider gewesen wären und auf Erfindung beruhten, wie er denn überhaupt in seinen letzten Lebens jahren viel unter Verleumdungen und Gehässigkeiten zu leiden gehabt hätte, die sich in karikierender und epigrammatischer Form äußerten. Boulard hatte nur eine Leidenschaft: soviel Bücher als möglich zu besitzen. Er füllte damit das Haus an, in dem er mit seiner Familie wohnte, nach und nach auch andre, die ihm gehörten, nachdem er vorher seinen Mietern gekündigt hatte, und es wird behauptet, daß er auf diese Weise 5, nach andern 6, sogar 8 Häuser vom Keller bis zum Dachboden un gefüllt habe. Seine Frau hat gegen diese ihn immer mehr absorbierende und seine Gesundheit schädigende Leidenschaft lange angekämpft und ihn dadurch zu bessern gesucht, daß sie ihm das Versprechen abnahm, vor weitern Einkäufen erst einmal mit dem Lesen des Gekauften anzufangen. Vergebens; sie selbst hat ihm sein Versprechen bald wieder zurückgeben müssen, als sie sah, daß er über die ihm auferlegte Entbehrung ernstlich krank zu werden begann. Ünd nun fand seine tolle Büchersucht erst recht keine Grenzen mehr. Er verbrachte Tage und Nächte fern von der Familie, um in einem seiner Häuser die neu eingetroffenen Büchersendungen, die jetzt in Wagenladungen ankamen, zu durchstöbern und aufzustellen. Und auf der Straße sah man ihn stets fieberhaft geschäftig von Laden zu Laden eilen mit vollgefüllten, weiten Taschen, die er in einem enormen blauen Überrock hatte anbringen lassen und die groß genug waren, sogar Quartbände zu be herbergen. Während er ursprünglich gewisse Liebhabereien hatte und mit Vorliebe Erstdrucke von Aldus Manutius und Handschriften aus dem Mittelalter sammelte, war er schließ lich so weit gekommen, alle Bücher in Quart- und Folio format zu kaufen. Das Format allein war für ihn aus schlaggebend, und er bedauerte oft, daß die Verleger seiner Zeit von den großen Formaten so ganz abgekommen seien. Nach Mary Lafon (klistoirs ä'aa livrs) soll Boulard sich leichtsinnigerweise den Tod geholt haben, indem er eines Tags beim Ordnen von enormen Folios in einem kühlen Kellerraume zu sehr in Schweiß geraten und, durch seine unregelmäßige Lebensweise schon mehr als erschöpft, einer Brustfellentzündung zum Opfer fiel. Ein andrer Biograph Boulards, Numa Raflin, bestreitet jedoch dieses Ende (bei Boulards Alter, 71 Jahre, war ja schließlich eine besondre Todesursache nicht gerade nötig) und teilt uns im übrigen noch mit, daß seine Bibliothek zum größten Teile dahin zurückging, von wo sie gekommen war, zu den Bouquinisten an den Seineufern. Der Verkauf dauerte von 1828 bis 1833 und soll den Pariser Büchermarkt derartig über schwemmt haben, daß während mehrerer Jahre die Preise für antiquarische Bücher um die Hälfte gesunken waren. Die ganze Abteilung »Geschichte und Reisen«, die den fünften Teil des Katalogs bildete, ist sv bloo von Boulards Nebenbuhler, dem englischen Bibliomanen Sir Richard Heber, angekauft worden, über den Cim im ersten Teile des Ka pitels ausführlich berichtet. Verwandt mit der Manie des Anhäufens von Büchern ohne die Absicht späterer Lektüre ist schließlich noch eine sonderbare Sitte zu erwähnen, die uns von einigen »Bücher freunden- berichtet wird. Diese unterziehen sich nicht ein mal der Mühe, die Bücher zu kaufen, sondern lassen sich ganze Bücherschränke voll der größten Raritäten an die Wand malen. Gewisse Künstler hatten in dieser Malerei eine solche Virtuosität erlangt, daß der flüchtige Beschauer die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder