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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.02.1906
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- 1906-02-06
- Erscheinungsdatum
- 06.02.1906
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- Deutsch
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^ 30, 6. Februar 1906. Nichtamtlicher Teil. 1359 Täuschung nicht merkte. Tenant de Latour erzählt uns in seinen «Nöwoirss ä'ao bibliopbils«, daß Turgot im Jahre 1761 eine derartige »Bibliothek« in seinem Arbeitszimmer aufgestellt hatte. Diese barg ganz seltsame, fingierte Titel, mit denen der maliziöse Staatsmann irgend eine persönliche, satirische Anspielung verband, z B. »die Kunst, einfache Fragen zu verwickeln, vom Abbs Galiani«; »der wirkliche Nutzen des Krieges, von den Gebrüdern Paris (die sich als Armeelieferanten bereichert hatten)«; »Taschenwörterbuch der Gleichnisse und Bilder« (drei riesige Bände) usw. An dieser Stelle wäre übrigens auch der berühmte Katalog der Bibliothek de Fortsas zu erwähnen gewesen, der ebenfalls nur fingierte Titel enthielt, die mit großer biblio graphischer Sachkenntnis zusammengestellt waren und mit der der belgische Gelehrte und Bücherliebhaber Chalon die Bibliomanen der ganzen Bücherwelt in gelungenster Weise mystifiziert hatte (vgl. Börsenblatt 1903, Nr. 166, wo Schreiber dieses den Schwank ausführlich erzählt hat). Cim berichtet uns (nach Fertiault und Mouravit) noch über einige andre fingerte Bibliotheken, darunter die des bekannten Lustspieldichters Eugen Scribe und die des Königs Ferdinand VI. von Neapel (1751—1825) und gibt im übrigen den Eng ländern den Vorrang für diese sonderbare Liebhaberei, auf die Diogenes' Worte: »Bücher zu besitzen, ohne sie zu lesen, das sind Früchte auf Gemälden« wörtlich angewandt werden können. Wie es zu allen Zeiten Bücherfreunde gegeben hat, so sind uns auch Bücherfeinde, d. h. Büchervernichter (kllblio- olastss, Libliopbobss) aus allen Epochen der Weltgeschichte bekannt Im Altertum gaben Tyrannen-Launen, religiöser Fanatismus, Kriegsgreuel, Unkenntnis und Aberglaube die Veranlassung zur Vernichtung unzähliger Bücher und Hand schriften, und wenn heute so manches berühmte Werk des Altertums nur noch in Bruchteilen oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist, so werden wir uns darüber nicht mehr wundern, nachdem wir Cims Ausführungen im zwölften Kapitel gefolgt sind, die die böswillige oder fahrlässige Ver nichtung oder Beschädigung von Büchern zum Gegenstand haben. Der älteste hiervon bekannte Fall scheint die von den Geschichtschreibern Berosius und Alexander Polyhistor berichtete Verordnung des berühmten babylonischen Königs Nabonussar (8. Jahrhundert vor Christus) zu sein, infolge der alle von den frühem Königen handelnden Geschichts bücher zerstört wurden. Nabonassar wollte hierdurch die Taten seiner Vorgänger aus der Welt schaffen und seine Regierung zum Ausgangspunkt der Weltgeschichte machen. — Im Gegensatz dazu ließ der chinesische Kaiser Chi-Hoang-Ti (213 v. Ehr.) alle Bücher in seinem Reich verbrennen, mit Ausnahme derjenigen, die von der Geschichte seiner Familie, der Astrologie und der Medizin handelten Die Frage, ob die berühmte Bibliothek zu Alexandrien auf Befehl des musulmanischen Feldherrn Omar im Jahre 640 tatsächlich in Brand gesteckt worden ist, bezw ob diese Bibliothek zu jener Zeit überhaupt noch Bedeutung hatte, nachdem sie durch frühere Brände dezimiert worden war, ist nach dem Ver fasser, der hierüber interessante Mitteilungen macht, nicht entschieden. — Vom byzantinischen Kaiser Leo dem Jsaurier (680—741) wird erzählt, daß er die etwa 36 000 Bände zählende kaiserliche Bibliothek mitsamt dem Oberbibliothekar, seinen zwölf Beamten und Schreibern verbrennen ließ, weil dieser, ein außerordentlich kenntnisreicher Gelehrter, gewisse Ansichten seines Fürsten nicht zu teilen vermochte. Fürwahr ein radikales Mittel! Der größte Feind des Buches war, wie schon erwähnt, der religiöse Fanatismus. Vigneul-Marville drückt dies in origineller Weise folgendermaßen aus: »Die Römer ver brannten die Bücher der Juden, Christen und Philosophen; die Juden verbrannten die Bücher der Christen und Heiden und die Christen diejenigen der Heiden und Juden.« Die Barbarenherrschaft zur Zeit der Völkerwanderung und die Kriegszüge der Türken nach dem Westen haben die Bücher schätze der mittelalterlichen Kulturvölker dezimiert. So wurde im 11. Jahrhundert die Bibliothek der ägyptischen Kalifen zu Kairo, die hervorragendste des großen musulmanischen Reichs, von den Türken geplündert. Die Bibliothek zu Tripolis in Syrien, die 3 Millionen (?) Bände enthalten haben soll, wurde während der Kreuzzüge i. I. 1105 von den Franken vernichtet, nachdem diese in einem der Säle zufällig eine Sammlung von Koranen aufgefunden hatten. Über die Zerstörung der Bibliothek Mathias Corvins in Budapest durch die Türken ist schon früher berichtet worden. Die Missionare haben nach Lalanne eine unverant wortliche Schuld dadurch auf sich geladen, daß sie die primi tiven Denkmäler der Mexikaner und Peruaner, Steininschriften, zerstören ließen, die die einzigen Zeugen der Vergangenheit dieser interessanten alten Kulturvölker des amerikanischen Erdteils bildeten. Cim führt noch eine Anzahl andrer Fälle von Bücheroernichtungen an, erinnert an die Verordnungen der Inquisitoren, an Eduard VI. von England, Cromwell, der die Oxforder Bibliothek verbrennen ließ, an den Raub der wertvollen Handschriften der Heidelberger Bibliothek durch Tilly und deren Verschenkung durch den frommen Maximilian von Bayern an den Papst Gregor XVI, und macht uns schließlich auf einen sonderbaren Fall von Büchervernichtung aufmerksam, den Edmond Werdet in seinem bekannten Buche: »Vs 1s librsiris kiavyaiss« erzählt: Zur Zeit, als die fran zösische Regierung das sogenannte »Lizenzrecht« eingeführt hatte, das gestattete, Kolonialwaren in gleichem Betrage wie gleichzeitig exportierte beliebige andre Waren frei einzuführen, kam der Pariser Buchhändler Bossange (1766—1865) auf eine ebenso neue wie gewagte Idee, um hieraus Kapital zu schlagen. Er kaufte bei den Pariser Bouquinisten ganze Schiffs ladungen von alten Büchern auf, fuhr mit ihnen aus einem französischen Nordsee-Hafen aus und ließ die ganze Ladung auf hoher See über Bord werfen. Die Schiffe segelten dann unbefruchtet nach England hinüber und kamen von da mit Kolonialwaren schwerbeladen zurück, die nunmehr vom Ein gangszoll befreit waren. Nach Werdet wurde der Bibliophilie durch diese Räu mung in den überfüllten Läden der Bouquinisten ein großer Dienst erwiesen, Cim jedoch glaubt, daß die Verluste an intellektuellem Gut größer gewesen sein dürften als dieser angebliche Vorteil. Ene andre Art von Bücherfeinden stellt die Klasse der Sammler von Titelbildern, Porträts, Widmungen, Titel blättern, Initialen, Buchdruckermarken, alten Einbänden und Borsatzpapieren. Für sie gilt der Satz: »Der Zweck heiligt die Mittel«, d. h. die Beschädigung eines guten, wertvollen Buches fällt ihnen um so leichter, je begehrenswerter ihnen der Gegenstand ihres irregeleiteten Sammeleifers erscheint. Zwei klassische Beispiele hiervon seien hervorgehoben, die der Verfasser unter andern nach dem »Nagaein pittorsrqus« 1876 und W. Blades (Lvswiss ok voolrch anführt. König Heinrich III. von Frankreich (1551—1589) soll eine besondre Vorliebe für Miniaturen und Initialen besessen haben, die er aus den schönsten Missalen und liturgischen Büchern ausschnitt, um damit kleine Kapellen und Repositorien aus zuschmücken. Die Großen seines Hofes ahmten diese Spielerei nach, und diese unglückselige Mode hat, zum größten Kummer der Bibliophilen und Kunsthistoriker, manches herrliche Buch, manches Unikum in unersetzbarer Weise verstümmelt. Der Engländer John Bagford, einer der Gründer der »Lntiquariav Soeist,^« hatte es auf Titelblätter seltner Bücher abgesehen. Er durchsuchte das ganze Land nach solchen und legte eine 180'
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